Strategien
6. Oktober 2015

Eine Frage des Geschäftsmodells

Dr. Peter-Henrik Blum-Barth, Abteilungsleiter Unternehmensplanung & Controlling der Versorgungskassen KZVK/­VKPB, erörtert im ­Gespräch mit Tobias Bürger, was er unter einer Risikoprämie versteht. Und er erklärt, warum Pensionseinrichtungen auf planbare Erträge angewiesen ist.

Wird der Begriff „Risikoprämie“ heutzutage überstrapaziert?
Ich betrachte den Begriff jetzt aus Sicht der Unternehmenssteuerung heraus. Es ist heute so, dass die Anbieterseite häufig dazu neigt, das Thema dahingehend überzustrapazieren, dass man glaubt, man könne auf ­Risikoprämien ein verbindlichkeitsgetrie­benes Geschäftsmodell aufbauen. Das kann man natürlich nicht. Risikoprämien sind aus meiner Sicht ein Add-on. Wenn sie gut diversifiziert sind, können sie einen entsprechenden Beitrag leisten. Man darf das aber nicht überstrapazieren. Wie groß dieser Beitrag sein kann, muss jeder Investor, seine ­Verbindlichkeitsstruktur reflektierend, selbst beantworten.

Welche Restriktionen sehen Sie im Detail?

Je mehr Sie Ihr Geschäftsmodell auf ­Risikoprämien aufbauen, umso mehr brauchen Sie auch einen Ertragspuffer. Das ­können Eigenkapital, aber auch sonstige, ­diskretionäre Steuerungsinstrumente in Form von Beitragserhöhungen oder Leistungskürzungen sein. Wenn Sie dagegen ­keinen solchen Puffer haben und Ihren Cashflows ausschließlich auf Risikoprämien aufbauen, können Sie das eigentlich nicht handhaben. Denn Sie brauchen planbare Erträge.

Sind Risikoprämien für Sie ein Thema?
Risikoprämien können durchaus hilfreich sein. Man muss auch ein Stück weit ins Risiko gehen, um heutzutage bei diesen ­niedrigen Zinsen sinnvolle Kapitalanlage­erträge zu erzielen. Ich lege aber großen Wert darauf, dass man das immer im Lichte des ­eigenen Geschäftsmodells betrachten muss. Das heißt, man muss sich zunächst anschauen, wie planbar die eigenen Verpflichtungen sind. Hat man andere Ertragsquellen zum Ausgleich, sprich: Eigenkapital oder sonstige Steuerungsinstrumente? Und dann kann man sich überlegen, wie groß der Prozentsatz ist, den man aus den Risikoprämien herausziehen kann.
Nehmen Sie nur die Pensionsfonds in den USA. Die haben einen ganz anderen ­Anteil an Aktien im Portfolio. Und es funktio­niert auch. Entweder, weil zusätzliche Bei­träge hineinkommen, oder häufiger, weil sie Leistungen kürzen können. Das heißt, ich habe keinen festen Leistungsstrom. Dann ­gebe ich die Risikoprämien, die sich realisieren lassen, – auch die negativen – weitgehend an meine Leistungsempfänger weiter.

Was sehen Sie noch kritisch?
Wenn man beispielsweise einen Aktienfonds angeboten bekommt, bei dem gegenüber einem Anleihefonds eine Risikoprämie von vier Prozent drinsteckt. Dann kommt das manchmal so bei mir an, als wäre die Rendite im Anleihefonds drei Prozent und bei dem Aktienfonds sieben Prozent. Es wird der Eindruck vermittelt, als wären das gleichwertige Renditen. Die Rendite bei Anleihen kann ich relativ sicher und stabil vereinnahmen, bei der anderen geht das nur über sehr lange Zeiträume. Man muss die Gesamt­rendite differenzierter betrachten.
Was mir ebenfalls auffällt, ist, dass Risikoprämien nicht konstant sind. Sie schwanken nicht nur im Zeitablauf, sondern sie sind auch nicht konstant. Das heißt, die Summe verschiebt sich. Manchmal bekommen Sie mehr Risikoprämie für das Kreditrisiko, manchmal für das Illiquiditätsrisiko, manchmal für ­die Volatilität. Das sind meines ­Erachtens neben dem Zinsrisiko beziehungsweise der Dura­tion die wichtigsten Risikoprämien. Wollte man Risikoprämien abstrakt kategorisieren, würde ich die Kreditrisiko­prämie nennen, die Durationsrisikoprämie für Zinsänderungsrisiken in Abhängigkeit von der Steilheit der Zinskurve, die Aktienrisiko- und die Illiquiditätsrisikoprämie. Mit dieser Kategorisierung wird man zwar nicht jeder Asset-Klasse 100-prozentig gerecht, weil gegebenenfalls noch Komplexitäts- oder ­politische Risiken auftreten. Ich komme eher von der Vogelperspektive und bin nicht auf eine Asset-Klasse fokussiert. Ich versuche  eher das Gesamtportfolio zu steuern mit ­meinen Asset-Liability-Modellen.
Dinge wie eine Komplexitätsprämie ­würde ich unter der Illiquiditätsprämie subsummieren. Denn das ist etwas, das eine Trans­aktion schwieriger macht. Ich glaube, dass sich Risikoprämien langfristig vereinnahmen lassen. Aber sie lassen sich nicht ­periodenabgegrenzt in einem Jahr vereinnahmen. Aber je länger Ihr Anlagehorizont ist, umso mehr gleicht sich das aus. Dann können Sie auch auf Risikoprämien setzen.

Was machen Sie eigentlich als Controller?
Ich erörtere beispielsweise mit Portfoliomanagern, welche Risiken sie aufs Buch nehmen können, um bestimmte Vorgaben zu ­erreichen. Das kann ich aber nur bis zu ­einem gewissen Punkt zulassen. Irgendwann muss ich feststellen, dass das Risikobudget aufgebraucht ist, und zwar unabhängig von der zusätzlich erzielbaren Risikoprämie. Zurückgehende Risikoprämien bedeuten letztlich, dass der Erwartungswert für meinen langfristigen Ertrag sinkt. Aber die Volatilität dieses Ertrags verändert sich nicht in gleichem Maße. Ich muss jedoch das Risiko­budget an der Volatilität kalibrieren und nicht am Erwartungswert. Das steht unter anderem durch die EZB-Politik zunehmend im Missverhältnis – dass der Ertragswert abgesenkt wird, aber die Volatilität langfristig nicht zurückgeht. Irgendwann muss man als Con­troller „Stopp“ sagen. Dann ist auch der Port­foliomanager am Ende seines Lateins ­angelangt. Dann muss man das Geschäfts­modell überarbeiten. Dann muss die Lösung von ­anderen Instrumenten kommen.

Das Gespräch führte Tobias Bürger. 

portfolio institutionell, Ausgabe 09/2015

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