Strategien
3. September 2015

Immer liquide bleiben

Die dauerhaft veränderte Niedrigzinswelt zwingt institutionelle Investoren­ zur Suche nach Fluchtwegen. Inwiefern liquide, alter­native Risikoprämien einen Ausweg darstellen, wurde beim portfolio­ institutionell summit in Hamburg diskutiert.

„Mächtige Kräfte erschüttern und gestalten sie um, unsere Welt. Und die brennende Frage lautet, ob wir den Wandel zu unserem Freund statt zu unserem Feind machen können.“ Eine Antwort auf diese Frage, die Bill Clinton in einer Rede während seiner Amtszeit als US-Präsident aufwarf, müssen nicht nur Politiker, sondern auch institutionelle Investoren finden, die angesichts der Niedrigzinspolitik­ der Notenbanken mit einer gewandelten Finanzwelt konfrontiert sind. Den risikolosen Zins gibt es nicht mehr, dafür das zinslose Risiko. „Wir erreichen unsere Zielrenditen nicht mehr so einfach wie früher. Wir müssen heute mehr Risiko eingehen als noch vor fünf Jahren“, ist sich Eric Quast, Portfoliomanager bei der Signal Iduna­ Asset Management (SIAM), bewusst. In seinem Vortrag auf dem portfolio institu­tionell summit in Hamburg wurde jedoch eines deutlich: Auch innerhalb der Kapitalanlage einer Versicherung versucht man, sich den Wandel zum Freund zu machen und neue Wege zu gehen. Einer ­dieser Wege führte zu liquiden, alternativen Risikoprämien. 

Realität hält nicht, was Manager versprechen

Ausgangspunkt für die Entwicklung der SIAM-RP-Strategie, die auf eine Rendite von Euribor plus 300 Basispunkte pro Jahr bei einer Volatilität von drei bis vier Prozent abzielt, war eine gewisse Unzufriedenheit mit den Kosten für liquide Ucits-Strategien. „Die Versprechen vieler Manager werden in der Realität nicht eingehalten. Hinter dem Alpha ist oftmals etwas verborgen, dass wir als Risikoprämie bezeichnen“, erläuterte Quast, der nach wie vor an die Existenz von Alphas glaubt, auch wenn diese im Laufe der vergangenen Jahre abgenommen hat. Es müsse allerdings fair bezahlt sein. Was oftmals nicht der Fall ist. Quasts Erfahrung nach sind sich die Renditen einer Vielzahl an Strategien, die es im Ucits-Universum gibt, sehr ähnlich. Das führt ihn zu dem Schluss: „Es muss ein alternatives Beta geben. Dafür sind wir nicht bereit, Alpha Fees zu bezahlen.“ In dieselbe Richtung gehen auch die Beobachtungen von Lukas Riesen, Investment-Consultant bei PPCmetrics. In seinem Vortrag merkte er an: „Oft werden ein­fache Risikoprämien als Alpha verkauft. Das Manager-Alpha ist der nicht erklärbare Teil der Rendite, der Rest ist über eine Benchmark ­abbildbar.“ Die Höhe einer Risikoprämie sei im Voraus immer unbekannt. Allerdings verspricht nicht jedes Risiko eine Rendite, warnte Riesen und führte als Beispiel das Konzentrationsrisiko an.

