Versicherungen
11. März 2013

Ein noch zu lösendes Problem: die Zinskurve unter Solvency II

Nach Ansicht von Towers Watson muss die Frage nach der anzusetzenden Zinskurve noch gelöst werden. Eine diesbezüglich laufende Studie begrüßt das Beratungshaus, mahnt allerdings auch zur Vorsicht.

„Die Lebensversicherungsbranche sollte reguliert, nicht weg reguliert werden“, so die Auffassung des Solvency-II-Experten von Towers Watson, Michael Klüttgens. Wäre Solvency II in seiner ursprünglichen Fassung umgesetzt worden, hätte seines Erachtens ein großer Teil der deutschen Lebensversicherer heute Schwierigkeiten, die Kapitalvorschriften zu erfüllen. So ist es nun aber nicht gekommen, und das Regelwerk wird vermutlich erst 2017 in Kraft treten. Nach Ansicht von Towers Watson sollte diese Zeit genutzt werden, um eine bislang ungelöste Frage zu klären, nämlich die nach der anzusetzenden Zinskurve.
Derzeit läuft eine Studie (Long Term Guarantee Assessment), die diverse Erleichterungen hinsichtlich der anzusetzenden Zinskurve testet. Das Beratungsunternehmen Towers Watson begrüßt dieses Unterfangen. Denn wenn die ursprünglich vorgesehene Wahl der Zinskurve gesetzlich verankert worden wären, wären die Aufwendungen für die Versicherer heute unangemessen hoch. Vor allem würde sich die Volatilität am Kapitalmarkt zu stark auf die Bilanzposition übertragen, was signifikante Probleme aufgeworfen hätte. Aufgrund der hierzulande üblichen langfristigen Zinsversprechen seien insbesondere deutsche Lebensversicherer von dem stark gesunkenen Zinsniveau betroffen. Auch wenn Towers Watson die Studie durchaus für sinnvoll hält, ruft Klüttgens zur Vorsicht beim internen Einsatz auf. 
In einem Schreiben heißt es: Versicherer sollten vorsichtig planen, in welchem Umfang sie die zur Diskussion stehenden Anpassungen der Zinskurve auch für ihre interne Steuerung einsetzen. Als problematisch erachtet das Beratungshaus die Vorschläge, die eine mehr oder weniger willkürliche Erhöhung der Zinskurve von zum Beispiel zwei Prozent und mehr vorsehen. Schwierig seien auch Übergangsregelungen, die mit den Diskontsätzen aus dem HGB starten. So liege auf der Hand, dass solche Anpassungen zu gravierenden Fehleinschätzungen der ökonomischen Wirklichkeit führen können. Denn die Folge wären langfristig nachteilige Entscheidungen beim Pricing, bei der Kapitalanlage oder Investitionen. Solche Anpassungen suggerieren laut Towers Watson, dass Gesellschaften weiterhin langfristiges Geschäft mit hohen Garantien profitabel vertreiben können, obwohl in der Realität längst Modifikationen des Geschäftsmodells notwendig wären.
Sinvolle Aspekte
Sinnvoll erscheint Towers Watson unterdessen eine Adjustierung basierend auf dem Verhältnis von illiquiden festverzinslichen Wertpapieren und vorhersagbaren Auszahlungen. Dieses so genannte Matching Adjustment eliminiere eine künstliche – größtenteils liquiditätsgetriebene – Volatilität in der Solvency-II-Bilanz. Zudem eigne es sich bestens zur Steuerung des Geschäfts im Rahmen des Asset-Liability-Managements. Weiterhin begrüßt Towers Watson eine Extrapolation der Zinskurve am langen Ende, wenn mangels Liquidität keine adäquaten Marktpreise vorhanden sind.
Towers Watson empfiehlt allen Versicherungen, die Zeit, die durch die Verschiebung von Solvency II entstanden ist, für Überprüfungen zu nutzen und zu klären, welche Komponenten des Regelwerks sinnvoll für eine wert- und risikoorientierte Unternehmensteuerung sind. Wichtig sei, dass sie unter Solvency II risikogerechte Entscheidungen treffen, etwa im Neugeschäft oder in der Kapitalanlagepolitik. Aus diesem Grund befürwortet Towers Watson auch, dass der Baustein Orsa (Own Risk and Solvency Assessment), der eine Verknüpfung von Risikomanagement mit der Unternehmensplanung und dem Kapitalmanagement vorsieht, schon viel früher eingeführt werden soll. Damit biete sich die Gelegenheit, Aspekte nicht mehr nur aus der Compliance-Sicht zu betrachten, sondern vor allem vor dem Hintergrund, ob sie im Unternehmen Wert schaffen oder nicht.
portfolio institutionell newsflash 11.03.2013/kbe

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