Immobilien
15. August 2016

Green Alpha

Die Immobilienbranche ist einer der größten Klimasünder. Das Potenzial­ für ökologische Verbesserungen ist riesig. Doch nicht nur der Umwelt zu liebe ist Nachhaltigkeit bei Immobilienanlagen voranzutreiben. Es besteht auch ein Renditenutzen.

Güterstraße 30, 75177 Pforzheim: Diese Adresse steht bei Deutschlandtouristen ganz sicher nicht auf dem Reiseplan. Das Wohnhochhaus aus den 70er Jahren direkt an Bahngleisen und mit Hochspannungsleitungen vor der Tür taugt als Fotomotiv nur schwerlich. Erst unter der Oberfläche zeigt das Hochhaus seine wahre Schönheit. Nach einem Jahr Planung, 2,4 Millionen Euro Investitionsvolumen und 18 Monaten Bauzeit sind Anfang vergangenen Jahres 18 moderne und energieeffiziente Wohnungen inklusive Penthouse-Etage entstanden. Würde Günther Jauch in seiner Quizshow nach dem nachhaltigsten Gebäude Deutschlands fragen, wäre die richtige Antwort: Güter­straße 30, 75177 Pforzheim. Das generalsanierte Wohnhochhaus am Schwarzwald ist der amtierende Preisträger „Nachhaltiges Bauen“,­ den die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) jährlich verleiht. Die Passivhausfassade, Photo­voltaikmodule und eine Kleinwindkraftanlage auf dem Dach machen es zu einem ökologischen­ Musterbeispiel für klima­neutrales Bauen und Sanieren, lobte die Jury. „Einerseits ökologisch, mit Blick auf die Erreichung der Klima­ziele, aber auch ökonomisch und sozio-kulturell etwa bei der Frage nach bezahlbarem und gleichzeitig hochwertigem Wohnraum: Das Projekt in Pforzheim zeigt auf vorbildliche Weise, wie dies in der Praxis umsetzbar ist“, so Professor Alexander Rudolphi, DGNB-Präsident.

Das in Paris vereinbarte Zwei-Grad-Ziel ist ein ehrgeiziges Vorhaben. Um es zu erreichen, ist ein Mitwirken der Immobilienbranche zwingend erforderlich. Schließlich ist sie eine der größten Stellschrauben, um den Klimawandel weltweit zu bremsen. „Der Immobiliensektor ist für 30 Prozent der globalen CO2-Emissionen, 40 Prozent des globalen Energieverbrauchs und 50 Prozent des globalen Ressourcenverbrauchs verantwortlich. Er hat folglich einen erheblichen Einfluss auf das Erreichen des Zwei-Grad-Ziels“, erläutert Frank Schäfer, Geschäftsführer bei Credit Suisse Real Estate Investment Management (CS REIM). Er ist überzeugt: „Da wir uns mit Energie- und Ressourceneffizienz frühzeitig auseinandergesetzt und entsprechende Maßnahmen ergriffen haben, stärkt das die Zukunftsfähigkeit unserer Immobilien. Denn die Gesetzgeber weltweit werden die Nachhaltigkeitsanforderungen voraussichtlich noch enger gestalten“