Um dem Auditorium ein besseres Verständnis dafür zu geben, was unter einer Risikoprämien, für die es keine eindeutige Definition gibt, zu fassen ist, versuchte sich der Investment-Consultant dennoch an einer Begriffsbestimmung: „Eine Risikoprämie lässt sich mit einem­ einfachen, systematischen Ansatz verdienen. Es stecken ein­fache Handelsregeln dahinter.“ Die Risikoprämien lassen sich dann noch einmal unterteilen, und zwar in traditionelle und alternative Risiko­prämien. Auf die traditionellen Risikoprämien, zu denen Aktien­markt- und Immobilienrisikoprämien zählen, ging Riesen in seinem Vortrag nicht weiter ein. Er fokussierte sich auf die alternativen­ Risikoprämien­ und deren Bedeutung für institutionelle Investoren. Im Aktienbereich streifte er zunächst die Size-Prämie, die sich aus ­Investitionen in Small Caps gegenüber Large Caps ergibt und deren Existenz für den Consultant außer Frage steht. Schwieriger sei es mit der Value-Prämie. „In den historischen Daten sieht man, dass es ­offenbar eine Risikoprämie ist. Doch jüngere Daten zeigen, dass sich etwas verändert. Ein Teil der Prämie ist eine Flexibilitätsprämie, die allerdings schwer zu vereinnahmen ist“, so Riesen. Kritisch sieht der Consultant auch die Momentum-Prämie: „Ist es eine Prämie oder ­Anomalie? Es fehlt die ökonomische Intuition. Wenn es eine Prämie ist, bin ich zurückhaltend, ob sie langfristig existiert.“

Für den Fixed-Income-Bereich definierte Riesen ebenfalls Risikoprämien, wobei er auch hier Zweifel an der Existenz der ein oder anderen hegt, zum Beispiel an der Laufzeitprämie. „Wenn man 50 bis 80 Jahre zurückblickt, dann gab es diese Prämie in den meisten Märkten. Doch in den vergangenen zehn Jahren hat sich das verändert. Die Prämie könnte derzeit sogar negativ sein, weil es eine enorme Nachfrage nach Langläufern gibt“, erläuterte der PPCmetrics-Berater. Das sei im ALM-Kontext durchaus rational, schüre allerdings Zweifel an der Existenz dieser Prämie. Unzweifelhaft ist für Riesen das Vor­handensein der Kreditrisikoprämie. Ihm stellt sich nur die Frage, „ob diese Prämie adäquat entschädigt wird“. Zudem warnte er vor der ­hohen Korrelation mit dem Aktienrisiko. Vorsicht geboten ist aus seiner Sicht auch bei der FX-Carry-Prämie, bei der durch Investitionen in Währungen mit hohen Zinssätzen im Vergleich zu Währungen mit tiefen Zinssätzen eine Zusatzrendite erwirtschaftet werden soll: ­„Bereits kleine Ereignisse können alles zerschlagen.“ Zu guter Letzt brachte der Consultant die Illiquiditäts- und Volatilitätsprämie zur Sprache. Ökonomisch lassen sich beide erklären, wenngleich die Illiquiditätsprämie schwer nachweisbar ist. Anders steht es mit der Volatilitätsprämie. Diese steht laut Riesen in Abhängigkeit vom ökonomischen Umfeld und weist somit eine gewisse Persistenz auf: „Das ist ein klassisches Versicherungsthema. Die Renditeverteilung bei Volatilität war stark linksschief. Das bedeutet, dass die Auszahlungsmuster dem eines­ Versicherungsgebers entspricht.“ Und tatsächlich ist die Volatilitäts­prämie eine alternative Risikoprämie, die die SIAM für sich als attraktiv identifiziert hat. Umgesetzt über eine Short-Strangle-Strategie vereinnahmt die SIAM den Spread zwischen impliziter und realer Volatilität. Das Risiko ist laut Quast handelbar: „Wir vereinnahmen die Prämie, sind aber durch aus dem Geld liegende Optionen abgesichert.“­

