Immobilien
8. Januar 2015

Ein Risikoprofil für Immobilien

Risikomanager sind keine Investmentverhinderer. Mit diesem Vorurteil räumte Dr. Hauke Brede, oberster Risikomanager der Allianz Real Estate während eines Presse-Roundtables von Rueckerconsult auf. Er sieht seine Aufgabe als Risikomanager eher darin, die Marktseite dabei zu unterstützen, die „richtigen“ Investments auszuwählen.

Ein Verhinderer wäre angesichts der Pläne des Versicherungskonzerns auch äußerst kontraproduktiv. Diese ­sehen nämlich einen Ausbau der Immobilienquote um zehn Milliarden Euro in den kommenden Jahren vor. Mit rund 20 Milliarden ­Euro machen Immobilieninvestments in der Asset Allocation der gesamten Allianz derzeit etwa fünf Prozent aus. Durch die Risiko­brille ­betrachtet, spiegelt diese Prozentzahl die wahre Bedeutung von ­Immobilien in den Kapital­anlagen des Konzerns nur unzureichend wider. So liegt der Anteil der Immobilieninvestments am Risikobudget deutlich höher. Er bewege sich eher bei rund zehn Prozent. „Bei Versicherungen kann das Marktrisiko – der Haupttreiber von Immobilien – 30 bis 50 Prozent des Risikobudgets ausmachen. Je nachdem wie groß die Immobilienquote ist, können Immobilien 20 bis 30 Prozent des Marktrisikos ausmachen“, erläutert Brede.
Sämtliche Immobilieninvestments der Allianz sind seit 2009 im Kompetenzzentrum Allianz Real Estate (ARE) gebündelt, in dem auch das Risikomanagement zentral angesiedelt ist. „Risikomanagement muss alle Ebenen abdecken. Es beginnt damit, dass eine Geschäftsstrategie, aber auch eine Risikostrategie definiert wird“, so Brede. Auf den Zielen und der Risikobereitschaft basierend werde unter anderem festgelegt, welche Objekttypen mit dem jeweiligen Risikoprofil in welchen Ländern dem angestrebten Investmentportfolio entsprechen. Das eine Risikoprofil gibt es bei der ARE allerdings nicht; jeder der rund 30 Investoren innerhalb der ARE hat ein eigenes. „Die Kollegen in Frankreich haben teilweise ein anderes Risikoprofil als in Deutschland“, erläutert der Chief Risk Officer (CRO) der ARE. Global geltende­ Standards sorgen für Einheitlichkeit. „Den Rahmen für interne Abläufe­ bilden sogenannte Policies, die als prozessuale Mindestanforderungen globale­ Gültigkeit haben. Sie gewährleisten, dass entlang der gesamten Prozesskette weltweit dieselben Standards eingehalten werden“, erläutert Brede in einem Gastbeitrag im Buch „Prozess­management Real Estate: Methodisches Vorgehen und Best Practice“. So gibt es beispielsweise für die Neugeschäftsanalyse eine einheit­liche Under­writing Policy, die neben Leitprinzipien zur Anzahl und zum Umfang der zu berechnenden Szenarien auch Kernbestandteile der Finanz- und Risikoanalyse sowie Investmentvorlagen beschreibt. Darüber hinaus­ führt zentral eine unabhängige Einheit ein Risk Assessment­ durch. In welche Schritte dieser Prozess aufgebaut ist, beschreibt Brede­ in dem bereits erwähnten Gastbeitrag. Zunächst ­erfolge eine Analyse und Überprüfung der Investmentdokumente auf ihre Vollständigkeit und Einhaltung der Underwriting Policy. ­Anschließend werden Markt-, Standort- und Objektgegebenheiten ­sowie Annahmen­ bezüglich des Cashflows und der Key Performance Indicators­ analysiert. Des Weiteren wird ein realistisches Downside-Case-Szenario definiert und mit dem Standardszenario verglichen. Am Ende des Risk Assessment steht eine Empfehlung des Risiko­managements.

