Schwarzer Schwan
9. Dezember 2016

Gut gehebelt ist schon halb verloren

Differenzkontrakte bergen Risiken. Das bekamen in dieser Woche zur Abwechslung mal die Betreiber von Handelsplattformen zu spüren und nicht die Anleger.

In Zeiten wegbrechender Zinsmargen gehen immer mehr Banken und Sparkassen dazu über, ihren Kunden für die Verwaltung von Girokonten üppige Gebühren abzuknüpfen. Wer aufs Geld achten will oder muss, findet im Bereich der Onlinebroker aber auch heute noch generöse Institute, die das Girokonto für lau anbieten. Und auch von Depotgebühren wollen Anbieter wie die Comdirect dankenswerterweise nichts wissen  vorausgesetzt, man nutzt das Girokonto. Vielmehr locken sie Neukunden mit allerlei Wechselprämien. Wie kann das sein? Nun, man mag es kaum glauben: Sie verdienen ihre Brötchen auf anderen Wegen.
Eine Wechselprämie bietet die Commerzbank-Tochter derzeit beispielsweise Interessenten an, die bei ihr ein Konto für den Handel mit sogenannten Differenzkontrakten eröffnen. Hier winken üppige 250 Euro. Cash auf die Kralle! Nun heißt es schnell sein, denn das Angebot gilt nur bis zum 31. Dezember 2016. Diese Strategie erinnert etwas an die Kasinos in Las Vegas, die die Spieler mit alkoholischen Freigetränken versorgen. 
CFD für die AV
Als vom Niedrigzins kollateralgeschädigter Kleinsparer braucht man da gar nicht lange zu überlegen; ohnehin soll man ja schließlich fürs Alter sparen. Bloß wie? Ganz einfach! Mit Contracts for Difference (CFDs) kann man laut Comdirct schon „mit geringem Kapitaleinsatz große Gewinnchancen“ nutzen. CFDs ließen sich „optimal online handeln“, frohlockt die Bank – auch auf dem Smartphone von unterwegs. Kurz gesagt: der ideale Kick, um wieder Farbe in den grauen Büroalltag zu bringen. 
Wenn Kritiker nun behaupten, man dürfe sich von der Wechselprämie in Höhe von 250 Euro nicht blenden lassen, dann ist das doch purer Neid, der da spricht. Denn CFDs sind schlichtweg genial. Man kann beim Zocken, pardon, im Handel mit Differenzkontrakten ebenso auf steigende und wie auf fallende Kurse setzen, vergleichbar mit Fußballwetten, wo man auf die eine oder auf die andere Mannschaft setzen kann. Wen interessiert da, dass ein CFD laut Comdirect „ein hochriskantes gehebeltes Produkt“ ist, bei dem man mehr als nur die Einlage verlieren kann. Manche sagen, CFDs sind „Wettscheine“ auf die Wertentwicklung von Aktien oder Devisen. Je nach Kreditwürdigkeit lässt sich ein sensationeller Hebel von mehr als 200:1 auf die Wertentwicklung ansetzen. Endlich mal wieder kribbeln im Bauch bei dem folgenden Gedanken: Wer falsch liegt, muss Geld nachschießen. Ach was, wird schon schiefgehen. Enorme Risiken entfalten CFDs ohnehin nur in den Händen unbedarfter Hasardeure.
Pustekuchen 
Auch CFD-Handelsplattformen bekommen nun die Risiken der Differenzkontrakte zu spüren. Die britische Finanzaufsicht FCA hat Einschränkungen des CFD-Geschäfts angekündigt und will nun beispielsweise den Hebel für Kleinanleger bei immerhin 50:1 deckeln. Um Privatanleger zu schützen, beabsichtigt parallel dazu auch die Bafin, die Vermarktung, den Vertrieb und den Verkauf von finanziellen Differenzgeschäften zu beschränken. Kontrakte mit einer Nachschusspflicht dürften dann Privatkunden nicht mehr angeboten werden.
Diese Spielverderber! Laut einem Bericht der Börsen-Zeitung hat die Financial Conduct Authority (FCA) unter Berufung auf eine repräsentative Studie mitgeteilt, dass 82 Prozent der Kunden mit solchen Produkten Geld verloren haben. Bei dieser Gewinnerqoute fällt einem Warren Buffett ein. Von ihm lernten wir nicht nur, was es mit der Derivategattung „finanzielle Massenvernichtungswaffen“ auf sich hat, sondern er gab auch Orientierungshilfe für alle Spielernaturen: „If you’ve been playing poker for half an hour and you still don’t know who the patsy is, you’re the patsy.“

Bei der FCA zeigt man sich nun jedenfalls „ernsthaft besorgt, dass eine wachsende Zahl von Kleinanlegern mit CFD-Produkten handelt, ohne die damit verbundenen Risiken hinreichend zu verstehen“, wie Christopher Woolard sagte. Der Executive Director im Bereich Strategy & Competition bei der Aufsichtsbehörde ziert diesen Schwarzen Schwan mit seinem Antlitz und warnt: Anleger könnten schnell große und unerwartete Verluste erleiden. Mit seinem Vorhaben, den CFD-Handel stärker an die Kandare nehmen zu wollen, hat Woolard die Aktienkurse von Handelsplattformen wie CMC Markets und IG Group Holdings kurzerhand auf Talfahrt geschickt; CMC Markets kollabierten in dieser Woche förmlich um rund 40 Prozent auf 115 Pence. Und die Moral von der Geschicht? Zocken macht Spaß, aber es lohnt sich nicht.

In diesem Sinne wünscht Ihnen die Redaktion von portfolio ein schönes Wochenende und einen gemütlichen dritten Advent. 
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