Schwarzer Schwan
12. Juli 2013

Eine Sterbekasse auf dem Totenbett

Consultants sind teuer – ihre Arbeit nicht immer das viele Geld wert. Manchmal reicht auch ein Blick in alte Geschäftsberichte, um sich mit Risiken vertraut zu machen.

Unter professionellen Investoren werden derzeit laut einer Towers-Watson-Studie zwei Risiken besonders hoch gehandelt: Neben einem „langfristigen Niedrigzinsumfeld“ bereitet den Profianlegern auch ein möglicher Euro-Break-Up schlaflose Nächte. Überraschenderweise spielen „steigende Inflationserwartungen“ derzeit so gut wie keine Rolle, wie die Umfrage zeigt. Gleichwohl ist es ratsam, sich auch mit diesem Risiko auseinanderzusetzen. 
Manchmal entdeckt man in alten Geschäftsberichten, die zum Beispiel vom Nahtoderlebnis der Kurhessischen Poststerbekasse in Kassel künden, einen schwarzen Schwan: „Unsere im letzten Jahresbericht ausgesprochene Hoffnung auf eine Besserung der Lage unserer Kasse wurde durch die unaufhaltsame Geldentwertung völlig zunichte gemacht. Anfang November waren wir nicht mehr in der Lage, Beiträge einziehen oder Sterbegelder auszahlen zu können. Unser ganzes – im Laufe von mehr als 60 Jahren mühsam erspartes Vermögen reichte nicht mehr hin, auch nur eine Postkarte ohne Marke kaufen zu können“, erklärt die am Boden liegende Sterbekasse im Juli 1924. 
„Wir mußten (…) die Kasse notgedrungen stilllegen und dem Reichsaufsichtsamt hiervon Mitteilung machen. Zu einer förmlichen Auflösung konnten wir uns jedoch nicht entschließen“, hieß es in dem Bericht weiter. Zur Begründung  schreiben die damaligen Vorstände, man wolle das Werk der Vorfahren nicht sang- und klanglos untergehen lassen und „unsere Mitglieder nicht ganz entrechten.“ 
Mit der einsetzenden Festigung des Geldmarktes bot sich der Sterbekasse dann zumindest die Möglichkeit, ihre Tätigkeit auf neuer Grundlage – Einheitsbeitrag und Einheitsleistung – wieder aufzunehmen. „Eine andere Lösung war nicht möglich, da daß alte Vermögen nach wie vor einen so geringen Wert in Goldmarkt darstellt, daß irgendwelche Leistungen aus ihm nicht bestritten werden können.“  
Inflationsgewinnler Schäuble
In der Gegenwart deutet zwar nichts darauf hin, dass es erneut zu einer Hyperinflation kommt. Um erheblich an Kaufkraft zu verlieren, reicht es aber schon aus, wenn das Geld beim Bundesfinanzminister in Berlin abgegeben wird. Den Rest erledigt – diesmal sang und klanglos –  die schleichende Inflation. Insofern liegen die Teilnehmer der eingangs erwähnten Umfrage goldrichtig, wenn sie das langfristige Niedrigzinsumfeld fürchten. 
In diesem Sinne wünscht Ihnen die Redaktion ein Portfolio voller Assets, die sich dem Kaufkraftverlust nachhaltig entgegenstellen. 
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