Um herauszufinden, wie groß das CO2-Reduktionspotenzial im eigenen Immobilienbestand ist, hat Credit Suisse 2012 gemeinsam mit dem WWF und McKinsey seine mehr als 1.000 Liegenschaften in der Schweiz analysiert. Dabei zeigte sich, dass Credit Suisse in seinem Immobilienportfolio bis 2050 mindestens 75 Prozent CO2-Emissionen einsparen müsste, um im Einklang mit dem Zwei-Grad-Ziel zu stehen. Unter den gegebenen Umständen seien jedoch nur 50 bis 65 Prozent des Reduktionspotenzials zu realisieren. Um die verbleibende­ Lücke zu schließen, müsste die verbrauchte Elektrizität innerhalb des gesamten Immobilienportfolios im Jahre 2050 CO2-frei sein. „Unter den derzeitigen Regulierungs- und Marktbedingungen könnte Credit Suisse jedoch nur einen Teil seiner Investitionen durch höhere Mieten­ oder direkte Beteiligungen an Energiesparmaßnahmen wieder ausgleichen“, heißt es in der Studie. Deshalb fordern die Studienmacher den Gesetzgeber auf, bessere Rahmenbedingungen zu schaffen: „Dazu gehören verstärkte Anreize und Standards, die tiefgreifende, energiebezogene Erneuerungen beschleunigen, und flexiblere Mietgesetze,­ die es den Vermietern erlauben, die gesamten Investitionskosten auf den Mieter abzuwälzen.“ Bis es soweit ist, will Credit Suisse jedoch nicht warten. „Wir streben an, uns jährlich zu verbessern. Seit 2010 haben wir bereits eine CO2-Reduktion in unseren Immobilienan­lagen von über zehn Prozent erreicht“, merkt Schäfer an. Derzeit sind rund 22 Prozent des Immobilienportfolios von CS REIM, das Ende Mai 2016 rund 38,6 Milliarden Euro mit mehr als 1.200 Liegenschaften in 21 Ländern weltweit umfasste, zertifiziert. Umgerechnet auf Quadratmeter sind es 1,6 Millionen. Mehrheitlich handelt es sich um Zertifizierungen­ des Schweizer Labels „Minergie“.

BVK: schon immer grün, nur unbewusst
Ein großer Verfechter von Nachhaltigkeit ist auch die Bayerische Versorgungskammer (BVK), die rund 15 Prozent ihrer Kapitalanlagen von rund 75 Milliarden Euro in Immobilien investiert hat. „Wir haben uns mit dem Thema Nachhaltigkeit bereits mitten in der Finanzkrise beschäftigt. Wir haben erkannt, dass Unternehmen vom Markt verschwinden, die nur dem kurzfristigen Erfolg verpflichtet sind. Wir verfolgen langfristig ausgerichtete Ziele und wollen mit Partnern zusammenarbeiten, die transparent und sauber in den Bereichen Soziales, Ökologie und Governance arbeiten“, erklärt Andreas Hallermeier, der bei der BVK als Nachhaltigkeitsreferent tätig ist. Den Anfang machte 2011 der Aktienbereich, in dem Stimmrechte ausgeübt werden. Dieses Engagement erfolgt in Zusammenarbeit mit der Bank of Montreal. Doch damit wollte es die Altersvorsorgeeinrichtung nicht bewenden lassen. In allen Anlageklassen – auch den Immobilien – sollte Nachhaltigkeit gelebt werden. „Für jede Asset-Klasse wurde analysiert, wie sich Nachhaltigkeit am besten umsetzen lässt. Daraus wurde dann ein Gesamtkonzept gegossen. Bei der Analyse der Immobilieninvestments haben wir damals entdeckt, dass Nachhaltigkeit längst in die Due Diligence einfließt. Das war uns nur nicht bewusst“, merkt Hallermeier rückblickend an. „Vom Doing hat sich also im Immobilienbereich grundsätzlich nichts verändert, es wird heute nur unter nachhaltigen Investments aufgeführt“, fügt er hinzu.

