Strategien
19. November 2012

Hauptsache Impact

Was bringt nachhaltiges Investieren denn wirklich unterm Strich? An dieser Frage scheitern ­eigentlich alle. Trotzdem vermelden Lobbyverbände Erfolge und sollen sich britische Pensionsfonds in Infrastruktur für soziale Zwecke engagieren. Nur die skeptischen Schweizer sträuben sich noch.

„Ausschlusskriterien sind im Mainstream angekommen.“ Diese Story erzählt man sich seit Ende September beim Forum Nachhaltige Geldanlagen (FNG) – dem Verein, der sich um die Lobbyarbeit für die Anbieter dieser Produkte kümmert, und zwar länderübergreifend, in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Man schaut also über den deutschen Tellerrand, was diesen Verein wiederum auch für diese ­Rubrik ­interessant macht. Eine Billion Euro, so lesen wir auf der FNG-Website zur jüngst vorgelegten Marktstudie, steht zum Beispiel in ­diesen drei Ländern nicht für Investments in Streubomben­hersteller zur Verfügung, weil (institutionelle) Anleger diese Unternehmen nicht im Portfolio haben mögen. Weiter so, FNG! Den Impact von nachhaltigem Investieren nachzuweisen, zumindest ein Gefühl dafür zu vermitteln, dass es überhaupt einen gibt, und ihn schließlich auch zu beziffern: Das sind ­endlich einmal handfeste Informationen aus der Nachhaltigkeitsecke, die Institutionelle brauchen, um derartige Engagements rechtfertigen zu können.
Die größte Nuss ist für sie freilich immer noch nicht geknackt: Kostet Nachhaltigkeit nun Rendite oder nicht? Und selbst wenn das nicht der Fall sein sollte: Kann ich aus meinem Arbeits­vertrag und den Leitlinien und Statuten meiner Pensionskasse (oder anderen Einrichtung) einen Auftrag ableiten, mich mit nachhaltiger Kapitalanlage zu beschäftigen? Oder ist mein Engagement für dieses Thema schlichtweg gar nicht Bestandteil ­meines fiduziarischen ­Auftrags?

Bleiben wir beim Impact Investing und bei Pensionsein­richtungen, aber wechseln wir das Land und kommen vom Mainstream zu „Alternatives“: Die oben aufgezählten Fragen stellen sich laut der Londoner Non-Profit-Organisation „Smith Institute“ unter der Leitung von Paul Hackett auch viele Verantwortliche britischer Pensionsfonds, und zwar solcher, die von der lokalen Verwaltung betrieben werden, der ­sogenannten „Local Authority Pension Funds“. Beispiele dafür sind die so unterschiedlich großen Pensionsfonds von London Borough of Croydon (600 Millionen Britische Pfund), West Sussex County ­Council aus ­Chichester (zwei Milliarden), West Midlands Metropolitan Autho­rities aus Wolverhampton (fast neun Milliarden) sowie der Greater ­Manchester Pension Fund aus Lancashire (elf Milliarden).

Diese alles in allem gut 100 Fonds verwalten grob 140 Milliarden Pfund, fast ein Zehntel dessen, was alle britischen Pensionsfonds auf die Waage bringen: 1,6 Billionen Britische Pfund. Das alleine schreit schon nach einem ganz ordentlichen Impact, und diesen sollen sie nach dem Willen der öffentlichen britischen Meinung auch durch ­klare Commitments ausüben: für Investitionen in „Alternatives“ nämlich­, wie zum Beispiel in lokale Infrastruktur, lokale Sozial­wohnungen und andere soziale Projekte vor Ort, welche für die kommunale­ Weiterentwicklung und dem dortigen Zusammenhalt wichtig sein könnten. Was die großen Infrastrukturprojekte betrifft, man denke nur an den maroden britischen Schienenverkehr, hatte der britische Chancellor of the Exchequer, George Osborne, laut Berliner Tagesspiegel der derzeit unpopulärste Politiker Großbritanniens, in ­einem mehr als peinlichen gedanklichen Kniefall bereits Anfang des Jahres auf einer Finanzmesse in Hongkong klargemacht, woher das Geld kommen soll: aus Asien.

Bei lokalen Infrastrukturmaßnahmen können sich die Briten aber nicht aus dem Reich des Konfuzius oder von den Scheichs helfen ­lassen, sondern müssen sie selbst stemmen, entweder über Steuern, Spenden oder über alternative Finanzierungsformen – wie zum ­Beispiel über Investitionen von Pensionsfonds. Um das hinzu­­bekommen­, schlagen Paul Hackett und sein Smith Institute in ihrer jüngsten Studie „local authority pension funds: investing in growth“ beispielsweise vor, ein zentrales Clearing House einzurichten, das die Grundlage für gemeinsame, gepoolte „Social Impact Investments“ von einzelnen Lokalbehörden schaffen soll. Wie üblich steht auch bei den lokalen Behördenpensionsfonds die Frage nach der richtigen Auswahl und Incentivierung der Dienstleister im Mittelpunkt des Interesses. Aber nicht nur das: Denn wichtig ist für die Pensionsfonds­­­ver­antwortlichen­ auch ihr eigenes Reputationsrisiko, gerade bei lokalen Infrastrukturprojekten, sowie mögliche neue Interessenkonflikte, die sich aus einem lokalen Engagement ergeben können. Schließlich sind die Local Authorities auch besetzt mit Funktions- und Würdenträgern aus den dominierenden politischen Parteien – Conservatives, Labour und den Liberal Democrats.

