Alternative Anlagen
12. März 2014

Im Netz gefangen

Immer Ärger mit dem Regulierer – nun auch mit Ministerien in ­Norwegen, die internationalen Infrastrukturinvestoren Netz-Durchleitungsgebühren ebenso empfindlich wie überraschend kürzten. Gedanken zur Erleuchtung der Regulierungs-Black-Box.

Die Asset-Klasse „Infrastruktur“ erfreut sich dank der mit ihr ­assoziierten langfristig planbaren und stabilen Erträge weiter einer großen Beliebtheit unter deutschen Anlegern. 87 Prozent der von Palladio­ Partners in einer aktuellen Studie befragten deutschen Anleger sind bereits mit einem Volumen von insgesamt 9,4 Milliarden Euro­ investiert (Studie „Öffentliche Aufgaben und private Investitionen“; siehe auch portfolio institutionell, Januar 2014, Seiten 38ff.). Weitere Investitionen in Höhe von 14 Milliarden Euro sind in den kommenden zwei bis drei Jahren geplant. Wie sich aus den Studienergebnissen weiter ergibt, halten 73 Prozent der Investoren das ­Segment „Netze“ und 55 Prozent das Segment „Public Private Partnership (PPP)“ für attraktiv bis hochattraktiv. Beispiele für Investments in Netze gaben die Meag durch die 2012 erfolgte Beteiligung am ­Erdgasnetz Open Grid Europe, die 2013 erfolgte Beteiligung von ­kanadischen und australischen Pensionsfonds an einem finnischen Elektrizitätsnetz und der Amprion-Deal, bei dem sich deutsche Investoren an einem Starkstromnetz von RWE beteiligten.

Bei den Investments sind die in der Studie befragten Investoren aber auch nicht blauäugig. Als größtes Risiko für Infrastruktur haben sie eine mögliche Änderung des regulatorischen Rahmens identifiziert. Diese Gefahr droht insbesondere bei Netzen und PPPs. Regional betrachtet hat sich dieses Risiko nun ausgerechnet dort realisiert, wo man es wohl am wenigsten vermutet hätte: Nämlich nicht an den Gestaden des Mittelmeers, wo die Finanzkrise bekanntlich staatlichen Versprechungen den ökonomischen Boden entzogen hat, sondern hoch im Norden, wo eines der reichsten Länder der Welt liegt. In ­Norwegen beteiligte sich ein Investorenkonsortium an dem norwegischen Gasleitungsnetz Gassled, das norwegisches Erdgas durch die Nordsee nach Deutschland, Großbritannien, Belgien und Frankreich transportiert. Im vergangenen Jahr waren es 102,5 Milliarden Kubikmeter. Anfang 2013 [geändert am 21. März 2014] verkündete der norwegische Minister für Öl und Energie, Ola Borten Moe, aber einseitig, dass niedrige Gastransportkosten die Exploration und die Förderung von Gas ­stimulieren, und griff in die Tarifstruktur ein. Davon betroffen ist der Kreis der Gassled-Finanzinvestoren, denen etwa ein Drittel von Gassled gehört. Den norwegischen Staat als Mehrheitseigner lassen die Kürzungen jedoch kalt. Statt sich selbst Gebühren zu zahlen, könnte er künftig von einer erhöhten Exploration und Förderung profitieren. Auf den Wähler ­haben die Umverteilungspläne auch keinen Einfluss, da sich Norwegen fast komplett auf Wasserkraft stützen kann.