Risikomanagement sollte nach Ansicht von Brede allerdings nicht erst im Investmentkomitee ansetzen, sondern frühzeitig eingebunden sein. Bei der ARE heißt das, dass bereits jeder Pipeline-Call mit einem Risikomanager besetzt ist. „Auf diese Weise hört man zeitnah, welche Ideen diskutiert werden, und kann relativ früh gegensteuern. Das ist einfacher, als wenn der Deal schon verhandelt ist“, so Brede. „Die Selektion der richtigen Tools birgt Wettbewerbsvorteile“, davon ist er überzeugt. Welche Tools das genau sind, verrät der Risikomann der ARE aber nicht. Stattdessen zeigt er an einem Beispiel, wie Wett­bewerbsvorteil dank Risikomanagement aussehen kann. So sei es bei Lebens­versicherern in den USA üblich, das Risiko über einfache Look-up-Table zu messen. Bei Immobilienkrediten werde beispielsweise nur auf die Parameter LTV (Loan to Value) und DSCR (Debt Service Coverage Ratio) geschaut, aus denen­ sich eine Ratio ergibt und ein Rating abgeleitet wird. „Das ignoriert jedoch komplett, um was für ein Objekt es sich handelt – im Sinne­ von Lage und Qualität des Assets­ inklusive Mieterbonität“, kritisiert­ Brede.­ Die ARE ignoriert diese Faktoren nicht, sondern misst sie und führt Monte-Carlo-Simulationen durch. Nicht selten kommt das Rating-Tool der ARE zu einem anderen Urteil als der Markt auf Basis der Look-up-Tabelle. Wenn das zugrundeliegende Objekt beispielsweise einen schwachen Mieter hat, der noch lange in dem Objekt­ bleibt, stuft das Tool das Risiko schlechter ein als der Markt. Andersherum könnte das Tool zu dem Urteil kommen, dass die Risikoprämie im Markt viel zu hoch bewertet ist. In dem Fall könnte die ARE das Pricing anpassen. „Meine Aufgabe als Risikomanger ist es, unter Abwägen der Risiken zu sagen, ob ein Return adäquat ist. Ich sage nicht, das Risiko ist hoch oder niedrig. Das alleine ist irrelevant“, ­so Brede bei dem Presse-Roundtable.
 
Solvency II springt zu kurz
Neben den beschriebenen Prozessen im Neugeschäft betreibt die ARE natürlich auch im Bestandsportfolio Risikomanagement. Hier kommen Risikotools und Risikoanalysen, wie zum Beispiel Stresstests,­ zum Einsatz, die teilweise auch durch externe Regularien bestimmt werden. „Man muss die regulatorischen Anforderungen erfüllen, sollte­ dort aber nicht aufhören“, erklärt Brede. In seinen Augen springt beispielsweise Solvency II und die Solvenz­kapitalquote für Immobilien von 25 Prozent zu kurz. Das Problem sei, dass die Quote top down für den Londoner Büromarkt gemessen wurde. „Es ist wichtig, Top-down- und Bottom-up-Ansätze zu fahren. Das ist granularer“, so Bredes. Die 25 Prozent im Standardansatz für den Londoner Büromarkt hält er im Übrigen für zu niedrig angesetzt.

