Alternative Anlagen
14. August 2015

Energie für die Rendite

Versicherer müssen bei der Kapitalanlage neue Wege gehen. Welche Rolle dabei Investments in Erneuerbare Energien spielen, machte Marktführer Allianz Deutschland bei ­einem Besuch im hauseigenen Onshore-Windpark Calau nahe Lübbenau/Spreewald deutlich. Zudem gab es interessante Einblicke in die Umsetzungsstrategie.

Die deutschen Versicherer sind mit einem Kapitalanlagebestand von rund 1,425 Billionen Euro die mit Abstand größten institutionellen Anleger in Deutschland. Im Umfeld der historisch niedrigen ­Zinsen investieren sie vermehrt auch in alternative Kapitalanlagen wie Energieinfrastruktur. Nach einer Untersuchung des Instituts Trend Research aus dem Jahr 2013 kommen mehr als 13 Prozent der installierten Leistung Erneuerbarer Energien in Deutschland von ­institutionellen Investoren, Tendenz steigend. Im Erneuerbare-­Energien-Gesetz (EEG) ist ein Vergütungszeitraum von 20 Jahren verankert. Bereits getätigte EE-Investitionen, deren Lebensdauer im ­Bereich Windkraft mindestens auf jeweils 50 Jahre veranschlagt wird, unterliegen im künftigen Strommarktumfeld nach gegenwärtiger Rechtslage also langfristig einem Preisänderungsrisiko.

Zudem wird immer noch gestritten, ob Eigenkapitalinvestitionen in Erneuerbare Energien, die nach den ab 2016 geltenden Solvency-II-Regelungen unter „sonstige Aktienrisiken“ gefasst werden, mit unverhältnismäßig hohen 49 Prozent Eigenmitteln unterlegt werden müssen – wie Investments in Hedgefonds oder Private Equity. „Ein zusätzlicher Adjustierungsfaktor von bis zu zehn Prozent kann diese Eigenmittelunterlegung in Abhängigkeit von der Entwicklung der Aktien­märkte sogar noch zusätzlich auf bis zu 59 Prozent erhöhen, obwohl die Wertentwicklungen dieser Anlagen überhaupt nicht mit den Aktienrisiken korrelieren“, sagt Una Großmann, Sprecherin beim Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Der GDV hält diese Einstufung für nicht sach- und risikogerecht und schlägt stattdessen für risikoarme nicht-börsennotierte Eigenkapitalinvestments in Infrastruktur oder Erneuerbare Energien eine separate­ Risikoklasse vor. Diese sollte mit einer deutlich niedrigeren Eigen­mittelunterlegung von 20 Prozent verbunden werden. Eine Entscheidung steht noch aus. Derzeit entfällt weniger als ein Prozent der ­Kapitalanlagen der deutschen Versicherer auf Infrastruktur und ­Erneuerbare Energien. „Wir haben heute sechs Milliarden Euro in ­Infrastrukturprojekten, ohne Energie. Wir könnten das auf ein, zwei Prozent unserer Gesamtanlagen, also auf 13 bis 26 Milliarden Euro, steigern“, heißt es beim GDV.

Marktführer geht bei Wind voran
Marktführer Allianz und einige andere Anbieter sind längst zu ­Investitionen in Erneuerbaren Energien (Renewables) übergegangen. Der Druck, das Geld der Kunden vernünftig anlegen zu müssen, ist gewaltig. Die Allianz, die bereits seit 2005 Renewables kauft, nutzt für Solvency II ein internes Modell und kalkuliert für Erneuerbare Energien mit einer Eigenkapitalunterlegung von rund 25 Prozent. Die ­Erwartungen der Allianz Deutschland an diese Asset-Klasse machte vor kurzem der frischgebackene Vorstandschef der Allianz ­Deutschland AG, Dr. Manfred Knof, beim Besuch des Windparks ­Calau ­deutlich. „Investments in Erneuerbare Energien, die zusammen mit Anlagen in Infrastruktur und Private-Equity-Fonds bei uns derzeit 2,5 Prozent der Kapitalanlagen ausmachen, passen sehr gut zum langfristigen Geschäftsmodell eines Versicherers“, sagte Knof. Im Sinne der Kunden diversifiziere man das angelegte Geld und ­könne das extrem niedrige Zinsniveau ein Stück weit ausgleichen. 

Das Portfolio umfasst seit Juli 54 Windparks auf dem Land sowie sieben Solarparks. Jüngst kamen vier Windparks in Österreich hinzu. Die Allianz-Gruppe hat derzeit 2,5 Milliarden Euro in Wind- und ­Solarenergie investiert, davon allein 1,8 Milliarden Euro durch die ­Allianz Deutschland AG. Bislang ist damit eine Stromerzeugungs­kapazität von 1.400 Megawatt am Netz. Das reicht für über 800.000 europäische Haushalte, was der Größe von Barcelona entspricht.

Der Marktführer bei Versicherungen ist bislang als einziger ­Finanzdienstleister unter die Top-15 der Windparkbesitzer in Europa aufgestiegen. Alle anderen sind Energieerzeuger. Und die Allianz Deutschland macht weiter kräftig Wind: Pro Jahr sollen weitere 350 Millionen Euro investiert werden. „Derzeit konzentrieren wir uns auf Deutschland, Frankreich und Schweden“, sagt Jürgen Gerke, Vorstandschef des konzerneigenen Investment Managers für alternative Anlageformen, Allianz Capital Partners (ACP). Das liege an der zuverlässigen staatlichen Regulierung für Erneuerbare Energien in diesen Ländern und halte das Risiko beherrschbar, dass vertragliche Regelungen und Tarife rückwirkend verschlechtert würden.
 