Einer der neuesten Zugänge im indirekten Immobilienportfolio der Versorgungskammer, das inzwischen auf gut fünf Milliarden Euro­ angewachsen ist, ist der Stafa Tower in Wien. Das ursprünglich 1911 erbaute Gebäude umfasst 12.600 Quadratmeter Hotel- und Einzelhandelsflächen und wurde 2015 komplett saniert. Aufgrund der ­nachhaltigen Gestaltung mit niedrigem Energieverbrauch und ­außergewöhnlich niedrigen Betriebskosten erhielt es eine LEED-­Platin-Zertifizierung. Bereits im Mai schlug die BVK in Chicago zu und erwarb den gemischt genutzten Gebäudekomplex „Blackhawk“ mit rund 21.000 Quadratmetern Fläche. Das 2009 errichtete Objekt ist zu 98 Prozent vermietet und mit LEED Silber zertifiziert. Auch im Direkt­bestand setzt die BVK auf Nachhaltigkeit und entsprechende Labels. „Gerade im Bürosegment haben sich Zertifizierungen durchgesetzt: Große Mieter wollen zu 80 bis 90 Prozent zertifizierte ­Gebäude“, erklärt Christoph Geirhos, der für die rund 4,5 Milliarden Euro Immobiliendirektanlage zuständig ist. „Es gibt zwei Zugänge: das DGNB- oder LEED-Zertifikat. Wir bewegen uns bei beiden Labels zwischen dem Gold- und Platin-Standard. Bei diesen Standards sind alle Nachhaltigkeitsaspekte voll abgedeckt“, fügt er hinzu. Das spart im Due-Diligence-­Prozess einiges an Arbeit, was Geirhos sehr zu schätzen weiß: „Das DGNB ist sehr streng. Auf der ökologischen ­Seite vertrauen wir der externen DGNB-Stelle, die alles explizit prüft. Das erleichtert uns die Prüfung sehr.“

Doch nicht nur beim Ankauf von Objekten legt die BVK Wert auf eine Zertifizierung, sondern auch bei selbst entwickelten Projekten. Ein Beispiel ist das Bürogebäude „Arabeska“ in München, das im vergangenen Jahr fertig gestellt wurde. „Der Zertifizierungsprozess läuft noch, so etwas geht nicht zu einem bestimmten Stichtag. Der Prozess startet in der Bauphase und dauert bis in die ersten Betriebsjahre hinein. Wir sind aber zuversichtlich, dass wir für Arabeska bald das Zertifikat bekommen“, so Geirhos. Für den Immobilienfachmann der BVK sind solche Zertifikate nicht nur eine Arbeitserleichterung bei der Due Diligence, sondern auch ein Instrument, um Mieter zu gewinnen und die gewünschten Mietniveaus zu erreichen. Mit dieser Auffassung steht er nicht allein da. Auch der Head of Sustainability bei BNP Paribas Real Estate, Hermann Horster, hat in den vergangenen Jahren die gestiegene Bedeutung von Zertifikaten bei der Vermarktung von Gewerbeflächen, insbesondere an große international tätige Unternehmen, beobachtet: „Die Story dahinter ist recht einfach erklärt: Diese Unternehmen haben intern Corporate-Social-Responsible-­Richtlinien aufgesetzt, die unter anderem in den gemieteten Gebäuden ihren Ausdruck finden. Sie zeigen damit, dass sie gesellschaftliche Verantwortung wahrnehmen. Gerade für Dienstleister wie Wirtschaftsprüfer, Banken und Anwaltskanzleien gibt es nicht viele Möglichkeiten, um diese Verantwortung zu zeigen. Eine davon ist das Mieten nachhaltiger, zertifizierter Gebäude. Bei produzierenden Unter­nehmen ist das anders, weil sie mit ihren Produkten mehr Stellschrauben haben, um ihr Nachhaltigkeitsengagement auszudrücken.“ Angesichts dessen verwundert es nicht, dass der Schwerpunkt der Green Buildings in Deutschland auf dem Büro­immobilienmarkt und den Big Seven liegt. Laut einer Marktanalyse von BNP Paribas ­Real Estate­ kamen die sieben Topstädte Ende 2015 auf einen Marktanteil von 89 Prozent am gesamten Transaktionsvolumen zertifizierter Gebäude. Eindeutiger Spitzenreiter war Frankfurt mit 2,35 Milliarden Euro, gefolgt von Berlin mit 2,06 Milliarden Euro. „In der Frankfurter City gibt es heute keinen Neubau ohne Zertifikat. Das muss man ­haben, will man die großen bonitätsstarken Mieter“, erklärt Horster. Dies gilt auch für seinen Brötchengeber: „BNP Paribas mietet bevorzugt grüne Objekte.“  

