Strategien
12. Februar 2016

Google, Twitter & Co. sind die neuen Renditequellen

Big Data ist das neue Schlagwort im Asset Management. Denn die Auswertung großer Datenmengen zur Unterstützung der Anlage­entscheidungen eröffnet zusätzliches Renditepotenzial. Um dieses zu heben, ist professionelles, aktives Asset­ Management auf Teambasis unabdingbar, meint Markus Taubert in seinem Gastbeitrag.

Markus Taubert leitet das institutionelle Geschäft von Blackrock in Deutschland und Österreich. 
Es ist der Traum eines jeden Asset Managers, zu wissen, wohin sich die Märkte bewegen, bevor sie es tatsächlich tun – gewisser­maßen die Glaskugel in den Händen zu halten. Entsprechend viel­fältig sind die Anstrengungen der Branche, um Marktentwicklungen vorherzusehen. Vielen dieser Versuche ist gemeinsam, dass zunächst Daten erhoben, dann analysiert und schließlich gewichtet werden. Zuletzt erfolgt die Umsetzung in Strategien und konkrete Handlungen. In diesem Zusammenhang eröffnet die Digitalisierung nahezu aller­ Lebensbereiche neue Möglichkeiten, denn sie bringt eine Flut erfassbarer Daten mit sich. So wurden etwa 90 Prozent der heute weltweit verfügbaren Daten nach Schätzungen des IT-Konzerns IBM in den vergangenen beiden Jahren kreiert. Zur Veranschaulichung ein paar Zahlen aus dem Jahr 2014: Was geschieht online binnen 60 Sekunden?­ 204 Millionen E-Mails werden verschickt, vier Millionen Google-Suchanfragen gestartet, 342.000 Tweets abgesetzt und 50 Milliarden­ Mitteilungen über Whatsapp gesendet – Tendenz steil steigend. In diesem Datenverkehr steckt neben digitalem Grundrauschen wertvolles Informationspotenzial. Daten werden mithin zum Rohstoff des Internetzeit­alters. Und wie bei anderen Rohstoffen gilt: Es kommt darauf an, was man damit macht.

Kein Hexenwerk und keine Revolution
Moderne Informationstechnik erlaubt die Erfassung, Verarbeitung und Auswertung großer Datenmengen. Big Data ist dabei das Stichwort. Auch für die Investmentbranche geht es darum, riesige, zum Teil heterogene Datenmengen in kurzer Zeit zu erfassen, zu validieren, in Entscheidungsprozesse zu integrieren und für die Kapitalanlage gewinnbringend einzusetzen. Das ist weniger revolutionär, als es auf den ersten Blick erscheint. Denn auch bisher haben Asset Manager,­ von technischen Analysten einmal abgesehen, Daten über Unternehmen, über die Stimmung am Markt und zu den makroökonomischen Trends eingeholt, etwa bei der Bewertung von Aktien. Das bleibt auch im Zeitalter von Big Data so. Kein Hexenwerk also, sondern breite Fundamentalanalyse – einerseits.

Andererseits hat die Verwertung großer Mengen digitaler Daten das Potenzial, die Branche tiefgreifend zu verändern. Denn es stehen Informationen zur Verfügung,­ auf die es bislang keinen oder allenfalls sehr eingeschränkten Zugriff gab. So lassen sich beispielsweise in den sozialen Medien wie Facebook und Twitter Aussagen aus dem Umfeld eines Unternehmens über die Firma und das Management sammeln und zu einem­ Stimmungsbild verdichten. Dieses wird ergänzt um Informationen etwa dazu, wie häufig Internetnutzer in der Region Fachbegriffe aus dem Arbeitsrecht nachschlagen: Kündigungsschutz, Abfindung, Streikrecht und dergleichen. Wird auf­fallend häufig danach gesucht, scheint es mit der Stimmung im Unter­nehmen nicht zum Besten bestellt zu sein.­

Darüber hinaus lassen sich durch sensible Analysewerkzeuge für natürliche Sprache Informationen über das Marktsentiment gewinnen. Man stelle sich vor, Quartalsberichte von mehr als 5.000 Unter­nehmen werden daraufhin ausgewertet, wie viele konkrete Zahlen die Vorstände nennen. Je mehr, desto besser geht es in der Regel den Unter­nehmen. Auch das ist bereits eine Erkenntnis, die auf der Auswertung vieler Geschäftsberichte beruht. Zur quantitativen Erfassung der Zahlen kommt die Analyse der Tonalität sowohl aufseiten des Unternehmens als auch aufseiten der Analysten und Journalisten. Unstrukturierte­ Texte werden erfasst und in statistische Parameter überführt, die Ergebnisse mit früheren Messungen verglichen und zu Bewertungen kondensiert. So lässt sich auch die Analyse von Online-Foren für Hobby-Trader nutzen: Zeigt sich in den Einträgen der Mitglieder übermäßige Begeisterung­ für eine Aktie, kann dies bisherigen Erkennt­nissen zufolge ein Indikator für eine Kurswende nach unten sein. Wer solche Muster frühzeitig erkennt, kann sein Portfolio mit Short-Positionen entsprechend ausrichten. Big Data unterfüttert hier gewisser­maßen Erkenntnisse aus dem Bereich Behavioral Finance,­ wonach ein allzu stark ausgeprägtes Sentiment am Kapitalmarkt auf eine Trend­wende hindeutet.

