Schwarzer Schwan
5. September 2014

Geteert und gefedert

Ein seltenes Ereignis nimmt seinen Lauf. Endlich traut sich mal wieder ein chinesisches Unternehmen an die Frankfurter Wertpapierbörse.

Der deutsche Primärmarkt liegt am Boden. Im laufenden Turnus zählt Deutsche-Börse-Chef Reto Francioni bislang vier Neulinge, die sich in den hoch regulierten Prime Standard der Frankfurter Wertpapierbörse gewagt haben. Und nun kommt mit der Firma Snowbird ausgerechnet ein chinesischer Nebenwert daher und will die hiesigen Anleger mit seiner, sagen wir mal, locker flockigen Equity Story umgarnen. Respekt für so viel Mut! Denn chinesische Nebenwerte sind hierzulande seit geraumer Zeit verpönt. Schuld sind teils massive Kursverluste bei Werten wie Powerland, Asian Bamboo oder Zhong De Waste. Gut möglich, dass der eine oder andere Investor deren Vorstände, die mitunter nicht einmal der englischen – geschweige denn der deutschen – Sprache mächtig sind, am liebsten teeren und federn möchte. Doch viele weitere Newcomer werden folgen. Denn zurzeit sollen sage und schreibe circa 800 Unternehmen in der Volksrepublik auf die Zulassung zum Listing warten. Wem da der Geduldsfaden reißt, der geht kurzerhand nach Frankfurt und scheut dafür weder Kosten noch Mühen und schon gar keine Sprachbarrieren. So wie Snowbird.
Der aktuelle Börsenaspirant produziert Daunentextilien, Daunenbetten und super flauschige Daunendecken; Eckpunkte zur Emission liegen noch nicht vor. Es gilt aber als ausgemachte Sache, dass der Firmengründer einen Teil seiner Aktien zu Geld macht. Die Equity Story ist schnell skizziert und basiert auf dem China-üblichen Wachstumsstory-Strickmuster: Für den chinesischen Markt wird eine stetig steigende Nachfrage nach Daunenprodukten erwartet. Denn weniger als ein Prozent der Chinesen verfügten bislang über Daunenbetten. Und natürlich bettet sich die wachsende und kaufkräftige chinesische Mittelschicht immer häufiger unter richtigen Decken, wie sie hierzulande schon recht weit verbreitet sind. Alle anderen decken sich (noch) nicht zu.
Spaß beiseite. Der IPO der Snowbird AG, die sich kurzerhand und nach alter Manier chinesischer Börsenanwärter, in Deutschland niedergelassen hat, macht beim Blick auf die Kennzahlen einen guten Eindruck: Der Umsatz lag im vergangenen Jahr bei umgerechnet 136,9 Millionen Euro. Unter dem Strich blieb ein Nettogewinn von satten 28,3 Millionen Euro hängen, macht eine für deutsche Verhältnisse exorbitante Nettomarge von knapp 21 Prozent. Doch Vorsicht, für findige Unternehmen aus der Volksrepublik sind derlei Eckwerte keine Seltenheit. So hat beispielsweise der selbsternannte Modehersteller Powerland beim Börsengang vor drei Jahren mit ähnlichen Eckdaten kokettiert. Gebracht hat es den Anlegern nichts. Heute besitzt die Aktie noch einen Bruchteil ihres damaligen Wertes.
Das allerdings kann Snowbird nicht passieren, wie Firmengründer Changzai Yan (59) in einem kurzen Youtube-Video erklärt: „Stellen Sie sich vor, Sie gehen in ein Restaurant und bestellen Ente oder Gans. Nach dem Essen bezahlen Sie. Dann sagt der Ober zu Ihnen: Das wirklich Wertvolle an dieser Ente haben Sie gar nicht bekommen.“ Dann folgt eine kurze Einführung in den Unterschied zwischen Federn (wertlos) und Daunen (sündhaft teuer) und das Fazit: „Snowbird gehört heute zu den größten Daunenveredlern weltweit. Und eines ist klar: Solange wir Chinesen Ente und Gans essen, wird uns dieser Rohstoff nie ausgehen.“ Bei Snowbird will man also nur Federvieh und nicht die Anleger rupfen.
In diesem Sinne wünscht Ihnen die Redaktion von portfolio ein schönes Wochenende.

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