Im vergangenen Jahr belief sich das Transaktionsvolumen zertifizierter Green Buildings in Deutschland insgesamt auf knapp 6,84 Milliarden Euro.­ „Wir erleben einen unglaublich boomenden Investmentmarkt. Green Buildings halten mit und haben ihren Anteil am Gesamttransaktionsvolumen gegenüber 2014 bei rund 19 Prozent gehalten“, so Horster. Damit hatte er nicht gerechnet: „Wir sind davon ausgegangen, dass es weniger wird, weil es nur ein begrenztes Angebot mit rund 1.000 zertifizierten Gebäuden in Deutschland gibt.“

Die Zahl zertifizierter Green Buildings spiegelt die Realität jedoch nur unzureichend wider. Abseits der Big Seven sind Zertifizierungen nicht üblich, was nichts mit der geringeren Bauqualität zu tun hat, sondern der Nachfrage auf Mieterseite. „In Deutschland gibt es die Energieeinsparverordnung. Wer 2016 mit dem Bau beginnt, muss die ENEV erfüllen und ist nur einen überschaubaren Schritt von einer Zertifizierung entfernt“, merkt Markus Ruf vom Tüv Rheinland ­Industrie Service an, der Immobilieninvestoren bei der technischen Due Diligence von Gebäuden unterstützt. „Ob Platin, Gold oder Silber: Das aus wirtschaftlicher Sicht beste Level ist nicht immer das höchste“, fügt er hinzu. Obwohl die Quoten an Zertifizierungen derzeit noch recht niedrig sind, steht für den Tüv-Rheinland-Mann fest: „Nach und nach werden es mehr werden. Es wird nicht mehr zu stoppen sein – ähnlich wie das Internet.“ Die Käufer von Green Buildings sind laut dem Research Paper von BNP Paribas Real Estate vor allem eigenkapitalstarke Core-Anleger: Den relativ betrachtet höchsten Anteil von zertifizierten Gebäuden an den eigenen Investments weisen Staatsfonds (43 Prozent), Investmentmanager (38 Prozent) und Pensions­kassen (36 Prozent) auf.

Nicht zu stoppen
Welches Label ein Gebäude hat, spielt für Immobilienkäufer eine eher untergeordnete Rolle. Zwar hat das DGNB in Deutschland mit einem Anteil von 69 Prozent deutlich die Nase vorn, dennoch haben auch internationale Labels, wie LEED und BREAAM, Eingang in den deutschen Markt gefunden. Ein prominentes Beispiel ist das Trianon in Frankfurt, das eine LEED-Zertifizierung in Gold hat. Gerüchte, dass eine DGNB-Zertifizierung deutlich aufwendiger ist als LEED, weist Horster zurück. Beide seien vom Aufwand her miteinander vergleichbar. „Man hat LEED nicht einfach so in der Tasche, das ist ein Irrglaube. Man sollte nicht unterschätzen, dass LEED aus der amerikanischen Kultur kommt und zum Teil Anforderungen stellt, die mit unserem Verständnis nicht übereinstimmen. Wodurch dann ein erheblicher Mehraufwand entstehen kann“, erläutert Horster, der als Mitglied in der DGNB natürlich einen gewissen Bias aufweist. Mit ­einer deutschen Baugenehmigung habe man zwar wesentliche Voraussetzungen für den einfachsten LEED-Standard erreicht, allerdings nur wenn zusätzlich alle LEED „Prerequisites“ erfüllt sind. Diese sind laut Horster nicht zu unterschätzen. Als Beispiel nennt er die LEED-Vorgaben zum Rauchen in Gebäuden: „Entweder darf kein Mieter im Gebäude rauchen, was in Deutschland kaum umsetzbar ist, oder es müssen spezielle Raucherräume mit einer gesonderten Belüftung eingebaut werden. Hat man das vorab nicht eingeplant, lässt sich dies im Nachhinein nur schwer in bereits genehmigte Baupläne ­einbauen.“ Daher komme die Fallhöhe bei den Anmeldezahlen für LEED. Angemeldet würden recht viele Gebäude, am Ende aber nur vergleichsweise­ wenige zertifiziert. „Das ist bei der DGNB anders“, so Horster. Das deutsche Siegel ist auch jenseits der Landesgrenzen gefragt. Ein ­prominentes Beispiel ist der FC Barcelona, der das Gebiet rund um das weltbekannte Stadion Camp Nou zu einem Urban Event Campus ausbauen wird und eine DGNB-Zertifizierung anstrebt.