Allianz contra Norwegen
Zum Kreis der Finanzinvestoren zählt auch die Allianz. Nach ­Angaben der FAZ hält Allianz Capital Partners einen Anteil von 14 Prozent an Gassled und bezahlte dafür 1,3 Milliarden Euro. Die Wertminderung der Beteiligung durch die avisierte Kürzung betrage 500 Millionen Euro zum Ausgangsszenario. „Wir ziehen die Möglichkeit einer Klage in Betracht und prüfen gerade alle Möglichkeiten mit ­unseren Beratern. In Kenntnis derartiger Pläne hätten wir das Investment so nicht getätigt“, sagt Allianz-Vorstand Maximilian Zimmerer der FAZ. Inzwischen reichte die Allianz, wie andere Investoren auch, Klage gegen die norwegische Regierung ein. Besonders sauer dürfte Zimmerer aufstoßen, dass vor der Bekanntmachung der Tarifpläne mit Statoil, Exxon und Total Unternehmen ihre Gassled-Anteile ­verkauften, die von einer günstigeren Exploration profitieren. Statoil­ gehört zudem mehrheitlich dem norwegischen Staat. Zu den Gassled-Investoren zählen neben der Allianz unter anderem ein Infrastrukturfonds der UBS, das Canada Pension Plan Investment Board, Caisse des Dépôts und Adia, der Staatsfonds von Abu Dhabi. Zusammen mit Adia und Morgan Stanley hat die Allianz einst auch (erfolgreich) Milliarden in gebührenpflichtige Parkplätze in Chicago investiert.

Den Investoren war bekannt, dass der Regulator das Recht zu ­Tarifkürzungen hat. Offenbar rechneten sie aber nicht damit – und vor allem nicht so drastisch und nicht so bald. Laut der FAZ steht ­derzeit eine von 2016 an geltende Kürzung der ­Durchleitungsgebühren von bis zu 75 Prozent im Raum. In einem gemeinsamen Schreiben an den Regulator monierten das Canada Pension Plan Investment Board, die Allianz und die Abu Dhabi Investment Authority, dass es unfassbar sei, dass das Ministerium seine Pläne für eine solch ­fundamentale Änderung nicht schon in den gemeinsamen extensiven Meetings zu den Anteilstransaktionen bekanntgab, sondern erst kurz danach. ­Weiter heißt es in der „Consultation Response“: „Der Einkommensverlust hat zur Folge, dass die Rendite auf etwa vier Prozent absinkt, was eindeutig nicht einem angemessenen Return entspricht.“ Diese Größe sei außerdem weit unter dem üblichen Niveau von sieben ­Prozent. Dagegen profitiere Statoil, der größte Anteilsverkäufer, von einem „Net Windfall Gain“ aufgrund der gesparten Transportkosten von etwa 15 Milliarden norwegischen Kronen (etwa 1,8 Milliarden ­Euro). Dieser Gewinn gehe zulasten der Anteilskäufer. Außerdem stellen die Investoren infrage, dass Transportkosten einen wesent­lichen Einfluss auf eine steigende Produktion haben.
 
Licht für die regulatorische Black Box

Aus „Gassled“ lassen sich verschiedene Erkenntnisse ziehen: Mehr Risikobewusstsein ist angebracht – auch deshalb, weil diese Asset-­Klasse im Allgemeinen, vergleichbar mit Anleihen, eine große Downside, aber kaum eine Upside hat. Zweitens dürfen regulatorische Risiken nicht unterschätzt werden, und regulatorische Risiken bestehen nicht nur in Spanien, Tschechien und Russland. Risikover­sicherungen sind eventuell möglich, mit Blick auf das überschaubare Renditepotenzial aber kaum sinnvoll. Da sich gerade bei Direktinvestments regulatorische Risiken auch nur schwer wegdiversifizieren ­lassen, muss auch die Frage gestellt werden, wie man Licht in die ­regulatorische Black Box bringen kann und was künftig in der ­näch­sten Due Diligence besser beachtet werden muss.  

Dass (regulatorische) Diversifikation bei Infrastruktur nicht ­generell ein Allheilmittel sein kann, bestätigt auch Lars Bespolka von IFM Investors. Der Asset Manager im Besitz von 30 ­australischen Pensionsfonds war in britische Gasverteilungsnetze investiert und hält zurzeit unter anderem einen Wasserdienstleister in England, ein US-Elektrizitätsnetz sowie in Deutschland seit 2010 den Netz­betreiber 50Hertz. „Wir mögen ­wegen der besseren Cashflow-Prognosefähigkeit ­Infrastruktur-Assets, die reguliert sind. Es ist aber wichtig, dass man das ­Risikoprofil von regulierter Infrastruktur nicht mit dem ­Sovereign Risk des Staates, in der das Asset gelegen ist, gleichsetzt.“ Bespolka fügt hinzu, dass auch in Ländern mit etabliertem regulatorischen ­Rahmen negative Entwicklungen möglich sind, und verweist als Beispiel auf den britischen Wasser-Regulierer Ofwat und dessen geänderte Sichtweisen auf Methoden und Prozesse. Diese brachten dem Sektor bei manchen Ratingagenturen einen negativen Outlook. 

