Schwarzer Schwan
17. Oktober 2014

Gegen den entfesselten Kapitalismus

In der Schweiz soll wieder einmal ein Volksentscheid durchgeführt werden. Es geht um die Stabilität der Fränkli, und selbst Personen, die mit Geld eigentlich nichts am Hut haben, mischen kräftig mit.

Diese Eidgenossen! In der Schweiz ist derzeit die Volksinitiative „Für krisensicheres Geld: Geldschöpfung allein durch die Nationalbank“ ein ganz großes Thema. Die damit einhergehende sogenannte „Vollgeld-Initiative” wurde Anfang Juni 2014 in Bern gestartet und hat inzwischen eine illustre Schar von Mitstreitern aktiviert, wie zum Beispiel den Schweizer Kabarettisten Emil Steinberger, vielen Zeitgenossen auch hierzulande als „Emil“ bekannt. 
Laut der völlig spaßfreien Vollgeld-Initiative haben die Schweizer im Jahr 1891 dem Bund das alleinige Recht übertragen, Münzen in Umlauf zu bringen und Banknoten als gesetzliches Zahlungsmittel („Vollgeld“) herzustellen. Jedoch sei dieses Vorrecht der Geldherstellung von der technischen Entwicklung im Zahlungsverkehr außer Kraft gesetzt worden. Nur zehn Prozent der umlaufenden Geldmenge basiere auf Münzen und Banknoten, sprich gesetzlichen Zahlungsmitteln. Alles andere sei elektronisches Buchgeld, das die Banken in Ausübung ihrer Geschäftstätigkeit „eigenmächtig selber schaffen“. Die Vollgeld-Initiative fordert nun lautstark (auch auf Konferenzen in Deutschland), dass das Geldschöpfungsmonopol auf das elektronische Buchgeld ausgeweitet wird. Das würde letzten Endes dazu führen, dass es Banken nicht mehr erlaubt ist, mittels Kreditvergabe eigenes Geld zu schaffen. Sie dürften also nur noch Geld verleihen, das sie von Sparern, Investoren und der Nationalbank zur Verfügung gestellt bekommen. 
Geht es nach den Initiatoren, soll es in der Schweiz also nur noch durch die Nationalbank geschütztes Geld geben. Dieses könne nicht verlorengehen, falls eine Bank Pleite geht. Emil Steinberger jedenfalls gibt sich zuversichtlich: „Wir warten auf öffentliche Dispute und Meinungen aller Couleurs. Den Mut aber nicht verlieren, die Idee ist gut, also wird sie auch erfolgreich sein“, lautet seine Einschätzung.
Die Zeit läuft! Mindestens 100.000 Unterschriften müssen bis Dezember 2015 gesammelt werden, damit die Eidgenossen per Volksentscheid über das Vollgeld abstimmen können. Angeblich haben freiwillige Helfer das Sammeln von etwa 70.000 Unterschriften zugesagt. 
Die Unterstützer der Initiative können auch mit Goethes Faust argumentieren. Darin lamentiert und fordert der Kaiser:
Ich habe satt das ewige Wie und Wenn;
Es fehlt an Geld, nun gut, so schaff es denn.
Die Geldschaffung aus dem Nichts endete bekanntlich katastrophal. Der Faustische Pakt, zu dem sich Emil und viele andere, in diesem Fall gegen das Großkapital, zusammengeschlossen haben: der überparteiliche Verein Monetäre Modernisierung („MoMo“). Dieser hat das Ziel, das Geldsystem der Alpenrepublik „wieder in den Dienst der Realwirtschaft und der Gesellschaft“ zu stellen. Momo klingt zwar wie Miau, eine im Mühlheimer Gemeinderat vertretene Bürgerliste, die einst als Mühlheim im Aufwind (MiAu) antrat oder wie Mutti-Partei, ein in Berlin ansässiger Kanzlerwahlverein.
Spaß beiseite. Für die Großbanken sind die möglichen Folgen der Vollgeld-Initiative aber eklatant: Da der Zahlungsverkehr im Zuge der Vollgeld-Einführung vom übrigen Bankgeschäft getrennt wird, müssten die Institute künftig nicht mehr wegen des „too big to fail“ mit Steuergeldern gerettet werden. Mit anderen Worten: Auch Großbanken könnten dann kurzerhand zu Kleinbanken schrumpfen und das Zeitliche segnen.
Auf die Frage, ob die Vollgeld-Initiative nicht zum Untergang des Finanzplatzes Schweiz führt, antwortet die Initiative keck: „Im Gegenteil! Denn mit Vollgeld wird der Schweizer Franken zum sichersten Geld der Welt.“ Das sei ein großer Wettbewerbsvorteil für Schweizer Banken. Diese würden deshalb viele neue Kunden im Bereich Vermögensverwaltung gewinnen. „Die Großbanken werden allenfalls Stellen im spekulativen Investmentbanking abbauen“, heißt es. Auch auf das unvermeitliche Problem starker Devisenzuflüsse und den Aufwertungsdruck beim Franken kommt die Initiative zu sprechen: Die Nationalbank kenne dieses Problem und könne entsprechende Maßnahmen ergreifen, um den Wechselkurs zu stabilisieren, heißt es lapidar mit Blick auf einen Negativzins für ausländische Anleger oder Kapitalverkehrskontrollen. 
Die Lösung? Ist es nicht!
Ökonomen zeigen sich laut der Neuen Zürcher Zeitung kritisch. Vor allem vier Einwände seien zu hören: Auch eine Vollgeldreform könne Finanzkrisen nicht ausschließen, die Notenbank könnte politisch stark instrumentalisiert werden, milliardenschweren Zusatzerträgen des Staates stünden Zusatzbelastungen der Bankkunden und der Banken gegenüber, und der fundamentale Systemwechsel berge erhebliche Risiken.
Ohnehin würde die Vollgeld-Reform einen gigantischen simultanen Umbau der Finanzarchitektur zu einem gegebenen Stichtag erfordern, meinen Kritiker, und danach in einer erheblichen Reduktion der Intermediationsleistung des Bankensystems resultieren. Der Umbau wäre ihrer Einschätzung nach mit beträchtlichen Risiken verbunden, die leicht in einen dauernden Ausnahmezustand münden könnten. Was die Ökonomen vergessen haben: Geld wird in der Schweiz nicht in der Druckerei oder elektronisch, sondern in schwarzen Koffern geschaffen, die über die Grenze gebracht werden. Das Schweizer Geldschöpfungsmonopol ist also in der Realität eher ein im Ausland sitzendes Geldschöpfungspolypol.  
In diesem Sinne wünscht Ihnen die Redaktion von portfolio ein schönes Wochenende.
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