Effektiv, schnell und simpel
Neben der Volatilitätsprämie hat die SIAM vier weitere alternative, liquide Risikoprämien identifiziert, die man abzugreifen versucht. Quast ist sich dabei bewusst: „Nicht jede Risikoprämie hält ewig, sie kann zusammenbrechen.“ Die Risikoprämien, die für das Portfolio des Versicherungskonzerns infrage kommen, sollten allerdings ­zumindest über die nächsten sechs bis zwölf Monate in der Erwartungshaltung stabil und nachhaltig sein. „Wir müssen ökonomisch entschädigt werden“, führte Quast als weiteres wesentliches Element an. Bei der Umsetzung seiner Strategie hat der SIAM-Portfoliomanager­ stets im Hinterkopf, dass die Renditen asymmetrisch verteilt sind. ­Positive Ereignisse seien häufiger als negative, aber in einer engen Bandbreite – und vice versa. „Wir wollen eine marktneutrale Umsetzung. Das ist ein weiterer wichtiger Faktor. Dabei gehen wir sehr hemdsärmelig vor. Unser Prinzip ist: effektiv, schnell und simpel“, erläuterte er. Für die Vereinnahmung der Size-Prämie, die die SIAM als Liquiditätsprämie definiert, wird beispielsweise ein Small-Cap-Index gekauft und ein Large-Cap-Index verkauft. Ähnlich ist die Vorgehensweise bei den drei anderen Risikoprämien, die Quast seit Juni 2013 in seiner Strategie umsetzt: Merger Arbitrage, Low Risk und Credit. „Wir wollten eine Strategie, die das Potenzial hat, liquide Ucits-Strategien zu ersetzen. Wir sind dabei immer voll investiert“, fügte er hinzu. Die Gewichtung der Risikoprämien erfolge risikoparitätisch. Über die vergangenen zwei Jahre erzielte die Strategie annualisiert etwas über vier Prozent bei einem Risiko von 2,8 Prozent und einer Sharpe Ratio von 1,6. Die von Quast gemanagte­ Strategie spielt innerhalb der liquiden alternativen Anlagen des Versicherungsportfolios bislang eine­ untergeordnete Rolle. Er ist aber überzeugt, dass sich dies bald ändert. Man müsse eine solche Strategie jedoch immer im Portfoliokontext betrachten. „Wenn man es gut umsetzt, ist es ein berechtigter Baustein innerhalb der liquiden alternativen Assets. Es ist kein ­Allheilmittel, hilft aber dabei, unsere Anforderungen zu erfüllen“, so Quast.

  

Wie wichtig der Blick auf das Gesamtportfolio ist, betonte auch Riesen in seinem Vortrag: „Man muss aus strategischer Sicht über­legen, was sich hinter einer Risikoprämie verbirgt. Vielleicht hat man diese schon irgendwo im Portfolio, ohne sich dessen bewusst zu sein.“ Zu bedenken sei zudem, dass eine Anlageklasse nicht nur aus einer Risikoprämie besteht. Als Beispiel führte der Investment-Consultant Senior Secured Loans an, denen er eine Faktorexposition zu Credit und Illiquidität bescheinigt. Der Markt für diese nicht an der Börse gehandelten Kredite habe zuletzt deutlich zugelegt und es gebe einen echten Sekundärmarkt. Dennoch ist Riesen skeptisch, ob der Markt noch funktioniert, wenn es zu Stressszenarien kommt. Dass der Markt für Senior Secured Loans deutlich zugelegt hat, machte auch Dennis Tian, Portfoliomanager bei BNP Paribas Investment Partners, in seinem Vortrag deutlich. Mit 1,9 Billionen US-Dollar sei der US-Corporate-Loans-Market Ende 2014 deutlich größer gewesen als der US-High-Yield-Markt (1,4 Billionen US-Dollar). Ganz so klar fällt der Unterschied in Europa nicht aus. Dennoch ist auch auf dem alten Kontinent der Loans-Markt mit 423 Milliarden Euro größer als der High-Yield-Markt (417 Milliarden Euro). „Senior Secured Loans sind der klassische Weg zur Finanzierung von Unternehmen. Es ist eigentlich ein Bankprodukt. Weil diese mit Blick auf Basel III zunehmend unter Druck geraten, bieten sich hier für andere Investoren Opportunitäten“, so Tian. Bei den Ratings müssen institutionelle Investoren jedoch Abstriche machen. „Im Bereich von BB und besser sind nur die Banken zu finden. Institutionelle­ Manager wie wir sind im Sub-­Investment-Grade- oder Non-Investment-Grade-Bereich unterwegs“, ­erklärte Tian. Doch auch hier seien interessante Namen zu finden. Beispielhaft nannte er Dell, Kabel Deutschland, Heinz und Ziggo.

