Schwarzer Schwan
13. Mai 2016

Gesund und fit durch Bargeldschnitt

„Geld ist geprägte Freiheit“, schrieb Fjodor Dostojewski. Der Beschluss der EZB, die Produktion des 500-Euro-Scheins einzustellen und später diese Scheine auch einzuziehen, ist also ein empfindlicher Eingriff in die Freiheitsrechte der Bürger.

Nämlich in die Freiheit, sich stilvoll mit einem 500er die Zigarre anzuzünden oder sich mit einem solchen Geldschein einen Joint zu drehen. Es ist bei einem Herrenausflug auch einfacher, einen großen als einen kleinen Schein an einem Damenslip zu befestigen.
Doch jede persönliche Einschränkung lässt sich mit dem Gemeinwohl rechtfertigen. Da die EZB-Strategen nicht im Verdacht stehen, die Geldmenge begrenzen zu wollen, müssen anstatt der auch Bin Ladin genannten Noten – jeder kennt ihn, keiner hat ihn je gesehen –, viel mehr Scheine mit kleinerem Nennwert gedruckt werden. Dies ist gut für die Konjunktur – zumindest für Druckereien, Forstbesitzer oder Sicherheitsdienste. Die Zentralbank denkt aber auch an die Gesundheit der Bürger. Statt unter so unverständlichen Namen wie Covered Bond Purchase Programme (CBPP3), Asset-Backed Securities Purchase Programme (ABSPP), Public Sector Purchase Programme (PSPP), Corporate Sector Purchase Programme (CSPP), Securities Markets Programme (SMP) oder Outright Monetary Transactions (OMT) lautet dieses Gesundheitsprogramm von EZB-Präsident Mario Draghi erfreulich simpel: „Gesund und fit durch Bargeldschnitt“. Denn wie die offenbar gut bezahlten Redakteure des Manager Magazins recherchiert haben, wiegt eine Million Euro in 500-Euro-Scheinen etwa 2,2 Kilogramm, der gleiche Betrag in 50-Euro-Scheinen dagegen 22 Kilogramm. Das stärkt die Rückenmuskulatur. 
Wer eine solche körperliche Ertüchtigung scheut, sein Einlagenkonto wegen der Negativverzinsung aber auflösen und das Bargeld gleich wieder einen Stock tiefer im Tresorraum verschließen möchte, dem rät die Redaktion von portfolio institutionell, einfach mehrmals zu laufen. Kniffliger wird es in der freien Wirtschaft. Dort dürften beim Geldtransport logistische Schwierigkeiten entstehen. Ökonomen, die sich mit Angebotstheorie auskennen und sich auch noch an Smiths „Invisible Hand“ erinnern, gehen davon aus, dass der auf dem 500er abgebildete Betrag nur noch als unverbindliche Preisempfehlung angesehen werden sollte. Wer größere Summen über längere Strecken transportieren will und dabei nicht unbedingt mit einem 16-Tonner-LKW auffallen möchte, wird bereit sein, für 500er mehr als 500 Euro zu zahlen. Wie der Presse zu entnehmen ist, ist man in Schwellenländern bereit, für 100-Dollar-Noten Aufschläge – Ökonomen sprechen von Transaktionskosten – von zwischen zwei und 20 Prozent zu zahlen!
Stopp! Fangen Sie nun nicht gleich an, hektisch 500-Euro-Scheine aufzukaufen. Zuvor empfiehlt sich ein Blick nach Spanien. Dort sitzen schließlich die europäischen Bargeldexperten. Laut der FAZ summierten sich die in Spanien kursierenden 500er auf dem Höhepunkt des Immobilienbooms auf 52 Milliarden Euro – das soll mehr als in den übrigen Ländern der Währungsunion zusammengenommen gewesen sein. Zu vermuten ist, dass es in Spanien auch mehr Briefumschläge als in den übrigen Ländern der Währungsunion zusammengenommen gibt. Nun hegen die Spanier wegen der EZB-Aktivitäten offenbar große Zweifel am künftigen Wert ihrer Bin Ladins und wollen diese umtauschen. Dies dürfte eine Upside auf den Wert der Scheine erschweren. Erschwert werden die Umtauschaktivitäten durch das spanische Geldwäschegesetz – ja, so etwas gibt es –, welches von den Kreditinstituten verlangt, dem Finanzamt – ja, das gibt es in Spanien auch – Bargeldtransaktionen von über 3.000 Euro zu melden. Dieses Hindernis hat aber zwei positive Nebeneffekte: Einmal werden den Bankkunden die Vorzüge eines noch großen Filialnetzes offensichtlich, wenn sie tröpfchenweise ihre 500er-Bestände abbauen. Zum anderen ist es einfach schön, wenn Familien und Freunde etwas gemeinsam unternehmen, zum Beispiel im Rahmen einer Umtauschaktion gemeinsam eine Bank aufzusuchen und dort Geld so zu wechseln, dass jeder unter dem Wert von 3.000 Euro bleibt.
Die Redaktion von portfolio wünscht Ihnen ein schönes Wochenende. 
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