Klassische Risikotools helfen nicht
Die klassischen Risikotools aus dem Wert­papierbereich auf den Immobilienbereich zu übertragen, ist nach Ansicht von Brede der falsche­ Weg: „Die Berechnung eines Value at Risk für Immobilien ist nicht zielführend und hilft nicht bei der Steuerung des Investment­risikos.“ Ähnlich skeptisch bezüglich der Sinnhaftigkeit des historischen VaR im Immobilien­bereich zeigt sich Immobilienconsultant Dr. Stephan Kloess: „Immobilien sind zu komplex, um sie mit einer Risikokennzahl auszudrücken.“ Abgesehen davon gibt es aus seiner Sicht zwei Hürden, die eine­ Berechnung schwierig machen. „Ich brauche eine vernünftige Anzahl an Datenpunkten, um die Verteilung der Wertveränderung für den VaR zu messen. Hierfür stehen im Immobilienbereich bis auf wenige­ Ausnahmen nicht genügend ­Daten zur Verfügung. Immobilien­ werden in der Regel nur einmal im Jahr bewertet“, so Kloess. Die zweite Herausforderung sieht er in den ­Immobilienrenditen, die nicht normalverteilt seien: „Wenn ich weiß, dass Immobilienrenditen nicht normalverteilt sind, macht es keinen Sinn, einen VaR unter Annahme der Normalverteilung zu berechnen. Darüber hinaus ist es schwierig, ein Risikomaß, welches für liquide Anlagen entwickelt wurde, für weniger liquide Anlagen wie Immobilien­ zu verwenden.“ Alternativen sind für Kloess modifizierte, dynamisierte VaR-Maße der vierten und fünften Generation von Risiko­modellen. Die Herausforderung der Datenverfügbarkeit und Datenqualität bestehe aber auch hier. 

Dass der Value at Risk nicht auf historischen Daten fußen sollte, davon ist auch Jörg Homann, Managing Partner bei Institutional Investment­ Partners, überzeugt. Seine Kritik zielt allerdings nicht primär­ auf die verfügbaren Datenpunkte: „Der historische Value at Risk berücksichtigt hauptsächlich nur die Volatilität im Cashflow und kaum die Volatilität des Marktpreises von Immobilien.“ Sinn ergibt die VaR-Berechnung nach seiner Ansicht nur auf der Planungsebene. Für jedes Objekt bräuchte es ein eigenes Modell, das hunderte Durchläufe fährt. Die Ergebnisse müssten dann aggregiert und interpretiert werden. Doch so einfach, wie es gesagt ist, ist es nicht getan. „Es gibt für Einzelobjekte zwar Modelle, doch kann ich dort nicht einfach mit Wahrscheinlichkeiten arbeiten. Gerade bei den Vermietungsannahmen ist es immer eine Null- oder Eins-Entscheidung. Zieht ein Mieter aus oder nicht? Damit eine Simulation mit verschiedenen Durchläufen Sinn ergibt, braucht es eine gewisse Anzahl an Null- und Eins-Entscheidungen. Bei Gewerbeimmobilien sollte ich besser nur bei Portfolien, die eine hohe Streuung des mietvertraglichen Cashflows auf­weisen, mit Wahrscheinlichkeiten arbeiten“, erläutert Homann. Monte-­Carlo-Simulationen auf Portfolioebene durchzuführen und darüber­ einen ex ante VaR zu berechnen, sei allerdings sehr komplex und mit viel Aufwand verbunden.

Simulationstools müssen Immobilien lernen

Von der Komplexität und dem Aufwand hat sich Union Investment nicht abschrecken lassen und für sein Risiko-Controlling ein Tool namens „ImmoRisk“ entwickelt. „Ziel war es, auch für unsere Immobilienfonds ein Instrumentarium zur Risikoquantifizierung zu schaffen, welches vergleichbar mit denen aus dem Wertpapierbereich bekannten­ Instrumentarien ist und vergleichbare Kennzahlen ermittelt, insbesondere VaR-Kennzahlen, sowie eine Ex-ante-Betrachtung ermöglicht“, erläutert Dr. Heiko Beck, Chief Operating Officer bei Union Investment Real Estate. Die größten Herausforderungen, die es bei der Entwicklung des Tools zu bewältigen galt, waren zum einen die enormen Datenmengen, die Verfügbarkeit historischer Daten und die Festlegung der Risikoparameter. Zum anderen erwies sich die Auswahl der Anbieter als schwierig. „Es gab einerseits gute Planungstools für Immobilien, die keine oder nur einfache Simulationen ­be­inhalteten, oder andererseits Simulationstools, denen man die ­Immobilien ‚beibringen’ musste“, so Beck. Inzwischen ist das Tool „ImmoRisk“ seit gut einem Jahr im Einsatz. „Auf Basis eines 60-­monatigen Plandatenansatzes werden die Hauptrisiko- und Rendite­treiber mit Verteilungsannahmen belegt. Mit Hilfe einer Monte-Carlo-­Simulation ermöglicht es ImmoRisk, den künftigen Portfoliowert und die künftige Rendite als Verteilung zu ermitteln und abzubilden“, ­erläutert Beck die Funktionsweise.­ In der Monte-Carlo-Simulation, für die Union Investment circa vier Stunden benötigt, werden monatlich 3.000 Durchläufe gefahren. „Der größte Aufwand steckt in der Datenvorbereitung und im Quality Check“, so der COO von Union ­Investment Real Estate.

