Schwarzer Schwan
30. Januar 2015

Einfach anziehend

Die neue lässige Linke macht rhetorisch und optisch auf sich aufmerksam.

Nach der Wahl in Griechenland bekommt der Steuerzahler wieder einmal die Krise. Schmeichelte uns Fußballweltmeistern ein bisschen noch das Bonmot von Ex-Kicker Gary Lineker im Ohr, dass am Ende immer die Deutschen gewinnen, so schrillt einem nun die Aussage „egal was passiert, am Ende müssen die Deutschen zahlen" im Ohr. Dieses New Normal für den hiesigen Steuerzahler formulierte der gerade frisch vereidigte Finanzminister des Landes der Götter und des „schwarzen Lochs der Schulden“, Yannis Varoufakis.
Als markanter Glatzkopf stellt Varoufakis die Forderung nach einem Hair Cut auch optisch zur Schau. Fast könnte er als moderner Herkules durchgehen, der zumindest rhetorisch die Keule schwingt: Als „finanzielles Waterboarding nach dem Vorbild der Foltermethoden des amerikanischen Geheimdienstes CIA“ bezeichnete er schließlich den Umgang Europas mit Griechenland. Nur ein Herkules kann ja auch das Selbstbewusstsein haben, als Gläubiger die Bedingungen für einen Schuldenschnitt zu diktieren. Mit der Konsequenz eines Herkules müsste er den Hair Cut auch als alternativlos bezeichnen.
Überhaupt die Optik: Ist Ihnen schon aufgefallen, dass weder Varoufakis noch der neue griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras Krawatte tragen? Als im Jahr 2000 plötzlich jedermann mit einer großen Krawatte mit Bullen und Aktiencharts rumlief, war dies ein guter Indikator dafür, dass die Hausse ihr Maximum erreicht hat. Zu den Krawattenindikatoren zählt aber auch, dass der Krawattenabsatz in der Krise steigt, da Männer zeigen wollen, dass sie hart arbeiten. Da an der Krise nicht zu zweifeln ist, muss man dann also am Arbeitsethos der beiden Politiker zweifeln? Zu dieser Schlussfolgerung könnte auch die Lektüre eines Artikels der „Zeit“ verleiten.
Zusammen mit Pablo Iglesias, dem langhaarigen Politikwissenschaftler aus Madrid und Anführer der linken Podemos-Partei, die in Spanien gerade einen ähnlichen Aufstieg wie die griechische Partei Syriza hinlegt, sieht die Zeitung ein Trio, welches eine Ikonographie der neuen lässigen Linken in Europa erschaffe. Vorstellen kann sich die Zeit in diesem Club der Dandys auch Sahra Wagenknecht, die stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion. Weniger überzeugt vom Erscheinungsbild von Varoufakis – und offenbar auch mit wenig Angst vor einem Hair Cut – äußert sich Leserbriefschreiber „riccardo“: „Ich schätze mal, dass das Standing dieses Herrn spätestens dann vorbei ist, wenn klar wird, wer denn diese coole Lässigkeit bezahlen soll.“ 
Angst vor einem Grexit muss man wegen Varoufakis aber nicht haben. Gerade als passionierter Motorradfahrer lebt es sich mit dem Euro eben ziemlich gut und als moderner Linker will man ja auch einen gewissen Lebensstandard pflegen. Dass Luxusimporte bezahlbar sein müssen, forderte ja auch schon einmal Sahra Wagenknecht gegenüber der „Süddeutschen Zeitung“: „Ich predige nicht Wasser und trinke selbst Wein. Für den Sozialismus zu sein, heißt, Wein predigen und meinetwegen auch Hummer, aber für alle. Ich bin für eine Gesellschaft, in der alle Menschen Hummer essen können.“ 
In diesem Sinne wünscht Ihnen die Redaktion von portfolio ein schönes Wochenende. 
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