Mosaiksteine im Gesamtbild
Noch ein Beispiel, um die Anwendung von Big-Data-Analysen beim Erkennen großer Trends zu verdeutlichen: Den meisten Anschaffungen teurer Konsumgüter, wie Autos, größere Haushaltsgeräte­ oder Luxusgüter, geht in aller Regel eine Recherche der Konsumenten, heutzutage meist im Internet, voraus. Der Informationsbeschaffung folgt in manchem Fall der Kauf. Für Analysten lässt sich dies normalerweise an den Absatzzahlen der Unternehmen ablesen – in der Regel Wochen, manchmal sogar erst Monate später. Wer als Frühindikator die Konsumneigung der Verbraucher messen wollte, war bislang auf repräsentative Befragungen angewiesen. Big Data liefert dagegen kontinuierliche Ergebnisse auf einer sehr viel breiteren Basis: Eine Untersuchung der verwendeten Suchbegriffe im Internet­ liefert Zahlen dazu,­ wie häufig nach bestimmten Produkten gesucht wurde. Wird diese Zahl dazu, vereinfacht gesprochen, mit den tatsächlichen Absatzzahlen über längere Zeit abgeglichen, liefert das einen­ zunehmend tragfähigen Wert zur Korrelation von Informations­suche im Internet und Kaufentscheidung. Es entsteht ein vorausgehender Konsumindikator und mithin ein wichtiger Mosaikstein im Gesamtbild, das für eine solide­ Anlageentscheidung nötig ist.

Doch so einfach, wie es klingt, ist die Verwendung von Big Data im Asset Management nicht. Das Internet liefert zwar eine ungeheure Fülle an Daten, aber bloße Daten sind noch lange keine Information. Es gilt, die richtigen Fragen zu stellen, valide Daten zu ermitteln, ­Regeln für die Auswertung zu formulieren, Ordnung ins Datenchaos zu bringen. Und das ist nur der erste Schritt. Hat man aus dem ungeordneten Datenstrom Informationen herausgefiltert, muss deren Aussagekraft ermittelt werden. Um im Beispiel zu bleiben: Wie hoch ist die Korrelation von Suche und Kauf? Bleibt sie in allen Marktphasen gleich? Vor diesem Hintergrund gilt es, Datenreihen über einen längeren Zeitraum genau zu beobachten und zu analysieren.

Nichts für Einzelkämpfer
Die Expertise von Investmentprofis ist bereits bei der Strukturierung von Daten und deren Transformation in Informationen gefragt. Geht es darum, festzulegen, welchen Stellenwert die gewonnenen, validen Informationen im Zusammenspiel mit anderen Informationen bei der Anlageentscheidung haben, ist sie von noch höherer Relevanz. Denn die Analyse der riesigen Datenmengen ergibt nur dann Sinn und generiert Wert, wenn der gebündelte Sachverstand eines Teams alle­ Prozesse durchzieht. Dabei gilt es, die Kenntnis des technisch machbaren um kreative Fantasie zu ergänzen, um neue Datenquellen zu erschließen und Informationen zu generieren.

Daher ist Big Data im Asset Management keine Angelegenheit für reine Informationstechniker und auch keine für Einzelkämpfer. Darüber­ hinaus sind Expertise und Urteilskraft der Portfoliomanager bei der Einbindung von Big Data in Anlageprozesse besonders gefragt. Denn Asset Management umfasst, aus welchen Grunddaten Portfoliomanager Informationen generieren und auf welche Informationen sie sich bei ihren Entscheidungen verlassen. Diese Entscheidungen sind umso wichtiger, je weniger die Prozesse etabliert sind. Diese Entscheidungen sind umso wichtiger, je weniger die Prozesse etabliert sind. Daher sind Expertise und Urteilskraft der Portfoliomanager bei der Einbindung von Big Data in Anlageprozesse besonders gefragt.

Keine Kristallkugel, aber ein Muss
Von der Glaskugel zu sprechen, wäre vielleicht doch etwas zu weit gegriffen. Aber im Zusammenspiel von Portfoliomanagern und ­Datentechnikern kann Big Data zusätzliche Informationen bereitstellen und somit zur wertvollen Renditequelle werden. Die bisherigen ­Ergebnisse sind vielversprechend: Die Einbindung von Big Data ­ergänzend zu traditionellen Bewertungsprozessen kann zur Verbesserung des Rendite-Risiko-Profils von Portfolios beitragen. Um diesen Vorteil dauerhaft nutzen zu können, gilt es, die entsprechenden Verfahren weiterzuentwickeln. Dazu gehört auch, bei der Zusammenstellung von Investmentteams weiterzudenken und beispielsweise verstärkt IT-Experten einzubinden. Denn aufgrund der Renditechancen, die Big Data bietet, dürfte die Analyse großer Datenmengen fester ­Bestandteil im Asset Management werden.

portfolio institutionell, Ausgabe 1/2016

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