Alternative Anlagen
6. August 2015

Europaweite Förderung und Risikobeurteilung von Infrastrukturinvestments

Infrastrukturinvestments passen sehr gut zu den obersten Zielen sowie zum langfristig ­ausgerichteten Geschäftsmodell institutioneller Anleger. Darauf weist die Beraterin Dr. Elke Wolf in ihrem Gastbeitrag hin. Sie hinterfragt die europaweite Förderung und Risikobeurteilung von Infrastrukturinvestitionen.

Infrastrukturinvestments passen sehr gut zu den obersten Zielen Sicher­heit, Beständigkeit, Verlässlichkeit sowie zum langfristig ­ausgerichteten Geschäftsmodell institutioneller Anleger. Trotz der Vielzahl von Vorteilen – wie zum Beispiel der inelastischen Nach­frage, der Portfoliodiversifikation und vor allem der stabilen Cashflows – entfällt laut dem Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) zurzeit weniger als ein Prozent der Kapital­anlagen der deutschen Versicherer auf Infrastruktur und ­Erneuerbare Energien. Der Verband hat wiederholt darauf hingewiesen, dass für Infrastrukturinvestitionen die Rahmenbedingungen stimmen ­müssen. Dieser Artikel skizziert jüngste Verbesserungen der rechtlich-regulatorischen Rahmenbedingungen und zeigt die Bedeutung der geplanten europaweiten Förderung von Infrastrukturinvestments für die Risiko­beurteilung bei der Allokationsentscheidung auf.

1. Verbesserungen durch Anlageverordnung und Solvency II
Die lange erwartete Novelle der Anlageverordnung vom 3. März 2015 hat die Investitionsmöglichkeiten in Infrastruktur erweitert. Grundsätzlich umfasst das zulässige Anlagespektrum nun alle fünf Fondstypen nach dem KAGB (OGAW, Spezial-AIF, „sonstige“ AIF, ­Immobilien-AIF, Private-Equity-AIF). Insbesondere kleineren und mittelständischen Versicherungsunternehmen, Pensionskassen und Versorgungswerken wird damit der Zugang zu solchen kollektiven Anlageformen erleichtert.

Für größere europäische Versicherungs­unternehmen mit jähr­lichen Beitragseinnahmen von über fünf Millionen Euro oder Rückstellungen von mehr als 25 Millionen Euro gelten ab dem 1. Januar 2016 die Solvency-II-Regelungen. Die Allokationsentscheidung ist danach „nur“ durch das „Prudent Person ­Principle“ und die Eigenkapital­anforderungen (Solvency Capital ­Requirements – SCR) begrenzt.

2. Spezielle Anreize durch die Europäische Investitionsinitiative

Durch öffentliche Förderung sollen europaweit spezielle Anreize für private Investoren geschaffen werden. So hat zum Beispiel die Task Force Investment unter Vorsitz der Europäischen Investitionsbank (EIB) und der Europäischen Kommission Vorschläge zur ­Verbesserung der Bedingungen für Infrastrukturinvestitionen auf ­nationaler und europäischer Ebene ausgearbeitet. Die Stärkung ­privater Investitionen ist neben Strukturreformen und Haushalts­disziplin eine der Säulen der Europäischen Investitionsinitiative mit den drei Elementen:
(1)    Verbesserung des Investitionsumfelds
(2)    Einrichtung eines Garantiefonds
    (Europäischer Fonds für strategische Investitionen, EFSI);
(3)    Lenkung der Finanzmittel in die Privatwirtschaft über
    eine Projekt-Pipeline.