Die Länge der in die Zukunft gerichteten Risikoanalyse liegt im Moment bei zwölf Monaten, soll aber perspektivisch auf 24 oder gar 36 Monate erweitert werden. Auch bei der Datengrundlage gibt es noch Optimierungs­potenzial. So können derzeit noch nicht für alle Länder und Nutzungs­arten Verteilungsannahmen aus ausreichend langen historischen Zeitreihen ermittelt werden. In diesen Fällen greift Union Investment häufig auf Expertenschätzungen zurück. Die Aussagekraft einer Risiko­kennzahl, wie des Value at Risk, sieht Beck grundsätzlich gegeben: „Möchte man wissen, wie hoch das Risiko ist, eine geplante Rendite zu unterschreiten, ist ein einseitiges Maß, wie zum Beispiel der VaR, geeignet.“ Die Frage hierbei ist allerdings: Was fängt der Investor mit diesem Wissen an?

Im Wertpapierbereich kann das Wissen um die Höhe des VaR zum sofortigen Handeln führen. Bei Immobilien ist das meist nicht möglich. „Man kann die Risiken mit solchen Risikosystemen sehr gut monitoren und messen. Doch eines­ darf man nicht vergessen: Bei Immobilien ist die Reaktionszeit einer Investition oder Desinvestition eine ganz andere als bei Wertpapieren. Bis eine Immobilie zum Beispiel verkauft ist, gehen im besten Fall vier Wochen, im schlechtesten Fall sechs Monate­ oder mehr ins Land“, erklärt Alexander Tannenbaum, Geschäftsführer bei Universal-­Investment, die als Master-­KVG im Immobilienbereich für institutionelle Investoren über 2,6 Milliarden Euro­ investiert hat. Außerdem­ bergen Immobilien teils komplexere Risiken. Neben Kontrahenten-, Marktpreis- und Wertänderungsrisiken, die auch im Wert­papierbereich zu beachten sind, kommen die immobilienspezifischen Risiken hinzu. „Im Risiko-Reporting von Immo­bilieninvestments müssen Sie zusätzliche Annahmen treffen als im Wertpapierbereich, die das individuelle Immobilienrisiko transparent machen. Hier findet man zum Beispiel standortbezogene Klumpenrisiken oder Mieterrisiken. Die Annahmen, die ich für meine­ Risikomessung daher treffe, müssen so gewählt sein, dass das Immobilieninvestment nachvollziehbar im Rahmen dieser Annahmen dieser­ Risikomessung unterlegt wird“, erläutert Tannenbaum.

Auch bei Universal-Investment wird im Risiko-Reporting unter anderem der Value-at-Risk-Ansatz genutzt. Neben historischen Daten arbeitet Universal-Investment auch mit Monte-Carlo-Simulationen. „Im Rahmen der Value-at-Risk-Messung werden bestimmte Bandbreiten festgesetzt. Wohin entwickelt sich das Portfolio, wenn sich einer der Faktoren im Value at Risk ändert?“, führt Tannenbaum aus. Ihm ist dabei sehr wohl bewusst, dass die Aussagekraft oftmals eher theoretisch und nur individuell nutzbar ist: „Es gibt allerdings Risiko-Controller, die das messbar gemacht haben wollen.“
       
