Stiftungen
8. September 2017

Expeditionen ins Stiftungsreich

Stiftungen treiben die verschiedensten Themen um. Wer den Finger an den Puls der Szene legt, erfährt Erstaunliches. Manches ist dagegen weniger erstaunlich, zum Beispiel, dass Stifter noch lange nach dem Tod im Zentrum des Wirkens stehen.

Der Bundesverband Deutscher Stiftungen (BDS) ist seit je her eine profunde Quelle für alle, die präzise Informationen über den deutschen Stiftungssektor verlangen, ohne im Dickicht der inzwischen mehr als 21.000 Stiftungen den Überblick zu verlieren. Bereits seit 1991 veröffentlicht der BDS im Verzeichnis Deutscher Stiftungen informative Statistiken. Ein Thema, das Interessenten immer wieder unter den Nägeln brennt, lautet: Wie heißen eigentlich die größten Stiftungen der Bundesrepublik? Die Frage, so heißt es in der Berliner Zentrale, sei nicht einfach zu beantworten. Gleichwohl hält es der Bundesverband „im Sinne der Stärkung des Transparenzgedankens für wichtig“, dieses Thema nicht aus den Augen zu verlieren.

Die Angaben zu den größten Stiftungen privaten Rechts nach Kapital (siehe Tabelle) resultieren aus einer schriftlichen Befragung, die der Bundesverband jährlich an eine Gruppe von rund 100 Stiftungen mit großem Vermögen oder Ausgaben richtet. Gefragt wird darin beispielsweise nach dem Eigenkapital. Dieses beinhaltet das Stiftungskapital beziehungsweise das Grundstockvermögen, man spricht hier auch vom Errichtungskapital und berücksichtigt etwaige Zustiftungen. Treuhandvermögen bleibt aber außen vor.  Zusätzlich werden die Gesamtausgaben inklusive allgemeiner Verwaltungs­kosten erhoben. Das Eigenkapital beziehungsweise die Ausgaben der gemeinnützigen Stiftungen mit den größten Werten werden – soweit die Angaben zur Veröffentlichung freigegeben sind – publiziert. ­Deshalb könne, so der Verband, „kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben werden“.

Nun aber Butter bei die Fische. Zu den größten Stiftungen privaten Rechts zählen unter anderem die Alfried Krupp von Bohlen und ­Halbach-Stiftung mit Sitz in Essen. Die Stiftung brachte es anhand der Zahlen der jüngsten Erhebung auf einen Buchwert von 1,1 Milliarden Euro. Nur wenige Stiftungen in der Bundesrepublik besitzen ein noch größeres Vermögen, wie die Übersicht zeigt, etwa die Baden-Württemberg-Stiftung mit 2,1 Milliarden Euro oder die ­Deutsche Bundesstiftung Umwelt. Mit Ausnahme der Hans-Böckler-Stiftung, der Stiftung Warentest und der Stiftung WWF-Deutschland finanzieren alle Stiftungen in dieser Liste ihre Ausgaben überwiegend aus ­ihrem Stiftungsvermögen. Die Tabelle erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. In die Zusammenstellung wurden nur jene Stiftungen aufgenommen, die bereit waren, ihre Daten zu veröffentlichen.

Aktiv am Aktienmarkt
Die Else-Kröner-Fresenius-Stiftung (EKFS) ist eine der wenigen Großstiftungen in der Bundesrepublik, bei der auch der Verkehrswert ­bekannt ist. Sie ragt nicht zuletzt aufgrund der schieren Größe des Verkehrswertes von mehr als neun Milliarden Euro aus dem Stiftungssektor heraus. Die Stiftung wurde 1983 von der Unternehmerin Else Kröner gegründet und zu ihrer Alleinerbin eingesetzt. Sie dient der Förderung der medizinischen Forschung und unterstützt medizinisch-humanitäre Projekte und bezieht nahezu alle ihre Einkünfte aus Dividenden der Fresenius SE.
Die EKFS besitzt aus der ­Vergangenheit heraus und durch weitere Zukäufe im laufenden Jahr 26,33 Prozent der Aktien der Fresenius SE. Damit ist sie die Nummer eins im Aktionariat des Bad Homburger „Gesundheitskonzerns“, wie sich das Unternehmen selbst bezeichnet. Laut Bundesverband Deutscher Stiftungen belief sich der Verkehrswert der Stiftung, der weitestgehend aus eben jenen Aktien der Fresenius SE resultiert, per 2015 auf 9,426 Milliarden Euro. Da die Aktien seither weiter an Wert gewonnen haben, dürfte das Stiftungsvermögen inzwischen oberhalb von elf Milliarden Euro rangieren.

