Strategien
3. März 2016

Gothaer fühlt sich stark eingeschränkt

Das Kurzinterview mit Christof Kessler, Vorstandssprecher der Gothaer Asset Management AG, ist Bestandteil der Titelgeschichte „Unternehmergeist“.

Herr Kessler, die Gothaer Versicherungen halten ein breit diversifiziertes Portfolio. Aber ist es Ihnen als institutioneller Investor dabei wichtig, die unternehmerische Tätigkeit ­gewissermaßen als Quelle der Wertschöpfung zu betrachten?
Die Gothaer wurde vor fast 200 Jahren als Versicherung von ­Unternehmern für Unternehmer gegründet und hat dadurch ­traditionell eine hohe Bindung und Affinität zu Unternehmern und Unternehmertum. Dies zeigt nicht zuletzt unsere führende Stellung als Versicherer im Gewerbe- und Industriesegment.

Würden Sie das bitte näher erläutern?
Anlagen in Aktien und Private Equity waren über viele Jahre zentrale Bausteine der Kapitalanlage unseres Hauses. Damit haben wir gezielt in Unternehmen investiert und von deren Wertschöpfung profitiert. Leider haben sich die Spielräume für solche Investments in den vergangenen Jahren stark eingeengt. Dies hat vor allem zwei Gründe:
1) Niedriges Zinsniveau. Speziell in der Lebensversicherung haben wir gegenüber unseren Kunden Zinsversprechen abgegeben, die wir Jahr für Jahr erfüllen müssen. Für die Krankenversicherung gilt Ähnliches. Daraus folgt, dass unsere Kapitalanlagen sehr zuverlässig diese Erträge erwirtschaften müssen. Aktien und Private Equity erbringen zwar über einen längeren Zeitraum attraktive ­Erträge, weisen aber im Zeitverlauf zum Teil erhebliche Schwankungen auf. Insbesondere bei Private Equity kann es fünf bis sechs Jahre dauern, bis der Investor erste Ausschüttungen erhält. Früher konnten die Schwankungen leicht durch den hohen Kapitalmarktzins kompensiert werden. Dies ist heute nicht mehr möglich, was Investitionen in Unternehmertum enge Grenzen setzt.
2) Solvency II. Versicherungsunternehmen unterliegen seit ­Beginn dieses Jahres dem neuen Aufsichtsregime Solvency II. Investi­tionen in Aktien und in Private Equity müssen jetzt mit sehr viel ­Solvenzkapital unterlegt werden. Solvenzkapital ist aber – vor dem Hintergrund der hohen Zinsgarantien im Bestand und in Ver­bindung mit dem niedrigen Zinsniveau – knapp. Dies gilt speziell für Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit, die keinen Zugang zu den Eigenkapitalmärkten haben und Eigenkapital nur über ­thesaurierte Gewinne und (teures) Nachrangkapital aufbauen ­können.
 
Was ist die Konsequenz daraus?
Als Konsequenz haben wir in den vergangenen Jahren verstärkt ­Investitionen in US-amerikanische und britische Mezzanine Funds getätigt. Diese liefern zwar nicht so hohe Erträge wie ­Private ­Equity, bringen aber bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt einen attraktiven laufenden Ertrag. Unter Solvency II verbrauchen sie nur ­circa die Hälfte des Kapitals, das wir für Private Equity unterlegen ­müssten. Auch für Immobilien haben wir uns aus den gleichen Gründen Fremdkapitalinvestments zugewandt. Whole Loans in Europa und Mezzanine Loans im Angelsächsischen sind dabei ­attraktiv von der Rendite her und auch noch liquide.

Die Fragen stellte Tobias Bürger. 

portfolio institutionell, Ausgabe 02/2016

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