Alternative Anlagen
13. Mai 2016

Infrastruktur im Strukturwandel

Wie sich Strategien und Umsetzungen bei Infrastrukturinvestments von internationalen Investoren entwickeln, zeigte eine große Infrastrukturkonferenz in Berlin. Viele Investoren schätzen Co- und Direktinvestments, passend strukturierte Fondsangebote über­zeugen deutsche Investoren aber auch.

„Vor 20 Jahren war Infrastruktur ein als ziemlich riskant ange­sehener Nischenmarkt. Heute wird eine Vielzahl an Deals abge­schlossen und Infrastruktur gilt als sichere Asset-Klasse“, erklärte Link­laters-Partner Ian Andrews Mitte März auf der Infrastruktur­konferenz von PEI in Berlin, die einen breiten Überblick über das internationale­ Infrastrukturgeschehen gab. Für Andrews Geschmack sind es bei Brownfields sogar schon zu viele Deals. Die Deal-Frequenz ­dürfte auch nicht so schnell abflauen. „Infrastruktur gewinnt in einer ­un­sicheren Welt an Attraktivität“, so Ian Andrews. Über attraktive Deals und passende Umsetzungen wurde in Berlin, wo sich Asset ­Manager auf der Bühne die Mikrofone und Investoren in den Meeting Rooms die Klinke in die Hand gaben, intensiv diskutiert.

Die insgesamt optimistische Stimmung wurde nur durch wenige Faktoren gestört: durch die erwähnte Anzahl der Deals, durch ­mög­liche demografische Unwägbarkeiten und durch „Disruption“. Das Modewort aus dem Silicon Valley hat nun sogar Infrastruktur-­Assets erreicht. EQT, das Beteiligungsunternehmen mit schwedischen Wurzeln, hat auf diese Gefahr bereits reagiert und des Digitalen mächtige Experten zu Partnern promoviert. „Sie sollen für EQT nach technologischen Opportunitäten Ausschau halten, nach Disruption-Potenzial in unserem eigenen Unternehmen forschen und – am ­wichtigsten – alle unsere Portfoliounternehmen in dieser Hinsicht ­abklopfen“, ­erläutert EQT-Partner Andreas Huber. „Disruptions sind eine Bedrohung, aber noch viel mehr eine Chance“, fügte Huber mit Optimismus hinzu.
 
Megawatt zu Mega-Euros
Weitere Chancen verordneten die Diskutanten ansonsten in ­verschiedenen Infrastruktursegmenten, insbesondere im Energie­sektor. Wo Megawatt in Mega-Euros gewandelt werden sollen, besteht vor allem ein Risiko: in der Politik. Dieses Risiko geht jedoch zurück, meint Werner von Guionneau, CEO von Infrared Capital Partners: „Die Gefahr, dass es zu Stromausfällen kommt, reduziert den politischen Faktor.“ Die Blackout-Bedrohung resultiert in einem großen Maß aus den Erneuerbaren Energien, deren Volatilität die ­Netzstabilität gefährdet. Insbesondere bei Energiespeichern sieht von Guionneau darum für die nächsten zehn bis 20 Jahre Opportunitäten. „Batterien bringen Dynamik in den Markt“, assistiert Roger Ammoun, Partner beim Chicagoer­ Alternatives-Spezialisten GCM Grosvenor.

Zudem stellte Tobias Reichmuth von Susi Partners auf der ­Konferenz das Thema Energy Storage vor (siehe hierzu auch portfolio institutionell, März 2016, Seiten 26 ff.). Während Susi Partners dabei auf Batterien setzt, ist Aquila mehr von Wasserkraft als Speicher ­überzeugt. „Je mehr Photovoltaik und Windkraft, desto mehr braucht es ­Hydropower zur Netzstabilisierung“, meint Oldrik Verloop von ­Aquila Capital. ­Allerdings ist es bei Wasserkraft schwierig, Investments zu finden. „LPs wollen eine Pipeline und keine Dreamline ­sehen“, wirbt Verloop für ein Aquila-Produkt. Eine interessante ­Zugangsmöglichkeit: ­„Versorger ­brauchen einen starken Finanz­partner“, so Oldrik Verloop.