Dass die Kosten für eine Zertifizierung manchen Bauherren abschrecken könnten, bezweifelt der Nachhaltigkeitsfachmann von BNP Paribas Real Estate: „Wenn man die Zertifizierung bei einem Neubau von Anfang an einplant, ist es keine große Hürde, ein Siegel zu ­bekommen. Wenn man nicht gerade Platin- oder Gold-Standard will sogar ohne wesentliche Mehrkosten. Mit deutscher Bauqualität hat man bereits wesentliche Voraussetzungen für eine Zertifizierung auf niedrigstem Stand.“ Etwas anders sieht die Lage bei Bestandsimmobilien aus. Obwohl Bestandsobjekte mit einem BREEAM-Zertifikat mittlerweile rund ein Drittel des Gesamtbestands der Green Buildings in Deutschland ausmachen und einen steigenden Trend erkennen lassen, ist diese Zahl mit Vorsicht zu genießen. „Fast jedes Bestands­gebäude in Deutschland bekommt auf niedrigster Stufe eine Zertifizierung nach BREEAM, diese ist aber nur ein Jahr gültig“, erläutert Horster. Hinter dem niedrigschwelligen Angebot und dem jährlichen Rhythmus stecke die Hoffnung, dass der Eigentümer des Gebäudes Maßnahmen ergreift, um im nächsten Jahr eine höhere Zertifizierungsstufe zu erreichen. „Das ist ein schöner Gedanke, der in Deutschland jedoch nicht immer funktioniert. In Deutschland holt sich mancher die Zertifizierung, nutzt diese zur Vollvermietung und verkauft dann das Objekt“, berichtet Horster. Nichtsdestotrotz hat die DGNB im Frühjahr dieses Jahres nachgezogen und ebenfalls ein Zertifikat für Gebäude im Betrieb eingeführt. Offenbar will man dem britischen Label die Marktführerschaft im Bereich der Bestandsimmobilien­zertifizierung nicht kampflos überlassen. „Das ‚Label in Use‘ von der DGNB ist ähnlich wie BREEAM begrenzt gültig, aber in Abstimmung mit den Bestandshaltern, die es anwenden müssen, entwickelt und deshalb etwas gründlicher“, hebt Horster hervor. Welchen Anklang man damit finden wird, kann nur die Zukunft zeigen.

