Schwarzer Schwan
9. Oktober 2015

Es lebe der Klimaschutz

Leonardo DiCaprio will das Klima retten. Da geht es ihm wie den Aktivisten von Greenpeace, die soeben einen tollkühnen Plan präsentiert haben.

In dieser Woche gab es kuriose Neuigkeiten aus dem Rohstoffsektor: Die Umweltschutzorganisation Greenpeace hat Interesse am Kauf der Lausitzer Braunkohle-Tagebaue signalisiert, die derzeit noch Vattenfall gehören. Der schwedische Energiekonzern will sich schon seit längerem von der Braunkohle-Förderung in der Lausitz trennen. Mit einem möglichen Kauf wolle man sicherstellen, dass die Braunkohle im Boden bleibe, heißt es in einer Mitteilung von Greenpeace. Damit übernehme man konkrete Verantwortung für das Klima. 
Der Gesamtbetriebsratsvorsitzende von Vattenfall Europe Mining, Rüdiger Siebers, bezeichnete das Kaufinteresse der Umweltschutzorganisation laut der Deutschen Presseagentur als einen „PR-Gag“ und sagte: „Das nehmen wir nicht ernst“. Ähnlich äußerte sich Brandenburgs Energieminister Albrecht Gerber (SPD). Bei der Greenpeace-Aktion handele es sich offenbar um einen Aprilscherz zur falschen Jahreszeit, sagte er auf Anfrage der Zeitung „Die Welt“. Er halte eine Bewerbung um die Vattenfall-Tagebaue für „völlig abwegig“. Basta.
Ob Greenpeace mit dem Kauf und der anschließenden Schließung der Abbaustätte nur einen „PR-Gag“ gelandet hat, sei dahingestellt. Gleichwohl setzen sich immer mehr Investoren für den Klimaschutz ein. Das ist ganz einfach; dazu muss man nicht erst mit Provinzpolitikern um den Kauf eines Tagebaus feilschen und diesen dann dicht machen – das bringt ohnehin nur Stress mit den Gewerkschaften wegen des Personalabbaus –, sondern man trennt sich von den Aktien jener Unternehmen, die im weitesten Sinne mit fossilen Energieträgern zu tun haben. Was glauben Sie, was für gigantische Aktienbestände manche institutionelle Investoren besitzen? Da machen sich öffentlichkeitswirksame Verkäufe kritischer Firmen richtig gut, imagetechnisch und überhaupt. 
Verkaufswelle losgetreten
Immer mehr Großanleger weltweit entschließen sich dazu, ihre Investitionen in fossile Energieträger abzustoßen und stattdessen in klimafreundliche Lösungen und Firmen zu investieren, die die Luft nicht mit massenhaft Kohlendioxid oder einem anderen Klimakiller verpesten. Diese Entwicklung spiegelt sich in den aktuellen Zahlen zur Divest-Invest-Bewegung wider. Innerhalb eines Jahres konnte die im Januar 2014 gegründete Bewegung die Zahl ihrer Anhänger von 181 auf 430 Institutionen mehr als verdoppeln.  Das Vermögen, das sich dahinter verbirgt, summiert sich auf 2,6 Billionen US-Dollar. „Diese Zahlen sagen uns vor allem eines, nämlich dass die Ausstiegsbewegung massiv an Fahrt gewinnt“, erklärte May Boeve, Geschäftsführerin der Klimaschutzorganisation „350.org“. Und sie fügte hinzu: „Seit ihren Anfängen in einigen US-amerikanischen Colleges fand sie weltweit Anklang bei Menschen, die sich für den Klimawandel interessieren, und brachte einige der größten und einflussreichsten Institutionen der Welt dazu, ihre Gelder aus der Klimazerstörung abzuziehen.“ Beispiele aus der jüngsten Vergangenheit, die sich der Divest-Invest-Bewegung angeschlossen haben, sind der Weltkirchenrat und die 1998 gegründete Stiftung des Schauspielers Leonardo DiCaprio. Unter den Anhängern des Investorennetzwerkes „Divest Invest“ befinden sich noch weitere namenhafte Adressen wie die beiden kalifornischen Pensionsfonds Calpers und Calstrs, die schwedische AP2, die dänische PKA Pension, die norwegische Pensionskasse KLP und der französische Versicherungskonzern Axa. 
Auch in Deutschland ist die Divest-Invest-Bewegung schon angekommen. Zu den Anhängern des Netzwerkes gehören neun deutsche Adressen, darunter die RS Group, Wermuth Asset Management und die Wermuth-Familienstiftung. Deutsche Städte oder Kommunen finden sich derzeit zwar noch nicht auf der Liste, aber der Druck wird auch dort größer, wie der „Spiegel“ berichtete. Ein Beispiel ist Essen, die Stadt blickt auf eine 400-jährige Bergbau-Tradition und ist Sitz des Energieversorgers und Braunkohleriesen RWE. Geht es nach dem Klimaschutzbündnis „Fossil Free Essen“ soll die Stadt die 18 Millionen RWE-Aktien, die sich im städtischen Besitz befinden, verkaufen. Völlig aussichtslos scheint die Forderung nicht zu sein. Laut Spiegel erklärte der neue Essener Oberbürgermeister Thomas Kufen zu diesem Thema: „Langfristig gilt: Da gibt’s keine heilige Kuh.“ Im Wahlwerbespot posierte er einst in der Zeche Zollverein; Lieblingslied Kufens soll übrigens die Bergmannshymne „Glück auf, der Steiger kommt“ sein. 
Das Glück ist RWE zuletzt abhanden gekommen, wie ein Blick auf den Aktienkurs beweist. Und ausgerechnet jetzt soll die Stadt Essen also ihre Beteiligung aus Gründen des Klimaschutzes auf den Markt werfen? Fragt sich nur, wer die 18 Millionen RWE-Aktien kaufen soll? Mal ganz grundsätzlich: Wenn Investoren ihre Beteiligungen an Unternehmen aus dem Bereich der fossilen Energieträger abziehen, hat das Signalwirkung. Doch die Aktien sind damit nicht aus der Welt. Das heißt, irgendwer muss auf der Käuferseite stehen, andernfalls würde der Kurs kollabieren. Und das tut er eben nicht. Das heißt, es gibt auch heute noch Anleger, die ihre Weste nicht auf Teufel komm raus reinwaschen wollen, sondern die in der Verkaufswelle Chancen sehen, Chancen auf Rendite. Denn so schnell wird die Kohle aus dem Energiemix nicht verschwinden. Die klimaschädliche Stromproduktion aus Braunkohle kletterte 2013 in Deutschland auf den höchsten Wert seit 1990. Nur, dass darüber kaum jemand spricht. 
In diesem Sinne wünscht Ihnen die Redaktion von portfolio ein schönes Wochenende. 
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