Eine andere Investmentchance baut ebenfalls auf Wasser. ­„Offshore ist ein Wachstumssektor. Wenn ein Deal richtig strukturiert ist, besteht die Chance, dass institutionelle Investoren Fremdkapital beisteuern“, berichtet Scott Dickens von HSBC. Der Global Co-Head verweist dabei insbesondere auf verbesserte Ratings. Wer sich ver­gangenes Jahr aufs Wasser gewagt hat, ist die Talanx – allerdings in Eigen­regie. Als Konsortialführer einer Gruppe institutioneller ­Anleger koordinierte der Versicherer eine Anleihe im Volumen von 556 ­Millionen Euro zur Finanzierung des Offshore-Windparks Gode Wind 1. Selbst steuerte die Talanx zu dem Deal 311 Millionen Euro bei. Die ­Anleihe hat eine Laufzeit von zehn Jahren. Erstmals finanzierte damit laut der Talanx ein institutionelles Konsortium unter Führung eines Versicherers ein Offshore-Windenergie-Projekt. Insgesamt hat die Talanx 2015 etwa 647 Millionen Euro in Infrastruktur investiert. ­Neben Gode Wind 1 trat der Versicherungskonzern 2015 auch auf der Eigenkapitalseite bei zwei französischen und einem deutschen Windpark als Investor auf. Im vergangenen Jahr flossen auch 52,7 ­Millionen Euro in ein portugiesisches Wasserversorgungsprojekt. Zudem hat sich die Talanx als Co-Investor mit einem Volumen von rund 73 ­Millionen Euro­ an Neubau, Renovierung und Betrieb von sieben ­Gerichtsgebäuden in Irland beteiligt.

Entwicklungsrisiken in Norwegen
Appetit auf Infrastruktur verspürte die Talanx auch im ersten Quartal dieses Jahres. So wurden unter anderem 125 Millionen Euro in einen an der norwegischen Küste gelegenen Windpark sowie 54 Millionen Euro in den deutschen Windpark Parchim/Rehain und 44,1 Millionen Euro (davon rund zehn Millionen als Fremdkapital) in den deutschen Windpark Ludwigsau investiert. In Norwegen investiert die Talanx über ein Konsortium gemeinsam mit den berufsständischen Versorgungswerken der Architekten in Baden-Württemberg und dem der Wirtschaftsprüfer sowie einem finnischen Pensionsfonds – und geht dabei auch Entwicklungsrisiken ein. „Der Windpark befindet sich derzeit im Bau. Es ist geplant, den ersten Teilabschnitt 2018 in Betrieb zu nehmen“, teilt die Projektleiterin Dr. Cora Voigt von Talanx Asset Management mit. „Die installierte Kapazität beträgt 1.000 ­Megawatt. Angeführt wird das Konsortium, das 40 Prozent an Fosen Vind erworben hat, von Credit Suisse Energy Infrastructure Partners, Joint Venture Partner ist der Mehrheitsinvestor Statkraft AS. Bis zum Jahr 2017 will die Talanx das in Infrastruktur investierte Volumen, das derzeit nahezu 1,3 Milliarden Euro umfasst, auf circa zwei Milliarden Euro ausdehnen. Dr. Immo Querner ist zuversichtlich, dass dies gelingt. „Wir haben uns in den vergangenen Jahren ein gutes Netzwerk aufgebaut, so dass auch Folgeprojekte an uns ­herangetragen werden“, erklärte der Finanzvorstand auf der Bilanzpressekonferenz.

Zurück nach Berlin und von Energie zur sozialen Infrastruktur, genauer gesagt zur Krankenversorgung. „Krankenhäuser sind interessant“, so Wim Blaasse. Für mindestens genauso interessant hält der Managing Partner der Fondsgesellschaft DIF eine relativ neue Investmentmöglichkeit: spezialisierte Behandlungszentren beispielsweise für Krebs. „Das war bislang mehr ein Real-Estate-Investment, könnte sich nun aber mehr in Richtung PPP bewegen.“ Für Deutschland sieht Andreas Huber hierfür eine „regulierte Kombination aus Real Estate und Übernahme des Betreibers. Von Guionneau sieht diese ­Assets mehr in der Ecke Betreiberübernahme: „Was bei Hotels bereits zu beobachten war, beginnt nun im Gesundheitswesen.“ Je nach ­Ausgestaltung entstehen unterschiedliche Risikoprofile.