Der Stifter im Zentrum

Um die Fresenius SE als unabhängiges Ganzes zu erhalten, hat die Stiftungen erst kürzlich weitere 90 Millionen Euro in den Kauf von Stammaktien der in Bad Homburg verwurzelten Fresenius SE investiert. Man wolle mit diesem Schritt ihr langfristig orientiertes Engagement als Ankeraktionärin von Fresenius stärken und das Vermächtnis der Stifterin Else Kröner fortführen. Und auch in der Führung und Ausrichtung der EKFS soll Kontinuität gewährleistet sein. 30 Jahre nach dem Tode der Namensgeberin wird der Lenkungsausschuss im Stiftungsrat im Juni 2018 nach Ende der Testamentsvollstreckung die Aufgaben wahrnehmen, die derzeit noch bei den Testamentsvollstreckern Winfried Baranowski, Dr. Dieter Schenk und Dr. Karl Schneider liegen. Dazu gehöre, die Beteiligung an Fresenius zu verwalten und die damit verbundenen Stimmrechte auszuüben.

Auf deutschem Boden gibt es unzählige Stiftungen, denen es – so wie der Else-Kröner-Fresenius-Stiftung – wichtig ist, das Vermächtnis ­ihres Stifters zu bewahren. Ein Beispiel liefert auch die Stiftung des deutscher Tierfilmers, Kameramanns, Produzenten und Publizisten Heinz Sielmann. Zeit seines Lebens kämpfte dieser für die Erhaltung und Schaffung naturnaher Lebensräume für gefährdete Tier- und Pflanzenarten. Sielmann moderierte von 1965 bis 1991 im Fernsehen die Tiersendung „Expeditionen ins Tierreich“, bei der er überwiegend eigenes Filmmaterial zeigte. Für seine Arbeit wurde der Stifter vielfach ausgezeichnet. So wurde ihm 1993 das Große Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland verliehen.

Vermögen und Steuern
In seinen letzten Lebensjahren engagierte sich Sielmann in der nach ihm benannten Stiftung. Sie soll sein Lebenswerk fortführen, folgt dem Konzept „Naturschutz als positive Lebensphilosophie“ und wendet sich insbesondere an Kinder und Jugendliche. Das Stiftungsvermögen in Höhe von 26 Millionen Euro steht zwar in keinem Verhältnis zu dem der Else-Kröner-Fresenius-Stiftung. Aber welche Stiftung in der Bundesrepublik kann das schon von sich behaupten? Nachdem die Heinz-Sielmann-Stiftung 1994 mit 50.000 D-Mark gegründet wurde, ist das Stiftungskapital heute auf 12,5 Millionen Euro ­angewachsen bei einer Bilanzsumme von 42 Millionen Euro.
Michael Beier fungiert seit August 2012 als geschäftsführender Vorstand der Stiftung. Seinen Angaben zufolge dreht sich darin alles um den ­Natur- und Artenschutz, insbesondere die Biodiversität in Deutschland. Das zeigt sich allein schon an der Struktur des Stiftungsinventars: Die Stiftung besitzt neben dem Kapital 13.000 Hektar Grundeigentum in Deutschland. Dabei handelt es sich überwiegend um ehemalige ­Truppenübungsplätze als zusammenhängende Waldgebiete und ­sogenanntes Offenland in Brandenburg, Bergbaufolgeflächen als Seenlandschaften in der Lausitz aber auch Flächen in Biotopverbünden am Grünen Band und am Bodensee. Die Stiftung hat die Auf­gabe, die Areale als Naturschutzgebiete zu pflegen und zu erhalten. Und sie bewirtschaftet im Eigentum 8.500 Hektar im Forstbetrieb. 2016 haben die Fachkräfte der Stiftung fast 12.000 Festmeter Holz geschlagen, die Einnahmen kommen der Naturschutzarbeit zu Gute.