Banken haben keine Wahl       
Nicht nur Risiko-Controller mögen den Value at Risk, sondern auch die Aufsicht. So haben beispielsweise Banken – anders als die Allianz­ – nicht die Freiheit zu entscheiden, ob sie den VaR für ein geeignetes Risikomaß für ihre Immobilieninvestments halten. „Banken müssen aufsichtsrechtlich den Value at Risk berechnen, auch wenn dies schwierig ist, weil es keine konsistenten Zeitreihen wie bei Aktien­ oder Anleihen gibt“, erklärt Clemens Quast, Treasury-Leiter der Sparda-­Bank München. Um den Anforderungen der Aufsicht zu genügen, greift er auf Daten der offenen Immobilienpublikumsfonds als Referenz zurück und nimmt einen Abschlag auf die Preise. Diese Vorgehensweise ist in der Bankenbranche üblich. Allerdings hat diese Methodik Schwachstellen. „Bei offenen Publikumsfonds hat man in der Finanzkrise gesehen, dass die rechnerische Volatilität nicht mit der Realität übereinstimmt. Es gab Glättungseffekte, zum Beispiel durch die Liquidität­ in den offenen Immobilienfonds“, erklärt Jochen Schenk, Vorstand der Real IS. Die Kennziffern der offenen Immobilien­fonds lassen sich seiner Ansicht nach nicht ohne weiteres auf Investments institutioneller Investoren übertragen, weil diese in der Regel geringere Liquiditätsreserven aufweisen. Zudem bezweifelt er, dass die Invest­ments institutioneller Investoren der Allokation des als ­Referenz gewählten offenen Fonds gleicht. Und so hat sich die Real IS zusammen mit dem Sparkassenverband Bayern aufgemacht, ein neues­ Modell­ zu entwickeln, das transparent sein sollte und das jeweilige Risiko­ der tatsächlich getätigten Investitionen abbildet.

Auf der Suche nach einer passenden Datenbasis hat die Real IS verschiedene Möglichkeiten durchgespielt, auch Monte-Carlo-Simulationen. „Wir wollten kein hochkompliziertes Modell.­ Die Investoren müssen die Berechnung dahinter nachvollziehen können. So verlangt es schließlich auch die Aufsicht“, nennt Tobias­ Kotz, Direktor­ institutionelle Kunden bei der Real IS, als Grund, warum man sich gegen Monte-Carlo-Simulation entschieden hat. Letztendlich fiel die Wahl auf die IPD Investment Property Data­bank. „Die Datenbank ist am ­solidesten und größten. Für die Kernmärkte gibt es Datenpunkte für 13 bis 15 Jahre. Sie haben somit bereits verschiedene Zyklen durchlaufen, und auch die Extremjahre 2008 und 2009 sind enthalten“, so Kotz. Der Vorteil von Bewertungsdaten sei, dass man zwischen Cashflow und Wertänderung unterscheiden kann. „Banken und Sparkassen­ schauen bei der Risikosteuerung nur auf die Wert­änderung, sie rechnen nicht die Einnahmen dagegen. Auf Portfolioebene­ und unter Anlagegesichtspunkten ist dann der Total Return­ gefragt“, erklärt Kotz. 

Das von Real IS entwickelte Modell wirkt simpel. Entsprechend den jeweiligen Portfolios werden die verschiedenen Sektoren und Regionen mit Hilfe der Zeitreihen von IPD gemischt und die Kennzahlen nachgebaut. Die Kennzahlen und die Historie des entsprechenden Benchmark-Portfolios stehen den Investoren innerhalb des Reportings­ zur Verfügung. Mit der Methode werden nur jährliche Werte geliefert. Darin sieht Kotz allerdings kein Problem, da auch innerhalb der Spezial­fonds nur einmal im Jahr eine Bewertung der Immobilien erfolgt.­ Zu bedenken sei außerdem, dass der Immobilienmarkt nicht so volatil wie der Wertpapiermarkt ist. „Kürzere Bewertungszyklen würden die Volatilität im Endergebnis eher glätten“, meint Kotz. Im Herbst dieses Jahres hat die Real IS für ihre Spezialfonds erstmals den VaR auf Jahresbasis geliefert. „Im Vergleich zu früher ist die Vola­tilität deutlich höher. Wir haben die Ergebnisse mit Backtests unserer Fonds hinterfragt und festgestellt: Es passt. In der Risikotrag­fähigkeit muss nun mehr Risikodeckungspot
nzial vorgehalten werden,­ aber zumindest werden jetzt die tatsächlichen Immobilien­risiken abgebildet­; und das hilft sowohl in der Risikobetrachtung wie auch bei einer objektiven Kapitalallokation“, erklärt Kotz. Dass die zugrunde­liegende Annahme einer Normalverteilung für Immobilieninvestments nicht passt, dieser Tatsache ist sich der Real-IS-Mann sehr wohl bewusst. Deshalb werde der Value at Risk nicht nur über Zeitreihen berechnet, sondern auch über Quantile. „Auf die Quantils­ebene zu gehen und den relativen VaR zu berechnen, ist ein Schritt in die richtige Richtung“, ist Kotz überzeugt. „Immobilien sind ein Stück zu differenziert. Unser Modell ist ein mathematischer Versuch, sich das gegebene System zunutze zu machen“, fügt er hinzu.  
 