Der Europäische Fonds für strategische Investitionen ­wurde nach extensiven Verhandlungen am 28. Mai dieses Jahres ­beschlossen. Mit den darin enthaltenen 21 Milliarden Euro aus EU- und EIB-Mitteln soll die Kreditabsicherung für neue EIB-Aktivitäten erfolgen. Private Investoren können sich dann direkt am EFSI oder an einzelnen ­Projekten beteiligen, die ihnen über ein Portal zentral ­zugänglich ­gemacht werden sollen. Die Kommission und die EIB schätzen, ­gemeinsam mit privaten Investoren über einen Multiplikator­effekt rund 240 Milliarden Euro für langfristige Investitionen wie ­Infrastruktur bereitstellen zu können. Die EIB hat inzwischen die Vorfinanzierung von vier Projekten im Rahmen der Europäischen ­Investitionsinitiative genehmigt, und zwar zur Energieeffizienz ­privater Haushalte in Frankreich, für neue Übertragungsleitungen ­Erneuerbarer Energie in Nord- und Westeuropa, zur Senkung des ­industriellen Energieverbrauchs in Finnland sowie zur Verbesserung der ­Gasweiterleitung in Spanien.

3. Risikobeurteilung ist schwierig
Da das bisherige Anlageumfeld primär in besonders risikoarmen Anleihen lag, ist die Risikostruktur von Infrastrukturinvestments für institutionelle Investoren aus mehreren Gründen schwierig zu ­beurteilen. Die Anlageklasse Infrastruktur ist als solche äußerst ­heterogen (von verschiedensten Formen der wirtschaftlichen Infrastruktur wie Verkehr/Transport, Energie, Ver-/Entsorgung, Erneuerbare Energien und Kommunikation bis hin zu sozialer Infrastruktur), so dass entsprechend spezielles Know-how benötigt wird. Ferner ist eine Investition in diversen Anlagevehikeln möglich, beispielsweise:
–    Investition in Infrastrukturbetreiber (zum Beispiel über Aktien oder ETF)
–    Direktinvestition in Infrastrukturprojekte (zum Beispiel über Co-Investments, Private Public Partnerships)
–    Investition als Limited Partner in ungelistete geschlossene Infrastrukturfonds (Dach- oder Single-Funds)

Dies führt dazu, dass Risikostruktur und Renditeerwartungen ­institutioneller Investoren häufig nicht zusammenpassen. Neben den vehikelspezifischen Risiken spielen bei Infrastrukturinvestments vor allem projektspezifische Risiken eine Rolle. Nicht weniger als rund 15 Risikoarten werden für internationale Infrastrukturprojekte typischerweise genannt, die auch im GDV-Positionspapier teilweise zusammengefasst sind. Dazu zählen grundsätzlich alle Möglichkeiten für ­eine Beeinträchtigung der Cashflows bis hin zum Ausfall: Beispiele sind Input-Risiken, Technikrisiken, Betriebs- und Wartungsrisiken, Risiken höherer Gewalt oder auch regulatorisch-politische Risiken wie rückwirkende Reduzierung von Förderungen oder Vergütungen, wie in Spanien, oder zusätzliche Steuern, wie in Italien.

Die Risikostrukturierung muss diese möglichen Cashflow-Beeinträchtigungen widerspiegeln und die Risiken so verteilen, dass eine Investition für institutionelle Investoren im Vergleich zu anderen ­Anlageformen ausreichend attraktiv ist. Die Spezifikation der ­gewünschten Risikostrukturierung ist dabei keine rein rechtliche ­Angelegenheit, sondern primär eine strategische Entscheidung, die vor und zunächst unabhängig von der vertraglichen Umsetzung in Angriff genommen werden sollte.

4. Bedeutung der Förderung für die Risikostruktur
Wie ändert sich die Risikostruktur von Infrastrukturprojekten durch öffentliche Förderung? Der wesentliche Vorteil für institutionelle Investoren liegt darin, dass eine öffentliche Förderung – wie beispielsweise aus dem Garantiefonds EFSI – weniger sichere Tranchen übernehmen soll und so dem privaten Investor vor allem die risiko­ärmeren Tranchen mit höherer Seniorität zur Verfügung stehen. ­Diese Konstruktion verlagert also Ausfallrisiken niedrigerer Tranchen auf die EU und die EIB als strategische Partner des EFSI.

