5. Mai 2014

Hauseigene Risikoeinschätzung tritt in den Vordergrund

Die Bundesregierung hat einen Gesetzentwurf beschlossen, der die Abhängigkeit der Finanzbranche von den Bewertungen der Rating-Agenturen verringern soll. Auch die Bafin sorgt dafür, dass sich die Akteure ein internes Bild der Risiken machen.

Nicht alle institutionellen Investoren können ausgefeilte und auf die eigenen Belange zugeschnittene Scoring- und Bonitätsbewertungssysteme ihr Eigen nennen. Vielmehr verlassen sich die Akteure bei aller Kritik häufig auf das Urteil von Rating-Agenturen, die die Bonität von Kreditnehmern, Emittenten und Wertpapieren analysieren und daran anknüpfende Ausfallrisiken hinterfragen. In Zukunft soll das Urteil der Bonitätswächter bei der Risikobewertung eine geringere Rolle spielen.
Das Bundeskabinett hat in seiner jüngsten Sitzung eine entsprechende Gesetzesnovelle auf den Weg gebracht. Unternehmen der Finanzbranche sollen demnach verstärkt auf eigene Einschätzungen bei der Bonität achten. Bei zahlreichen Marktteilnehmern dürfte die Bundesregierung aber offene Türen einrennen. Schon vor Jahren sind einige Investoren dazu übergegangen, selbst Scoring-Modelle zu entwickeln, wie Siehiernachlesen können.
Der nun vorgelegte Gesetzentwurf dient der Anpassung des Aufsichtsrechts an die überarbeitete Rating-Verordnung der Europäischen Union vom 21. Mai 2013. Hauptadressat sind die Rating-Agenturen, wie einer Mitteilung der Bundesregierung zu entnehmen ist. Ihr geht es unter anderem darum, einen ausschließlichen oder automatischen Rückgriff auf Ratings zu aufsichtsrechtlichen Zwecken zu verhindern. Daneben zielt die Verordnung darauf ab, Interessenkonflikte bei Investitionen in Rating-Agenturen entgegenzuwirken. Weiterhin begrenzt sie vertragliche Beziehungen zu einer Rating-Agentur auf eine Höchstlaufzeit. Zudem schreibt sie die Veröffentlichung von Länder-Ratings ebenso vor wie die Berücksichtigung von Informationen zu strukturierten Finanzinstrumenten. Überdies wurde die zivilrechtliche Haftung der Bonitätswächter verschärft. Laut Presseberichten war zuvor schon eine Registrierungspflicht für die Anbieter von Kredit-Ratings eingeführt worden. Außerdem wurde die Kontrolle darüber von den nationalen Banken auf die europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde Esma verlagert.
Die überarbeitete EU-Rating-Verordnung vom Mai vergangenen Jahres, die sich in erster Linie an die Rating-Agenturen selbst, aber auch an die Anwender von entsprechenden Ratings wendet, gilt unmittelbar in den Mitgliedsstaaten und braucht keine nationale Umsetzung mehr. 
Bereits Mitte April hat die Bafin gemeinsam mit dem Bundesministerium der Finanzen und der Deutschen Bundesbank einennationalen Maßnahmenplan veröffentlicht, um Bezugnahmen auf externe Ratings in Vorschriften, Gesetzen und Verordnungen zu reduzieren und für Marktteilnehmer Anreize zu setzen, ihre eigenen Kreditrisikobewertungen vorzunehmen und voranzutreiben, anstatt sich ausschließlich und automatisch auf Ratings zu stützen. Die Veröffentlichung ist Teil eines Peer-Reviews des Finanzstabilitätsrats FSB (Financial Stability Board).
Eigene Risikoeinschätzung
Darüber hinaus haben das EU-Parlament und der EU-Rat die Richtlinie 2013/14/EU zur weiteren Ausführung der EU-Rating-Verordnung verabschiedet. Diese Richtlinie ist an die Mitgliedsstaaten gerichtet und muss bis zum 21. Dezember 2014 in nationales Recht umgesetzt werden. Sie enthält unter anderem Vorgaben, mit denen Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung (EbAV), Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (Ogaw) und Verwalter alternativer Investmentfonds (AIFM) angehalten werden sollen, einen übermäßigen Rückgriff auf Ratings abzubauen.
Die Bafin soll die Einhaltung der dazu erlassenen Regelungen auf nationaler Ebene überwachen und Regelverstöße sanktionieren. Die Staatsschuldenkrise und die Herabstufung einiger Euroländer haben gezeigt, dass das Abstellen auf externe Ratings allein bei der Kapitalanlage nicht immer zielführend ist. Das Verlustrisiko wurde von den externen Ratings vielfach falsch eingeschätzt. 
portfolio institutionell newsflash 05.05.2014/Tobias Bürger
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