Nachhaltigkeit darf nichts kosten
Für die BVK als eine der größten Immobilieneigentümerinnen in Deutschland sind Zertifizierungen für Bestandsobjekte derzeit kein Thema. „Ich will jedoch nicht ausschließen, dass sich dies irgendwann ändert. Im Moment sind Zertifizierungen von Bestandsimmobilien bei uns aber nicht auf dem Radar“, so Hallermeier. Letztlich ist Nachhaltigkeit für die BVK eine von mehreren Größen, die sie betrachtet. „Als Treuhänder haben wir eine Verantwortung gegenüber unseren Versorgungsberechtigten und sind verpflichtet, Rendite zu erwirtschaften. Wir sind jedoch davon überzeugt, dass sich Nachhaltigkeit und Rendite nicht ausschließen und durch das Konzept unsere­ Erträge und Renditen robuster werden. Die Nachhaltigkeit kann uns hier daher unterstützen“, erläutert Hallermeier. Wichtig ist ihm eine langfristige Perspektive. Was genau das bedeutet, macht er an einem Beispiel deutlich: „Wenn man in einem Gebäude die Fenster austauscht, hat man verschiedene Materialien zur Auswahl: Holz, Kunststoff und Stahl. Im Einkauf ist Holz am günstigsten. Es ist allerdings in der Wartung teurer und hat eine kürzere Haltbarkeit als die anderen Materialien. Stahl ist im ersten Schritt teurer, dafür aber im Unter­halt günstiger. Zudem hält es länger und ist somit ressourceneffizienter. Da wir die Dinge langfristig sehen, nehmen wir das zunächst im Einkauf teurere Material.“ Dass Sanierungsmaßnahmen in bestehenden Objekten grundsätzlich ein sensibles Thema sind, dessen ist sich die BVK bewusst. „Wir schauen uns die Bestände an, müssen dabei aber auf die Mieter und deren Zufriedenheit achten. Man kann nicht einfach so sanieren“, bemerkt Hallermeier. Hinzu kommt: Nicht ­alles, was heutzutage technisch möglich ist, macht auch Sinn. „Um beim Fensterbeispiel zu bleiben: Man kann die Fenster komplett dicht ­machen. Das ist technisch möglich und erscheint aus heiztechnischen Gründen auch sinnvoll. Aber dann entstehen andere Themen, wie zum Beispiel Schimmel“, führt der BVK-Nachhaltigkeitsreferent  aus. Das richtige Maß ist gefordert.


Kleiner Aufwand, große Wirkung

„Man darf Gebäude nicht auf Teufel-Komm-Raus optimieren. Man muss immer den Stakeholder, spricht den Mieter, und dessen Zufriedenheit im Blick behalten“, merkt auch Frank Schäfer an. Dennoch ist er überzeugt, dass es im operativen Management von Immobilien eine­ Reihe von Maßnahmen gibt, die mit wenig Aufwand viel Wirkung erzielen. Um herauszufinden, welche Maßnahmen dies sind, ist das Real Estate Investment Management der Credit Suisse eine strategische Partnerschaft mit Siemens eingegangen. „Im Rahmen der technischen Due Diligence ermittelt Siemens bereits im Ankaufsprozess, was mit überschaubaren finanziellen Mitteln machbar und wirtschaftlich attraktiv ist. Ein gutes Beispiel hierfür ist eine verbesserte Einstellung der Heizungs-, Klima- und Belüftungsanlage. Diese ist elektronisch geregelt und kann relativ einfach eingestellt und optimiert werden. Ein anderes Beispiel ist der Einsatz energiesparender Elektronik und Lampen. In Bürogebäuden kann nachts das Licht ausgemacht oder in Shopping-Centern die Rolltreppen nach Geschäftsschluss automatisch ausgeschaltet werden. Dadurch sind Einsparungen bis zu 35 Prozent möglich“, erklärt Schäfer.

Selbst bereits gut aufgestellte Neubauten haben Potenzial­ zur Verbesserung. Als Beispiel führt der Credit-Suisse-Mann das 2013 ­erbaute Wohn- und Gewerbeareal „Am Rietpark“ im Schweizer Schlieren an. Zu den Optimierungsmaßnahmen zählten unter anderem der Anschluss an das Fernwärmenetz, die Installation der Lüftung und Kühlung auf den Dächern sowie eine geringfügige Änderung an der Heizungssteuerung. Das Ergebnis: Der Stromverbrauch reduzierte sich von 2013 zu 2014 um zwei Prozent, der Brennstoffverbrauch um sechs Prozent und die CO2-Emissionen um 4,8 Prozent. „Durch solche Reduktionsmaßnahmen sinken die Nebenkosten für die Mieter. Das kann man zwar nicht eins zu eins auf die Miete übertragen. Aber über die Zeit lassen sich die niedrigeren Nebenkosten in Mietsteigerungen umsetzen“, so Schäfer. Er ist überzeugt: „Wer ein Portfolio langfristig beurteilt, bei dem zahlt sich Nachhaltigkeit aus. Rendite und Nachhaltigkeit gehen Hand in Hand. Es gibt eine Art Green Alpha.“