In die Ecken schauen
Zu den Kritikern der Normalverteilungsannahme gehört auch Susanne Eickermann-Riepe, Partnerin im Asset Management Consulting bei PwC. Ihre Devise: „Lasst uns in die Ecken schauen. Externe Schocks werden in der Gauß‘schen Normalverteilungswelt oftmals außen­ vor gelassen. Ein hohes Risiko mit einer sehr geringen Eintrittswahrscheinlichkeit nimmt in der Risikobetrachtung zumeist nur wenig Raum ein.“ Dehalb rät Eicker­mann-Riepe, auch die Fat-Tail-­Risiken zu bedenken und entsprechende Szenarien abzuleiten. Als Beispiel führt sie das Erdbebenrisiko in Japan an: „Das Objekt kann an sich sehr gut sein. Es nützt Ihnen aber nichts, wenn ein Erdbeben die Lage des Objekts unattraktiv und damit unter Umständen unverkäuflich macht.“ Um diese Risiken zu vermeiden, schließen manche Portfoliomanager Investments in erdbebengefährdeten Ländern von vornherein aus. Diesen Weg hat beispielsweise die Allianz gewählt.

Eine solche Risikovermeidungsstrategie führt natürlich zu geringeren Renditen, wie Eickermann-Riepe konstatiert: „Im Rahmen ­unserer Projekte sehen wir, dass immer zuerst auf den Return ­geschaut wird. Das Risiko wird zwar auch betrachtet, aber die Prioritäten sind klar zugunsten der Rendite verteilt.“ Hier seien andere ­Asset-Klassen deutlich weiter. Während in der Immobilienbranche ­typischerweise qualitative Scoring-Modelle und Wertentwicklungsanalysen eingesetzt werden, nutzen Manager von Wertpapier­anlagen für die Risikomessung ausgefeilte quantitative Methoden, wie zum Beispiel die Budgetwertmethode. Sie können auch auf großen historischen Datenmengen aufsetzen. „Zu jeder Investmentstrategie gehört letztendlich ein Risikoprofil. Dieses Profil ergibt dann ein Risiko­budget. Sollten Risiken auftauchen, kann man bewerten, wie hoch dieses Risiko im Budget bemessen war und ob sich Auswirkungen auf die geplante Rendite ergeben“, führt die PwC-Partnerin aus. Allerdings räumt sie ein, dass eine Übertragung der Budgetwertmethode auf ­Immobilien zwar wünschenswert, aber nicht einfach ist. Der Grund: Es braucht viele Daten. Damit sind wir am Grundproblem der Immobilienbranche­ angelangt: die eingeschränkte Datenverfügbarkeit und -qualität. Eickermann-Riepe ist überzeugt: „Es bedarf hier einer­ Weiterentwicklung der quantitativen Modelle. Einige große Häuser befassen sich schon intensiv damit. Wir werden in den nächsten­ zwei bis drei Jahren einen­ weiteren Entwicklungsschritt im Risikomanagement für Immobilien sehen.“

von Kerstin Bendix

portfolio institutionell, Ausgabe 12/2014

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