Möglicherweise werden Infrastrukturinvestoren den Rahmen­bedingungen aber mehr gerecht, wenn weniger über Segmente, ­sondern mehr über Strategien nachgedacht wird. „Das traditionelle Modell mit Bonds und ein bisschen risk-on und -off ist vorbei“, ­referiert Hermes-CEO Saker Nusseibeh, der dieser Entwicklung auch etwas Positives abgewinnen kann: „Wir leben in interessanten ­Zeiten.“ Sein Ratschlag: Langfristig investieren und Wachstumsstrategien ­suchen. Renditen sollten nicht mehr auf Jahresbasis, sondern über Zyklen gesucht werden. Dies passt besonders zu Infrastruktur, da ­gerade in dieser Asset-Klasse Volatilität kein Risiko ist. Außerdem wird nach Ansicht von Nusseibeh bei Infrastruktur zu einseitig das für ein ALM passende Profil gesucht. „Growth- und Build-Strategien sind bei Infrastruktur auch möglich.“ Hermes wurde als interner ­Manager für den Pensionsfonds der British Telecom gegründet und geht nun auch bei Infrastruktur den Weg vieler australischer Pen­sionsfonds ins Infrastruktur-Drittgeschäft. 

Vom Betreiber zum Manager
Über den Status Gedankenspiele bei growth und build hinaus sind der Canadian Pension Plan und der Future Fund, Australiens ­Sovereign Wealth Fund. „Vor zehn Jahren konnte man Infrastruktur noch kaufen und betreiben. Heute muss man Infrastruktur managen“, so Neil King vom kanadischen Pensionsplan. Wendy Norris, Head of Infrastructure and Timberland beim Future Fund, erklärt: „Bei Infrastruktur suchen wir weltweit die besten Risk-Return-Profile. Darum haben wir das Core-Segment, in dem die Renditen stark ­geschrumpft sind, hinter uns gelassen.“ Bei PGGM, einem weiteren Global Player unter den Investoren, ist man dagegen dem Core-Segment verbunden – möglicherweise nicht ganz freiwillig. „Unsere ­Pensionsfondskunden investieren auch in Private Equity und ­wünschen eine klare Trennung. Also fokussieren wir uns auf Core-­Infrastruktur“, so Henk Huizing.

Auf einer Welle liegt man aber bei Einsparungsmöglichkeiten bei Fondsgebühren. „Wir wollen stabile Renditen und dafür sind Fonds nicht ideal“, so PGGM-Mann Huizing mit Blick auf Capital Calls und den Rückgang bei den investierten Geldern am Ende der Fondslaufzeit. Die Holländer investieren darum mit Ausnahme von China und Indien nur noch direkt. Kosten fallen dafür intern an. Bei PGGM kümmern sich 25 Mitarbeiter um Infrastruktur, acht hält Huizing für das Minimum für Directs. Die meisten Mitarbeiter hat PGGM bei Banken gefunden. Aber auch wenn über Fonds investiert wird, sei ein internes Team nötig. Huizing: „Kleinere Investoren haben nur die Wahl, über Fonds zu investieren. Aber auch dann muss intern ein Team ­aufgebaut werden. Ansonsten muss man sich von Infrastruktur fernhalten.“ Der Future Fund, dessen Assets sich auf etwa 81 ­Milliarden Euro belaufen, möchte seine Fondsgebühren zumindest so effizient wie möglich ­investieren. Norris: „Wir investieren nur in wenige Fonds und nur wenn Co-Investments zusammen mit dem Asset Manager möglich sind.“ Für diesen „hybrid approach“ benötigt der Zukunftsfonds sechs Mitarbeiter mit Transaktionsfähigkeiten. Wendy Norris betont zudem die Bedeutung von zügigen Entscheidungsprozessen.

