Pension Management
3. August 2015

Freestyle statt ALM-Fesselspiele

Langfristige Investoren sind zu beneiden. Sie können Phasen hochkochender Volatilität gelassen entgegensehen, antizyklisch und in ­illiquide ­Anlagen investieren. Die dabei in Aussicht gestellten Risikoprämien sind beispielsweise beim Superannuation Fund in Neuseeland höchst willkommen.

Wollte man den milliardenschweren New Zealand Superannuation Fund (NZSF) mit ein paar einfachen Worten beschreiben, dann wäre folgende Aufzählung denkbar: innovativer Anleger mit staatlichem Hintergrund, zweistellige Renditen, unkonventionelle Vorgehens­weise. Doch so einfach ist es dann doch nicht. Denn allein schon die ­Bezeichnung „Superannuation“ stiftet zunächst einmal Verwirrung. Superannuation heißt „Pension“, Superannuation Fund lässt sich als „Pensionskasse“ übersetzen. Gleichwohl kann man die Kapital­sammelstelle mit Sitz in Auckland auch als Staatsfonds einstufen, wie das Sovereign Wealth Fund Institute es zum Beispiel handhabt: ­Gemessen am verwalteten Vermögen von umgerechnet 17,85 Milliarden ­Euro rangiert der New Zealand Superannuation Fund dort im Vergleich mit anderen Staatsfonds auf Rang 32. Das entspricht einem Pro-Kopf-Vermögen von etwa 4.400 Euro. Zum Vergleich, auch wenn der etwas hinkt: Der größte unter den Staatsfonds, der Norway ­Government Pension Fund Global, bringt es auf ein Pro-Kopf-Ver­mögen von mächtigen 157.000 Euro. Der vergleichsweise kleine, aber aufstrebende Staatsfonds wurde am 30. September 2003 im Rahmen des New Zealand Superannuation and Retirement Income Act ins ­Leben gerufen mit dem Ziel, ab dem Jahr 2031 Teile der staatlichen Rente zu ­finanzieren. Alle Neuseeländer erhalten zwar schon heute ab dem 65. Lebensjahr Geld aus dem staatlichen Rententopf, doch dieser speist sich aus Steuermitteln. Weil die Zahl der Rentner bis zum ­Ende des nächsten Jahrzehnts gegenüber 2009 von 13 auf über 20 Prozent der Bevölkerung anschwellen dürfte, steht das System vor dem ­Kollaps. Schätzungen zufolge wird um das Jahr 2060 herum jeder vierte ­Neuseeländer 65 Jahre und älter sein. Sprich, der Super­annuation Fund ist eine Art Pufferfonds, um die steigenden finanziellen Belastungen aus Rentenzahlungen des Staates für künftige Generationen­ zu glätten.

Früher an später denken
Adrian Orr steht seit Februar 2007 als Chief Executive Officer (CEO) an der Spitze des Pensions- beziehungsweise Staatsfonds. Damit übt er einen der wohl einflussreichsten Posten im Land der „Kiwis“ aus, wie die viereinhalb Millionen Einwohner Neuseelands genannt ­werden. Dem Credit-Suisse-Magazin „Global Investor“ hat er erst kürzlich ein Interview gegeben.

Und wie sich das für ein Investoreninterview gehört, wird Orr ­zunächst gebeten, seine Anlagestrategie zu definieren. In seiner ­Antwort holt er weit aus: „Wir kennen unseren Anlagehorizont und unsere Liquiditätsbedürfnisse genau. Dank der Kontrolle über unser Kapital und unserer Governance können wir mit hoher Risikobereitschaft anlegen und in sogenannte illiquide Anlagen investieren.“ Orr arbeitet im Laufe des Gesprächs die Besonderheiten seines Fonds ­heraus, indem er beispielsweise sagt: „Wir haben diverse Anlageüberzeugungen, an denen wir uns laufend messen. Ein ­Beispiel: Wir glauben an das Konzept des fairen Wertes für eine An­lage. Die effektiven Preise können von diesem Fair Value abweichen, sollten sich diesem aber mit der Zeit annähern.“

Die Überzeugungen geben Adrian Orr das Vertrauen, konträre und ­illiquide Strategien zu verfolgen, „wenn der Preis in unseren Augen stimmt“. Mit diesem Ansatz werden beim New Zealand Superannuation Fund alle denk­baren Anlagen unabhängig von der Anlageklasse auf ihre Attraktivität geprüft. „Wir beurteilen auch, ob sie mit unseren Überzeugungen ­vereinbar sind“, sagt der Anlageexperte. Das hand­haben zwar die meisten Fonds so, doch sie verfolgen nach Ein­schätzungen von ­Adrian Orr eine spezifische strategische Asset Allocation, an der sie sich ­immer wieder neu ausrichten. Der NZSF positioniert sich in dieser Hinsicht anders: Dort handelt man nach Gelegenheiten. „Wir schichten laufend von den unattraktivsten in die attraktivsten Anlageklassen oder Vermögenswerte um und orientieren uns dabei an unserem Vertrauen in unsere Strategie.“ Das Liquiditätsniveau auf Fondsebene werde durch spezifische Risikoszenarien festgelegt, sagt Orr. Dadurch versetzt er sich und sein Team in die Lage, bei Markt­einbrüchen ­Anlagen zu kaufen, statt sie veräußern zu müssen.