Dieses Green Alpha versucht Credit Suisse Real Estate Investment Management mit einem kürzlich aufgelegten klimaneutralen Immobilienfonds für ihre Kunden zu vereinnahmen. Investiert wird europaweit in gewerbliche Bestandsobjekte, die nicht zwangsläufig zertifiziert sein müssen. „Das würde das Investmentspektrum zu sehr eingrenzen und Renditekompromisse erfordern“, erklärt Schäfer. Diese will man jedoch nicht eingehen. Angestrebt wird eine jährliche Rendite von fünf bis sechs Prozent. „Durch unseren aktiven Management­ansatz reduzieren wir die CO2-Emissionen der Immobilienanlagen in dem Fonds. Den Rest der Emissionen, die man wirtschaftlich nicht sinnvoll reduzieren kann, kompensieren wir über CO2-Zertifikate. Die Kosten dafür trägt Credit Suisse Real Estate Investment Management selbst“, führt Schäfer aus. Das Interesse an dem Fonds sei durchaus gegeben, mit Commitments halten sich die institutionellen Anleger im jetzigen Stadium aber zurück. Das ist für Schäfer kein Grund zu verzagen: „Im ersten Closing wollen viele Anleger noch nicht mit dabei sein, erst im zweiten, wenn bereits erste Objekte für den Fonds erworben wurden und erkennbar wird, wie diese innovative­ Strategie in der Praxis umgesetzt wird. Deshalb fangen wir relativ klein an und kaufen nun erst einmal für 60 Millionen Euro zwei bis drei Objekte ein. Bis zum Jahresende 2016 wollen wir mit dem zweiten­ Closing ein gut dreistelliges Fondsvolumen für den weiteren Portfolio­aufbau erzielen.“

Dass Nachhaltigkeit bei Immobilien nichts mit Altruismus zu tun hat, betätigen diverse Studien, die vornehmlich auf dem US-Immo­bilienmarkt und dem Label „Energy Star“ basieren. So fanden beispielsweise Franz Fuest und Patrick McAllister in ihrer 2011er Studie „Green Noise or Green Value?“ heraus, dass energieeffiziente ­Gebäude im Schnitt sieben Prozent höhere Mieten als herkömmliche Objekte erzielen und die Verkaufspreise um 26 Prozent höher liegen. Andere Studien kamen zu Ergebnissen, die von 2,5 bis 11,6 Prozent Mietpreisaufschlägen sowie 10,3 bis 31,0 Prozent Verkaufspreisaufschlägen ­reichen. Trotz großer Unterschiede in den Ergebnissen ist allen ­Forschungsarbeiten eines gemein: Nachhaltige Gebäude lassen sich besser vermieten und haben einen höheren Marktwert.   

ESG-Score: Immobilienbranche ist Schlusslicht  

Diese Erkenntnis scheint nur langsam zu den Immobiliengesellschaften durchzudringen. Hier schlummert noch erhebliches Verbesserungspotenzial, wie ein Blick auf den Corporate Responsibility Review­ 2016 zeigt, für den die unabhängige Rating-Agentur Oekom Research 1.600 international tätige Großunternehmen mit Sitz in den Industrieländern analysiert hat. Laut diesem besteht in Sachen ökologischer und sozialer Unternehmensverantwortung noch viel Luft nach oben. Auf einer Skala von null bis 100 erreicht keine Branche mehr als 50 Punkte. Am besten schneidet die Branche „Household & Personal Products“ mit durchschnittlich 47,4 Punkten ab. Absolutes Schlusslicht ist die Immobilienbranche, die lediglich auf magere 20 Punkte kommt. Aber Vorsicht: Nicht alle Immobiliengesellschaften dürfen über einen Kamm geschoren werden. Die Branchensieger des Immobiliensektors, die aus Frankreich und Großbritannien kommen, erhalten von Oekom Research Noten zwischen B- und C+. Sie liegen gleichauf mit den Siegern der anderen Branchen. Die große Bandbreite zwischen den Gesellschaften zeigt sich auch in Untersuchungen anderer Forschungsgesellschaften. So erstellt beispielsweise Sustainalytics­ anhand vielfältiger ESG-Faktoren auf einer Skala von null bis 100 Nachhaltigkeits-Scores für 2.700 globale Aktientitel, ­darunter 172 Immobilienaktien. Deren ESG-Scores reichen von 37 bis 86. „Obwohl immer mehr Immobiliengesellschaften auf Nachhaltigkeit setzen, gibt es Verbesserungspotenzial. Immobilienaktien schneiden im Vergleich zum breiten Aktienuniversum unterdurchschnittlich ab“, schreibt Roelf Groeneveld in einem kürzlich veröffentlichten Research Paper „Spotlight“ von NN Investment Partners.