Als besonders fortschrittlich beim sozialen Investieren gilt der schon erwähnte Greater Manchester Pension Fund. Zusammen mit dem Manchester City Council – der lokalen Behörde – hat der Fonds ein Joint Venture gegründet, das an fünf Standorten in Manchester insgesamt 240 neue Wohnungen entwickeln wird. Das City Council,  also der „Grafschaftsrat“, stellt den Grund und Boden, außerdem ­beteiligt es sich mit Eigenkapital an den Gebäuden, damit die Hypothekenbelastung der Käufer – die Bürger rund um Manchester – ­geringer ausfallen kann. Insgesamt sollen diese Wohnungen für die Käufer um etwa 20 Prozent unter dem Marktpreis vergleichbarer ­Objekte ­angeboten werden.

Insgesamt also eine durchaus charmante Idee, was man ja von der nachhaltigen Geldanlage an sich auch behaupten kann. Aber, und das ist der Punkt, die Fragen der Pensionsfondsverantwortlichen der britischen­ Lokalverwaltungen bei sozialen Infrastrukturprojekten sind genau dieselben wie die der deutschsprachigen Anleger bei nach­haltigen Geldanlagen jeglicher Art: So gut wie keiner – und das ist ein ­eindeutiges Ergebnis der Umfrage der Untersuchung des Smith ­Institutes – ist gewillt, Abstriche bei der Finanzrendite zugunsten ­einer wie auch immer berechneten Sozialrendite zu bringen. Letztlich hofft man selbstverständlich auf beides, so wie Keiran Quinn, der Chairman des Manchester-Fonds. Er lässt sich in der englischen ­Presse folgendermaßen zitieren: „I’m proud we are able to use the pension fund to invest in the building of much needed homes in ­Greater Manchester whilst securing a good return to fund the ­pensions of the workforce.“
Doch was passiert, wenn sich eben jener „good return“ nicht ­einstellt? Das wäre der Bruch in der Kette, und die alternative ­Finanz­ierungsquelle „Pensionsfonds für soziale Projekte“ würde sehr schnell wieder austrocknen. Das wäre dann ziemlich asozial – und nachhaltig wäre es schon gar nicht. Eines ist jedenfalls sicher: Der ­ausgeprägte Hang der Briten zum gegenseitigen Meinungs- und ­Erfahrungsaustausch und zur Kooperation sorgt immer wieder für ­Innovationen im Finanzdienstleistungsgewerbe – selbst wenn nicht alles immer 100-­prozentig durchdacht ist. Hauptsache, es hat ­zunächst einmal möglichst viel Impact.

Um Impact Measurement geht es auch in einer MBA-Arbeit der Universität St. Gallen, die zusammen mit dem FNG-Mitglied Contrast Capital erstellt wurde; 28 strukturierte Interviews bei Pensionskassen, Asset Managern und Family Offices bestätigen, was man eigentlich schon weiß. Die Schweizer sind im Gegensatz zu Briten sehr ­skeptisch, so auch bei nachhaltigen Anlagen. Die Bestandsaufnahme: Der ­typische schweizerische Institutionelle hat keine bis wenig Erfahrung mit nachhaltigen Geldanlagen, traut Nachhaltigkeits-Ratings von ­Unternehmen respektive Investment­vehikeln nicht über den Weg und versteht auch nicht, wie man den „Impact“ nachhaltiger gegenüber traditioneller Investments nach­weisen kann. Tagesaktuelle Herausforderungen bestimmen den Arbeitsalltag des Chefkapital­anlegers. Das Thema ESG (Environment, Social, Governance) läuft ­eigentlich immer unter dem Radarschirm und wird erst recht nicht als Stellschraube für ein besseres Risiko­management angesehen.
Last but not least, es fehlt der Druck von außen. Weder die Medien noch die Regulatoren oder andere Stakeholder machen Dampf, was – so die konsequente Schluss­folgerung – wiederum dafür spricht, dass sie die Notwendigkeit für nachhaltige Kapitalanlage ebenfalls noch nicht ­sehen. Würden diese Stakeholder einen finanziellen Impact ­erkennen, hätten sie schon längst für nachhaltige Anlagen getrommelt. Denn nach 2008 lag 2011 nach Angaben des Asset Managers Swisscanto die Netto-Performance der Pensionskassen schon wieder im Minus ­(Jahr 2008: -12,81 Prozent; 2011: -0,34 Prozent), so dass man sich in der Schweiz sogar überlegt, aus einem einzigen Berichtswesen über die Finanzierungslage lieber zwei zu machen: einen für die aktiv Beschäftig­ten (also die Einzahler) und einen für Rentner, um den Vermögenstransfer zulasten der Aktiven sichtbar zu machen – das ist Impact Measurement à la Suisse.

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