Dass AAA-Länder per se sicher sind, ist also, wie in ­Norwegen ­gesehen, falsch. Genauso wie der Umkehrschluss, dass ­beispielsweise die bonitätsmäßig weniger gut ­beleumundeten südeuropäischen ­Staaten per se unsicher sind. „Man muss die Hintergründe und die Driver eines Assets erkennen und ob dieses und dessen Regulierung nachhaltig ist“, empfiehlt Lars Bespolka. In ­Spanien war die Regulierung nicht nachhaltig, weil man sie in einem ökonomisch veränderten Umfeld nicht aufrechterhalten konnte. ­Bezüglich der Nachhaltigkeit eines ­Assets bringt es ein anderer Asset Manager auf den Punkt: „Assets, für die eine unelastische Nachfrage besteht, sind mit dem Brutto­sozialprodukt und dessen Entwicklung unkorreliert.“ Dieser Asset Manager bringt noch ein weiteres Argument auf, warum ein AAA nicht mit absoluter Sicherheit gleichgesetzt werden darf, indem er auf den Unterschied zwischen können und wollen verweist: ­„Norwegen kann dank seines Reichtums jede Durchleitungsgebühr begleichen. Wegen seines Reichtums kann es sich Norwegen aber auch leisten, völlig auf ausländisches Kapital zu verzichten beziehungsweise dieses zu verprellen.“

Si tacuisses pecuniosus mansisses
Zur Betrachtung, ob ein Asset und dessen Regulierung nachhaltig ist, gehören natürlich auch Analysen der erzielten Rendite. Diese sei ursprünglich sehr stattlich gewesen. Laut einem Infrastruktur­experten soll ein bekannter Gassled-Investor als Redner auf einer Konferenz mit seinem Stolz auf die Gassled-Transaktion und ­deren Renditen nicht gerade hinterm Berg gehalten haben. Solche Äußerungen ­könnten wiederum in Oslo die Frage aufgeworfen ­haben, ob man die Tarife gegenüber dem norwegischen Steuerzahler ­rechtfertigen kann. In dem Fall hätte man sich wohl besser heimlich freuen sollen.
Gassled zeigt mit Blick auf die Tarif-Festsetzungsrechte des Regulators aber auch, dass die Vertragsgestaltung nicht zu unterschätzen ­ist. „Das wichtigste vor der Unterzeichnung ist – auch in vermeintlich sicheren Ländern –, sich nicht nur auf sein Gefühl zu verlassen, ­sondern sich vertraglich abzusichern“, rät Dr. Barbara Weber von ­B-Capital Partners in Zürich. Bei der Gestaltung des Investments empfiehlt die Infrastrukturexpertin auch, eine Kooperation mit einem lokalen Partner anzustreben. Nach Unterzeichnung ist für Barbara Weber die Kontaktpflege zum Regulator wichtig. „Real Assets sind, anders als ein gut gerateter Bond, (lang-)lebende Investments, die nicht nur technisch gepflegt werden müssen.“ Die ­Kontaktpflege empfiehlt auch IFM Investors. „Es reicht nicht, nach 20 Jahren ­wiederzukommen“, so Bespolka, der ein Beispiel gibt: „In Deutschland hat sich durch die Energiewende die Branche verändert und ­Netze müssen weiterentwickelt werden. Die Zusammenarbeit mit 50Hertz und dem Regulator war sehr hilfreich und konstruktiv.“ ­Abseits des Assets hätte bei Gassled auch der Exit der Explorations­unternehmen – soweit bekannt – zum Aufleuchten der Warnlampe führen müssen. Schließlich muss man die ­Interessen aller Beteiligten verstehen. Prinzipiell ist auch darauf zu achten, dass, wenn die Cashflows austrocknen, zumindest das Asset noch interessant sein muss. Dies sollte trotz gesunkener Renditen bei Gassled der Fall sein.

portfolio institutionell, Ausgabe 2/2014

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