Als Vorteil dieser Asset-Klasse wies Tian auf die als Underlying ­fixierten Assets und den Senior-Status des Investors hin: „Bei einem Ausfall steht man weit oben in der Bedienungskette.“ Die Wahrscheinlichkeit eines Ausfalls stufte er jedoch als relativ gering ein. Seit 1995 betrug die Default-Rate in den USA im Schnitt 2,8 Prozent, in Europa seit 2003 durchschnittlich 6,6 Prozent. Für 2015/2016 liegt die erwartete Ausfallrate in den USA bei ein bis drei Prozent, in Europa bei zwei bis vier Prozent. Nicht außer Acht lassen sollte man allerdings, dass es immer wieder Ausreißer nach oben gab. In den USA waren 2001, 2002 und 2009 solche Jahre – mit sieben, acht und zehn Prozent. In Europa fallen 2001 und 2002 ins Auge, als die Default-Rate jeweils über 15 Prozent lag. Senior Secured Loans sind trotz Senior-Status und der Unterlegung mit Assets eine riskante Asset-Klasse und sollten nicht als sichere Anlage missverstanden werden. Dem Risiko stehen jedoch durchaus verlockende Renditeaussichten gegenüber. Für Europa nannte Tian Euribor plus 375 bis 475 Basispunkte, für die USA Libor plus 350 bis 450 Basispunkte. Attraktiv dürfte für manchen  Investor auch die variable Verzinsung sein. „Das bietet einen Schutz gegen das Inflations- und Zinsänderungsrisiko“, erklärte Tian.

Zweifel am sicheren Hafen
Mit Renditen wie Senior Secured Loans können europäische Unter­nehmensanleihen im Bereich Investment Grade nicht aufwarten. Dennoch besticht diese Asset-Klasse nach Ansicht von Auke ­Koopal, Manager bei T. Rowe Price, mit einem attraktiven Rendite-­Risiko-Verhältnis. In seinem Vortrag warf er zunächst die Frage auf: „Deutsche Bundesanleihen gelten als sicherer Hafen. Aber wieso?“ Mit Blick auf die Preisbildung ergibt sich für ihn ein ganz anderes Bild. „Seit 2009 ist das Pricing von Bunds volatiler als das von euro­päischen Corporate Bonds. Gleichzeitig liegt die Rendite mit mehr als drei Prozent deutlich über dem Niveau der Bundesanleihen“, so ­Koopal. Sein Schluss: „Das Risiko-Rendite-Profil macht europäische Corporate Bonds im Investment-Grade-Bereich attraktiv.“ Völlig wahllos sollten die Titel jedoch nicht ins Portfolio aufgenommen werden. Es besteht ein Downside-Risiko, das es zu limitieren gilt. T. Rowe ­Price greift für die Titelselektion auf das fundamentale Research seines hausinternen Analystenteams zurück und erstellt ein eigenes Rating. „Wir verlassen uns nicht auf Rating-Agenturen“, so Koopal. Bei der Zusammenstellung des Portfolios spielt neben dem Rating auch die Liquidität eine­ entscheidende Rolle. „Wir wollen ein liquides Portfolio.“ Der Illiquiditätsprämie kommt als Renditetreiber in dem Europe Corporate Bonds Composite von T. Rowe Price also nur eine untergeordnete Rolle­ zu. Seit Auflegung vor zehn Jahren hat der ­Composite netto jährlich gut 5,1 Prozent erzielt – bei einer Volatilität von rund drei Prozent. Mit Blick auf diese Zahlen resümierte Koopal: „Unser Portfolio hat das gleiche Risikoprofil wie fünf- bis sieben­jährige deutsche Staatsanleihen, aber liefert eine höhere Rendite. ­Euro Corporate Bonds sind ein attraktives Investment.

Von Kerstin Bendix

portfolio institutionell, Ausgabe 8/2015

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