Wie viele Nachhaltigkeitspunkte die Deutsche Wohnen AG in den Analysen von Oekom Research und Sustainalytics abräumen würde, ist nicht bekannt. Bekannt ist, dass sich das Unternehmen Nachhaltigkeit auf die Fahnen geschrieben und im Juni dieses Jahres einen Bericht über die Nachhaltigkeitsaktivitäten des Unternehmens vorgelegt hat. „Innerhalb der Wohnimmobilienbranche will die Deutsche Wohnen damit eine führende Rolle einnehmen sowie Transparenz und Vergleichbarkeit nachhaltiger Leistung vorantreiben. Als erste ­gelistete deutsche Wohnimmobiliengesellschaft informieren wir deshalb mit dem vorliegenden Bericht bereits zum vierten Mal nach dem globalen Standard der Global Reporting Initiative“, erläutert Michael Zahn, Vorstandsvorsitzender von Deutsche Wohnen. Um die Energieeffizienz und Wohnqualität ihrer Bestände zu verbessern, hat die Immobiliengesellschaft ihr Modernisierungsprogramm von 280 auf 400 Millionen Euro bis Ende 2018 ausgeweitet. Hierfür wird mit der G+D Gesellschaft für Energiemanagement als strategischem Partner zusammengearbeitet. Bei Neubauprojekten setzt die Deutsche Wohnen ebenfalls auf Nachhaltigkeit und lässt sich diese von der DGNB bestätigen. So wurde Anfang dieses Jahres eine Reihenhaussiedlung in Potsdam-Babelsberg für insgesamt 20 Millionen Euro fertiggestellt, die von der DGNB mit dem Gold-Standard vorzertifiziert wurde. Auch das Projekt „Stadtquartier Westend“ in Berlin erhielt im Februar dieses Jahres eine Vorzertifizierung, und zwar in Platin.

Dass Neubauprojekte mit dem Schwerpunkt auf Mietwohnungen eine Zertifizierung der DGNB in Anspruch nehmen, ist eher ungewöhnlich. Denn der deutsche Wohnungsbausektor ist dem Gewerbemarkt in puncto Nachhaltigkeit um einiges voraus. „Mit den Energiestandards der KfW und des Passivhauses ist der Wohnbereich auf der Energieebene schon viel länger aktiv als der Gewerbebereich. Heute wird kaum noch ein Einzelhaus gebaut, das nicht diesen KfW-Standard erfüllt. Es ist ein ganz anderer Markt mit eigenen Energie-­Labels“, erläutert Hermann Horster, Nachhaltigkeitsfachmann bei BNP Paribas Real Estate.­ Die Zertifizierung von Gewerbeimmobilien habe in Deutschland hingegen erst vor knapp zehn Jahren begonnen, gewinnt jedoch seither sukzessive an Bedeutung. „Deutschland ist ein Vorreiter im Bereich der Energieeffizienzstandards bei Wohnen, aber auch im Gewerbeimmobilienbereich stehen wir international vergleichsweise gut da“, ist Hallermeier überzeugt. Der BVK-Nachhaltigkeitsreferent weiß aber auch: „Die Immobilienbranche hat noch viel Potenzial, sich in puncto Nachhaltigkeit zu verbessern.“

Von Kerstin Bendix

portfolio institutionell, Ausgabe 07/2016

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