Referenzportfolio statt Benchmark
Transparenz und Weltoffenheit werden beim New Zealand Super­annuation Fund großgeschrieben. Das zeigt sich schon allein daran, wie Finanzchef Matt Whineray in einem Internet-Video auftritt: Im krassen Gegensatz beispielsweise zu verschwiegenen deutschen Versorgungswerken, bei denen nur in Ausnahmefällen Informationen nach draußen getragen werden, spricht Whineray ganz selbstverständlich über seine Benchmark und erläutert, was es mit dem ­sogenannten Referenzportfolio auf sich hat: Dieses basiert auf globalen, gelisteten und passiv verwalteten Anlagen, in die sich kosten­effizient investieren lässt und die eine für den Fonds akzeptable Rendite erzielen würden.

Warum würden? Weil die eigentlichen Kapital­anlagen mit der „Benchmark“ nur wenig gemeinsam haben. Während das Referenzportfolio im Schwerpunkt mit satten 80 Prozent auf Wachstumssegmente wie Aktien und börsengelistete Immobilienanlagen setzt, entfallen 20 Prozent auf festverzinsliche Wertpapiere. Dem gegenüber investiert der Superannuation Fund alles andere als passiv. Das Referenzport­folio soll nur die Frage beantworten, ob die eigentlichen, die aktiven Investments einen Zusatzertrag generieren. „Unseres Erachtens ­sollte das Referenzportfolio über 20 Jahre eine Durchschnittsrendite wie US-Staatspapiere zuzüglich 2,5 Prozent generieren“, erläutert Orr. Rückblickend auf die vergangenen zwölf Anlagejahre wurde durch das aktive Management eine jährliche Rendite von 10,30 Prozent erzielt.­ Das Referenzportfolio schnitt mit 9,10 Prozent nur wenig schlechter ab. In absoluten Zahlen steuerte die aktive Strategie einen monetären Zusatznutzen von 3,8 Milliarden Neuseeländischen Dollar im Vergleich zum Referenzportfolio bei – nach heutigem Wechselkurs sind das rund 2,3 Milliarden Euro. Investitionen in Nutzwald und Infrastruktur sind ebenso wie die Ausnutzung von Inneffizienzen am Markt fester Bestandteil der Kapitalanlagen. Der Super­annuation Fund beteiligt sich auch an nicht-börsennotierten Firmen und sieht sich ganz selbstverständlich als strategischer Partner der ­jeweiligen Unternehmer.

Das Portfolio sieht im Detail so aus: Per 31. Mai 2015 entfielen 61 Prozent auf globale Aktien, gefolgt von festverzinslichen Wertpapieren mit 13 Prozent und Immobilien mit einem Anteil von fünf Prozent. Darunter wird die Struktur kleinteilig – und spannend: Nutzholz, ­Infrastruktur und einheimische Aktien stehen zusammen für 15 Prozent des Portfolios. Auf andere Privatmarktanlagen, Private Equity und Farmland entfallen weitere acht Prozent der Gelder. Mehrwert mit diesen Assets zu schaffen, bedeutet für Adrian Orr nichts ­anderes als die Sharpe Ratio zu steigern. Jedes Investment soll das ­Risiko im Vergleich zur Benchmark verringern und/oder die Rendite verbessern. Ohne Liabilities im Nacken kann Adrian Orr ­entsprechend ­opportunistisch vorgehen. In Neuseeland steht man offenbar nicht so sehr auf ALM-Fesselspiele wie hierzulande.

Infrastruktur wird überschätzt
Die Verantwortlichen begannen 2007 kurzerhand, sich von ­ihrer strategischen Asset-Allokation zu entfernen. ­Seither investiert man aktiver und direkter als je zuvor. In der Folge verzeichnete der Fonds eine starke Zusatz-Performance. „Unsere Performance war in den ver­gangenen fünf Jahren außergewöhnlich gut, lagen doch unsere annualisierten Renditen zwischen 17 und 25 Prozent.“ Angesprochen auf die Zusammensetzung seiner illiquiden Anlageklassen gibt der CEO nur so viel preis: „Viele unserer illiquiden ­Anlagen wurden ins Port­folio aufgenommen, weil sie, wie etwa Nutzholz, Diversifikatoren sind oder aufgrund von marktseitigen Fehl­bewertungen spezifischer Anlage­klassen oder Anlagen – beispiels­weise Lebensversicherungs­abfindungen.“ Infrastrukturanlagen stuft Orr heute als „wirklich schwierig“ ein. „Sie wurden jüngst stark nachgefragt, so dass sich kaum mehr attraktive Gelegenheiten bieten. ­Zudem wirken sie weniger diversifizierend als gemeinhin angenommen, sofern es sich nicht um tatsächlich physische Objekte handelt.“ Ob er auch der Ansicht sei, dass sich im Verlauf der vergangenen ­Jahre bei den meisten investier­baren Anlagen generell weniger Gelegenheiten anbieten, will man von ihm wissen. „Ja, unbedingt. Unsere größte Zusatz-Performance erzielten wir, weil wir konträr investieren konnten.“ Zurzeit bewegten sich die Aktienkurse aber im ­Bereich ihrer Fair Values, sagt Adrian Orr.

Das Interview endet mit der Frage, ob die aktuelle Lage grundsätzlich mehr für illiquide als für handelbare Anlagen spricht. Darauf ­antwortet der CEO souverän: „Die Illiquiditätsprämie ist meines Erachtens gesunken. Weltweit fließt derart viel Kapital in illiquide Anlagen, dass sich ein Engagement in unseren Augen kaum noch lohnt. Weshalb sollten wir uns Illiquidität und die mit Direktanlagen einhergehenden ­Governance-Probleme aufbürden, wenn wir dafür nicht angemessen entschädigt werden? Wir sind also geduldig und warten bessere Gelegen­heiten ab.“

Von Tobias Bürger

portfolio institutionell, Ausgabe 7/2015

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