Auch in der Vermögensanlage ist die Heinz-Sielmann-Stiftung ­äußerst professionell unterwegs. Sie investiert in Einzeltitel und setzt sowohl auf Aktien als auch auf Unternehmensanleihen. „In der ­jüngeren Vergangenheit haben wir dazu gravierende Veränderungen vollzogen. Als ich bei der Stiftung 2012 die Geschäftsführung übernahm, gab es keine Anlagerichtlinie und keinen Anlageausschuss“, erinnert sich Vorstand Michael Beier. „Und das Geld lag weitgehend bei der örtlichen Sparkasse. Inzwischen ist unsere Anlagerichtlinie fünf Jahre alt, sie ist jedoch nicht statisch. Vielmehr passen wir sie nach Bedarf an die Marktentwicklung und an unsere Erfahrungen an.“
Sie besagt im Kern, dass die Stiftung je nach Marktumfeld in ­allen Asset-Klassen eine Quote von bis zu 75 Prozent aufbauen kann. Anlagen in Fremdwährungen sind erlaubt, hier liegt die Quote bei 50 Prozent. „Wir verfügen über einen hochkarätig besetzten Anlage­ausschuss, mit Fachleuten wie Dieter Lehmann von der Volkswagen-Stiftung und Michael Dittrich von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt“, erläutert Beier.

Zum 1. Januar 2018 wird die Besteuerung von Investmentfonds neu geregelt. Im Gegensatz zur aktuellen Situation werden Investmentfonds künftig unmittelbar steuerpflichtig. Die Investmentsteuerreform bringt es mit sich, dass auf Fondsebene auch Stiftungen besteuert werden – ein Thema, mit dem sich auch die Heinz-Sielmann-Stiftung beschäftigt. Aufgrund des Gesetzes zur Investmentsteuerreform will die Heinz-Sielmann-Stiftung einen eigenen Sielmann-Spezialfonds auflegen. „Darin bringen wir 25 Millionen Euro ein. Das befreit uns von dem Damoklesschwert, variabel besteuert zu werden“, erläutert Beier und führt aus: „Die Chancen der Ausnahmenregelungen für Stiftungen aus diesem Gesetz muss ein Stiftungsvorstand auch nutzen. Dazu ist er meines Erachtens verpflichtet, und deshalb müssen die Geschäftsführungen ihre Portfolios noch 2017 mit Blick auf das Gesetz überprüfen, um unnötige Steuern und somit Kosten zu vermeiden.“

Haftungsrisiken treiben Stiftungen um

Nicht nur die Steuerthematik treibt Stiftungen heute um, auch ­Haftungsrisiken gewinnen an Bedeutung und Brisanz. Dies ergab ­eine Umfrage des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen, an der im Herbst 2016 rund 210 Teilnehmer eines Stiftungs-Panels zu Wort ­kamen. Das ­Stiftungs-Panel ist das Erhebungsinstrument zur ­Erforschung der Stiftungslandschaft. Dabei zeigte sich, dass verantwort­liche Stiftungsorgane im Niedrigzinsumfeld zwar vermehrt Haftungsrisiken ausgesetzt sind. „Heutzutage gibt es auch für ­Stiftungsvorstände keine ­Vermögensanlage mehr ohne Risiko. Daher müssen sich Stiftungen noch stärker mit Haftungsfragen, dem ­Vermögensmanagement und dem Zusammenspiel von Kapital und Wirkung beschäftigen“, sagt ­Felix Oldenburg, Generalsekretär des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen.
Einen Anfang zu machen, sei nicht schwer. „Ganz konkret empfehlen wir Stiftungen im ersten Schritt die Ausarbeitung von ­Anlagerichtlinien und deren Abstimmung mit den zuständigen ­Behörden“, so Oldenburg. Die aktuelle Befragung zeigt, dass bereits annähernd die Hälfte der befragten ­Stiftungen, die über Anlagerichtlinien verfügen, sie den zuständigen Behörden zur Kenntnis gegeben haben. Und: Laut der Umfrage ­setzen Stiftungen auf Maßnahmen oder ganze Maßnahmenbündel, um sich gegen Haftungsfälle abzusichern. Bereits drei von vier Stiftungen haben sich zu Haftungsfragen kundig gemacht. Sie kennen die haftungsträchtigen Fallstricke und können besser beurteilen, wann Pflichtverletzungen bei der Vermögensverwaltung und der ­Mittelverwendung vorliegen. Stiftungen, die sich nicht informieren, laufen Gefahr, Haftungsfragen zu unterschätzen, warnt der BDS.

Die Herausforderungen, mit denen Stiftungen konfrontiert sind, sind vielfältig. Über allem thront jedoch der Stifter, der erwartet, dass sein Vermächtnis auf Dauer erhalten bleibt. Egal, ob er nun Alfried Krupp von Bohlen und Halbach heißt oder Heinz Sielmann.

Von Tobias Bürger

portfolio institutionell, Ausgabe 08/2017

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