Diesem wesentlichen Vorteil stehen durch die Förderung ­bedingte mögliche Nachteile gegenüber, die der Investor im Einzelfall beurteilen muss. Zum Beispiel:
–    Höhere regulatorisch-politische Risiken, insbesondere ­rückwirkende
Kürzungen der Förderungshöhe, gegebenenfalls bis hin zum Ausfall;
–    Verzerrungen bei den zur Auswahl stehenden Projekten(nur eines von
drei Auswahlkriterien für Projekte ist ein originär wirtschaftliches);
–    Crowding-out privater Investoren, wenn und soweit sich der EFSI nicht
auf Projekte beschränkt, die ohne öffentliche Förderung nicht finanziert
werden könnten;
–    zusätzlicher regulatorisch-administrativer Aufwand.

5. Entscheidungshilfen für Risikobeurteilung und Allokation
Eine mögliche Infrastrukturinvestition konkurriert bei der ­Allo­kationsentscheidung mit anderen Anlageformen in der gleichen Kategorie nach Anlageverordnung beziehungsweise nach Solvency II mit sämtlichen Anlagemöglichkeiten, für die eine ausreichende Eigen­kapitalunterlegung vorgehalten werden kann. Die Kompetenz der ­Risikobeurteilung ist daher für alle Anlagemöglichkeiten erforderlich, auch bei Anwendung des vom GDV vorgeschlagenen Infrastruktur­risiko-Moduls.

Für die Allokationsentscheidung sind zunächst einige grund­legende Aspekte zu diskutieren, wie zum Beispiel:
–    die Rolle des Infrastrukturinvestments im Gesamtportfolio:
Soll neben der Renditeerzielung vor allem der „alternative“ Charakter­ von Infrastrukturinvestitionen genutzt werden? Welche Anlagevehikel bieten dann eine möglichst geringe Korrelation mit anderen­ Assets im Portfolio und damit den gewünschten Diversifikations­beitrag?
–    Anpassungen der Renditeerwartungen:
Das Risiko-Rendite-Profil von Infrastrukturinvestitionen hängt ­sowohl vom Infrastrukturtyp als auch vom Anlagevehikel ab. Die ­Suche nach höheren Renditen muss grundsätzlich auch mit der ­Bereitschaft einhergehen, höhere Risiken einzugehen als bei den bisherigen Anleiheinvestitionen.
–    Handhabung des Zielkonflikts SCR versus Renditeerzielung:
Eine Reduzierung oder Minimierung der SCR impliziert in der Regel auch eine geringere mögliche Rendite. Inwieweit wird die ­Absicht, dem Niedrigzinsumfeld im Anleihemarkt zu entgehen, ­konterkariert, wenn zum Beispiel anleiheähnliche Fremdkapital­instrumente oder Genussscheine gewählt werden?

Werden konkrete Investitionsmöglichkeiten beurteilt, hat der GDV für „weitgehend risikoarme“ Anlagen in Infrastruktur, für die ­eine Eigenkapitalunterlegung von 20 Prozent vertreten wird, folgende Kriterien vorgeschlagen:
(a)    Anlageobjekt aus dem Bereich von Infrastruktur oder
    Erneuerbare Energien;
(b)    nicht börsennotiert;
(c)    langfristig prognostizierbare operative Zahlungsströme;
(d)    niedriges Ausfallrisiko (im Vergleich zu anderen Anlageklassen);
(e)    niedrige Korrelationen mit anderen Anlageklassen;
(f)    reguliertes Geschäftsumfeld oder öffentliche Garantien;
(g)    Marktverhältnisse nahe an einem natürlichen Monopol oder unelastische
Nachfrage oder langfristige Verträge / Konzessionen oder gesetzliche
Abnahmeregelungen;
(h)    keine nennenswerten Projekt- oder Bau-Risiken;
(i)    keine nennenswerten Risiken durch Elementarschäden oder Diebstahl /
Vandalismus (gegebenenfalls versichert);
(j)    maximaler Fremdfinanzierungsgrad von 60 Prozent, also Hebelung auf
maximal das 2,5-Fache;
(k)    Lage des Anlageobjektes in einem OECD-Mitgliedstaat.