Eines der jüngsten Investments ist der Windpark Calau mit zehn Windrädern, die es auf 30,8 Megawatt Leistung im Jahr bringen und damit den Strombedarf von 26.000 Vierpersonenhaushalten decken. Er gehört seit Herbst vergangenen Jahres der Allianz Deutschland. Sie hat den neu errichteten Windpark über ACP vom Projektierer PNE Wind (Cuxhaven) erworben. Gerke sieht derzeit Renditen von fünf bis sechs Prozent pro Jahr im Markt, wobei das „Ergebnis bei der Allianz tendenziell höher ausfällt“. Grund: ACP investiere nur in qualitativ hochwertige Anlagen von erstklassigen Herstellern und meidet derzeit noch Windparks auf See wegen der erwarteten geringeren ­Lebensdauer (siehe auch Kurzinterview auf der Seite 21).

Glasklare Kriterien für Investments
ACP investiert ausschließlich Eigenkapital, übernimmt nur fast fertige Anlagen und meidet also Projektrisiken, überlässt die Betriebsführung externen Experten und wappnet sich mit langjährigen Betriebs- und Wartungsverträgen gegen Ertragsausfälle. So kämen stabile und prognostizierbare Cashflows zustande und ließen sich langfristige und attraktive Renditen bei niedrigem Risiko darstellen – unabhängig von der Volatilität der Kapitalmärkte. „Unser Engagement liegt je Projekt bevorzugt zwischen 30 und 100 Millionen Euro Anlagevolumen, ist also großteilig“, berichtet Gerke. Dies erkläre auch, warum man sich in Deutschland im oft kleinteiligen Solarbereich noch zurückhält. „Wind ist in großen Losen darstellbar, Solarenergie nicht“.

Gerke räumte ein, dass ohne die derzeit garantierte Einspeisevergütung für Windstrom in Deutschland „die Rendite nicht auskömmlich“ wäre. Auch hier sei eine regionale Diversifizierung wichtig, denn „andere Länder haben eine andere Incentive-Struktur“. Daher sei das Signal der G7 zum Energiewandel wichtig, die nahezu eine Renew­ables-Verdoppelung in Europa von 2015 bis 2030 vorsehen. Derzeit sei wegen des Anlagenotstands leider viel „funny money“ im Markt unterwegs und kaufe ohne Know-how ein, was die Nachfrage­ anheize und auf die Renditen drücke. Es sei – auch ohne Spekulanten – „immer noch kein perfekter Markt, daher sind Risiko­zuschläge angemessen“, sagte der ACP-Chef weiter. Neben politischen Regularien ­nannte er auch das Bau- und Technikrisiko sowie die nicht verlässliche Windstärke. Technisch sei es ärgerlich, dass Windparks keine Energie ­speichern können, sondern sie sofort ins Netz einspeisen müssen.

Technische Fortschritte sind aber erkennbar: Die Gothaer ver­sichert mittlerweile in Deutschland und Frankreich auch Parks mit Energiespeichern in Form von Lithium-Ionen-Batterien, in denen bis zu zehn Megawatt Strom gespeichert werden können. Auch andere Versicherer bauen alternative Investments aus, um der Niedrigzinsfalle zu entgehen. Die Signal Iduna hat kürzlich erstmals in Windparks investiert und über ihre Tochter Hansainvest acht Onshore-Windparks in Nord- und Ostdeutschland von der WPD AG (Bremen) erworben. Mittelfristig seien weitere Investitionen in Infrastruktur und Erneuerbare Energien vorgesehen. Die Barmenia Ver­sicherungen haben schon Projektfinanzierungen mit Windkraft­anlagen getätigt. „Wir entwickeln mit Partnern konkrete Projekte, kaufen die Windparks und lassen sie über die komplette Laufzeit auch im Bestand“, berichtet Dr. Anton Buchhart, Hauptabteilungsleiter Kapital­anlagen bei der Barmenia. Das funktioniere über Club-Deal-Konstruktionen beziehungsweise über Fonds.

Was mit den Anlagen passiert, wenn sich die Zinsen wieder ­nachhaltig erholen, bereitet den Versicherern offenbar keine Sorgen. Alternative Anlagen kommen künftig nicht über den einstelligen ­Bereich hinaus, blickt Allianz-Chef Manfred Knof im Gespräch voraus. Er fügt aber hinzu: „Sie bleiben eine sehr interessante Anlageklasse“. Die Energiewende werde sich noch mehrere Jahre hinziehen. Daher hält Investment Manager Jürgen Gerke sogar beschleunigtes Wachstum für realistisch. In Spanien etwa, wo ständig die Sonne scheint, kommen erst 5,3 Prozent der installierten Stromkapazität aus Solar­anlagen. In Deutschland seien es dagegen schon fast 36 Prozent. Es ist in einigen Ländern noch viel Luft nach oben mit Sonne und Wind. Und irgendwo bläst im Reich der Allianz immer der Wind.

Von Detlef Pohl

portfolio institutionell, Ausgabe 7/2015

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