Versicherungen
18. November 2015

Ermessensspielräume für Zinszusatzreserve

Bafin plant Storno- und Kapitalwahlwahrscheinlichkeiten realitätsnäher zu berücksichtigen. Dr. Frank Grund nimmt zu Solvency II Stellung.

Proportionalität, Run-off-Plattformen in der Lebensversicherung und die Zinszusatzreserve sind Beispiele, bei denen sich der neue Bafin-Exekutivdirektor der Versicherungsaufsicht gefordert sieht, Klarheit zu schaffen. Diese Ambitionen teilte Dr. Frank Grund in einem Antrittsinterview dem Bafin-Journal mit. „Denn wenn eines im Verhältnis zwischen Bafin und Unternehmen besonders wichtig ist, dann das. Man muss wissen, woran man ist“, so Grund. „Das herauszufinden, braucht manchmal etwas Zeit. Aber ich habe es mir zum Ziel gesetzt: Verlässliche Rahmenbedingungen zu schaffen, soweit es eben geht.“
Für die Zinszusatzreserve, deren Aufbau die Versicherer wegen der niedrigen Zinsen besonders belastet, plant die Bafin eine Rekalibrierung. Die Bafin möchte die „Spielräume auf untergesetzlicher Ebene“ ausnutzen, um den Aufbau der Zinszusatzreserve sowie die Dotierung der Zinsverstärkung zu erleichtern: Bereits für das laufende Jahr räumt sie den Versicherungen die Möglichkeit ein, bei der Berechnung Storno- und Kapitalwahlwahrscheinlichkeiten realitätsnäher zu berücksichtigen. Konkret teilt die Aufsicht mit, dass die Versicherer für den Altbestand eine Genehmigung entsprechender Änderungen des Geschäftsplans beantragen müssen. Für den Neubestand hat der verantwortliche Aktuar in seinem Erläuterungsbericht zu begründen, warum der gewählte Ansatz zur Ermittlung der Storno- und Kapitalwahlwahrscheinlichkeiten angemessen ist.
Die größte Herausforderung beginnt für Versicherungen Anfang 2016, wenn der Solvency-II-Startschuss fällt. Hier plant die EU-Kommission eine Senkung der Eigenmittelanforderungen für Infrastrukturinvestments. Im Mittelpunkt dieses Vorschlags steht die Einführung einer neuen Anlageklasse für Investitionen in Infrastruktur, bei der weniger Risikokapital zu unterlegen ist als nach der bisherigen Kalibrierung. Die Kommission schlägt dafür vor, den Stressfaktor auf nicht-börsengehandelte Eigenkapitalinvestitionen in Infrastruktur von 49 auf 30 Prozent zu senken. Aus Sicht von Grund haben für diese Entscheidung politische Faktoren eine Rolle gespielt, da die Politik Investments in Infrastruktur fördern will. Dieser Einschätzung des politischen Willens fügt Grund hinzu, dass die vorhandenen Daten zu dünn für eine Beurteilung seien, ob Kapitalanlagen in Infrastruktur tatsächlich überdurchschnittlich sicher seien. Darin liege für die Aufsicht eine Herausforderung. „Eigenmittelanforderungen müssen dem Risiko angemessen sein, sonst verfehlen sie ihren Zweck. Wir lassen uns darum vom Vorsichtsprinzip leiten. Wenn die quantitativen Vorgaben gelockert werden, liegt es in unserer Verantwortung, solche Investments – unabhängig von der Kapitalunterlegung – genau zu prüfen und zu hinterfragen, ob die Unternehmen die Risiken adäquat einschätzen und beherrschen können.
Auf die Frage, ob man noch an weiteren Stellen bei Solvency II nachjustieren müsse, antwortete Grund mit einer Replik, die auch viel zu Solvency II aussagt: „Wir haben gut fünfzehn Jahre zäher Verhandlungen hinter uns und als Ergebnis nun ein Regelwerk, mit dem alle halbwegs leben können – jedenfalls ist das mein Eindruck. Jetzt muss man erst einmal loslegen und dem neuen Aufsichtsregime Zeit geben, sich einzuspielen. Ob – und wenn ja, an welchen Ecken – es noch Anpassungsbedarf gibt, wird sich dann schon ergeben. Ziel muss hier dann aber eher die Reduktion von Komplexität sein, als diese noch weiter auszubauen.“
portfolio institutionell newsflash 18.11.2015/Patrick Eisele
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