Mögliche, in Berlin nicht genannte, Nachteile von „Cos“ sind Klumpenrisiken, „Broken Deal Costs“ und die Gefahr der negativen ­Selektion. Sofern Co-Investments angeboten werden, sollten es ausschließlich Investments sein, die die Anlagegrenzen des Fonds überschreiten. Häufig werden die besonders großen Assets aber im Zuge von (teuren) Auktionen erworben. Huizing hat zum Ende der Diskussion noch einen Ratschlag: „Wer heute mit Infrastruktur starten ­möchte, sollte mit Blick auf die Bewertungen vielleicht besser noch warten.“ Moderiert wurde die Runde von Matthias Reicherter von ­Golding Capital. Mit dem Closing eines Infrastruktur-Dachfonds in Höhe von 590 Millionen Euro gab Golding im vergangenen Jahr aber auch ein Beispiel, dass klassische Beteiligungsformen gerade in Deutschland attraktiv sind. Viele Commitments gewinnt Golding aber mittlerweile in Form von individuellen Beteiligungsprogrammen. In einem solchen Managed Account verwaltet Golding zum Beispiel 175 Millionen Euro für die Nordrheinische Ärzteversorgung.

Ein wichtiger Aspekt sind Investmentgrößen und Directs auch in Großbritannien. Dort offeriert die Pension Infrastructure Platform (Pip) nun Pensionsfonds mit allen Commitment-Größen mittels ­eines Multi-Strategy-Fonds die Möglichkeit, direkt in britische Infrastruktur zu investieren. Für größere Investoren bestehen aber auch ­Co-­Investment-Programme. Pip ist eine von UK-Pensionsfonds in ­Eigenregie erstellte Investmentplattform.

Bezüglich Umsetzungen offeriert First State ein Produkt, das ­offenbar besonders viele Investoren aus Deutschland anspricht und auch dem von PGGM thematisierten Aspekt der stabilen Renditen entspricht. Im Unterschied zum klassischen Beteiligungsmodell legt First State Serien auf, für die der Fondsmanager mit australischen Wurzeln jeweils neu ins Fundraising geht. Die Investoren der neuen Serie sind dann auch am für die vorhergehenden Serien aufgebauten Portfolio beteiligt – und zwar zum bestehenden Nettoinventarwert, um Verwässerungen der Altkunden zu vermeiden. „Damit reduziert sich von Serie zu Serie das Blindpool-Risiko für Neukunden. Altkunden profitieren von der sich vergrößernden Asset-Diversifikation“, nennt David Gaschik von First State zwei Vorteile. „Vetorechte“ gegenüber Neukunden haben die Altinvestoren nicht. Strukturell handelt es sich um einen Closed End Fund, bei dem am Ende der Laufzeit ­Verlängerungsoptionen für die Investoren bestehen. Implizit gehen General und Limited Partner davon aus, dass der Fonds verlängert wird und es von ­einzelnen Limited Partnern abgesehen, wie zum ­Beispiel Dachfonds, keinen Exit gibt. Für einen Exit gibt die Rendite auch keinen Anlass. Der Return war bislang zweistellig und die Cash Yield notiert bei über fünf ­Prozent. Laut David Gaschik haben sich an dem Fonds 24 deutsche Investoren beteiligt, die damit insgesamt 40 ­Prozent des Fondsvolumens ­beisteuern. Wie geplant wurde der Fonds bei einem Volumen von zwei Milliarden Euro Anfang 2015 ­geschlossen. Derzeit legt First ­State den Nachfolgefonds auf.

Ebenfalls nach Gusto deutscher Investoren ist Infrastructure Debt, ein Segment, in dem Infrastrukturfonds vom Rückzug der Banken profitieren. Unterwegs bei Risky Debt ist AMP Capital – zusammen mit zwei Versicherern und drei Versorgungswerken aus Deutschland. Der Ansatz von AMP ist, sich auf das Sourcen und Strukturieren zu konzentrieren. Zur Strukturierung zählen beispielsweise Absicherungen und Vereinbarungen, notfalls ins Eigenkapital gehen zu können. Dies sei bislang aber noch nicht nötig gewesen, so dass die Cash Yield gleich der IRR ist, da die Rendite ausschließlich aus den Kupons stammt. Ziel sind zehn Prozent per annum. „Unsere deutschen ­Investoren schätzen unsere sorgfältige Strukturierung und die attraktive­ Cash Yield“, so Emma Haight-Cheng. Eine weitere deutsche Versicherung arbeitet für ein Investment derzeit an einer Verbriefung, für die ein Investment Grade vergeben werden kann. Ohne ein solches Rating beträgt die Eigenmittelunterlegung 16 Prozent.

Von Patrick Eisele

portfolio institutionell, Ausgabe 04/2016

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