Diese Kriterien für eine reduzierte Eigenkapitalunterlegung ­müssten dann grundsätzlich auch auf EFSI-geförderte Projekte ­Anwendung finden.

Wie bei allen Investments sind die Risiken auch bei Infrastruktur­investitionen gleichermaßen vielschichtig wie das Instrument. Das heißt, sie sind auf allen Ebenen des Anlagevehikels bis hin zum ­Underlying zu betrachten. Nach Solvency II ist zum Beispiel für Marktrisiken bei Fondsinvestments ein Look-Through-Ansatz anzuwenden. Vor der Allokationsentscheidung in Fonds können Risiken im Rahmen der Due Diligence (DD) untersucht und bei der Managerselektion berücksichtigt werden. Zur Managerselektion können ­ferner Due Diligence Questionnaires (DDQ), wie sie beispielsweise vom Bundesverband Alternative Investments bereitgestellt werden, auf die eigenen Bedürfnisse zugeschnitten ­sowie unabhängige Ratings von Anbietern wie Scope, TKL oder G.U.B. ­herangezogen werden.

6. Ausblick
Hinsichtlich der rechtlich-regulatorischen Rahmenbedingungen stehen noch zwei wesentliche Verbesserungen aus: Nach der Novellierung von Anlageverordnung und VAG muss nun das Kapitalanlagerundschreiben der Bafin von 2011 an die neue Rechtslage angepasst werden. Diese Anpassung wird von institutionellen Investoren ­dringend erwartet. Ferner sollen die ungebührlich hohen Eigenkapital­anforderungen (SCR) nach Solvency II, die in Abhängigkeit von der Anlageform bei 39 Prozent (Debt) bis 59 Prozent (Equity) liegen, überarbeitet werden. Die Eiopa hat im März dieses Jahres ein Konsulta­tionspapier zur Beurteilung von Infrastrukturanlagen unter Solvency II veröffentlicht. Die Eiopa IRSG (Insurance and Reinsurance Stakeholder Group) hat darauf in einem Meeting am 28. April 2015 unter anderem die Revision der Kalibrierung nach dem Standardansatz ­diskutiert. Empfehlungen an die Europäische Kommission sind für Sommer 2015 geplant.

Durch die in diesem Beitrag skizzierten Verbesserungen der ­rechtlich-regulatorischen Rahmenbedingungen steht institutionellen Investoren ein breites Spektrum von Anlagemöglichkeiten in Infrastruktur offen. Fondsanbieter nehmen die Chancen für neue ­Produkte wahr, die sich mit Inkrafttreten des KAGB im Jahr 2013 ergeben ­haben. ­Ferner ist nun auch die Vergabe von Darlehen für Rechnung von AIF möglich, nachdem die Bafin am 13. Mai die geänderte Ver­waltungspraxis zur Vergabe von Darlehen für Rechnung des Investmentver­mögens bekanntgegeben hat.

Bei der Auswahl aus dieser Produktvielfalt müssen vor allem die folgenden beiden Parameter abgewogen werden: erstens die Eignung des ­Anlagevehikels für das bestehende Portfolio; zweitens das Risiko-Rendite-Profil unter Berücksichtigung der Risikostruktur des Projekts – einschließlich eventuell bestehender öffentlicher Förderung. Eine öffentliche Förderung ändert die Risikostruktur eines Infrastrukturprojektes, indem der private Investor von Risiken niedrigerer ­Tranchen entlastet werden soll. Dieser Aspekt darf im Rahmen der Risiko­beurteilung allerdings nicht überbewertet werden. Da auch neue, ­förderungsspezifische Risiken entstehen, ist ein öffentlich gefördertes Projekt nicht per se einem rein privat finanzierten überlegen.

portfolio institutionell, Ausgabe 7/2015

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