Alternative Anlagen
17. Februar 2015

Infrastrukturfinanzierung: Neue Denkmuster und Rahmenbedingungen erforderlich

Der schlechte Zustand der Infrastruktur in Deutschland ist ein in den vergangenen Jahren zunehmend diskutiertes Thema. Um die ­Infrastrukturqualität und damit auch die Basis des Wirtschaftsstandorts Deutschland zu sichern, ist es erforderlich, in der Infrastrukturfinanzierung neue Wege zu beschreiten. Gastbeitrag von Thomas Kling und Jens Kleine.

Thomas Kling ist Leiter Kreditgeschäft der Deka-Bank
Prof. Dr. Jens Kleine ist Inhaber des Lehrstuhls für Finanzdienstleistungen an der Steinbeis-Hochschule Berlin
Der schlechte Zustand der Infrastruktur in Deutschland ist ein in den vergangenen Jahren zunehmend diskutiertes Thema. Um die ­Infrastrukturqualität und damit auch die Basis des Wirtschaftsstandorts Deutschland zu sichern, ist es erforderlich, in der Infrastrukturfinanzierung neue Wege zu beschreiten. In diesem Zusammenhang wurde die Studie „Infrastrukturfinanzierung: Einbindungsmöglichkeiten privaten Kapitals in Deutschland“ erstellt. Die Untersuchung wurde zwischen Mai und Ende September 2014 durchgeführt und basiert auf 16 Experteninterviews sowie einer bevölkerungsrepräsentativen Befragung sowie Sekundärdaten.

Die rückläufigen finanziellen Möglichkeiten im Staats­haushalt in Verbindung mit der Sparpolitik haben zu einem erheblichen ­Investitionsstau in Deutschland geführt. Dies hat einen Verfall der Infrastruktur zur Folge. Gegenwärtig sind rund 20 Prozent des ­Autobahnnetzes sowie 40 Prozent der Brücken in Deutschland ­sanierungsbedürftig. Allein in der Straßeninfrastruktur liegt der ­Investitionsbedarf in den nächsten zehn Jahren bei kumuliert 162 ­Milliarden Euro. Daneben besteht auch bei Kommunikations- und Stromnetzen signifikanter Investitionsbedarf, um eine funktions­fähige Infrastruktur zu sichern. Diese ist aktuell nur noch bedingt vorhanden und kann innerhalb der bestehenden Finanzierungs­strukturen auch nicht sichergestellt werden.

Eine verstärkte Ein­bindung ­privater Unternehmen kann ­helfen, den Investitionsstau zu lösen. Hierfür ist es jedoch von zentraler­ ­Bedeutung, ent­sprechende Rahmenbedingungen zu schaffen. Diese­ sind beispielsweise derzeit noch in zahlreichen unterschied­lichen ­Gesetzen geregelt, was die Komplexität e­rhöht. ­Zudem tragen die Rahmenbedingungen den ­Anforderungen der ­privaten Unter­nehmen und Kapitalgeber nur unzureichend ­Rechnung. Ebenso­wenig existiert ein zentrales ­Kompetenzzentrum beziehungsweise ­eine ­Koordinierungsstelle zur Abwicklung der Transaktionen.

Risikoverteilung als wesentliches Hemmnis für eine stärkere Beteiligung privater Investoren
Trotz der Weiterentwicklungspotenziale bei den rechtlichen ­Rahmenbedingungen existieren in Deutschland bereits heute ­zahl­reiche Möglichkeiten zur Einbindung der Privatwirtschaft in die ­Finanzierung von Infrastrukturprojekten. Diese unterscheiden sich je nach Projektart und geben gewisse Rahmenbedingungen vor, ­welche auch die Risikoverteilung bestimmen. In Abhängigkeit davon, ob es sich um ein Verfügbarkeits- oder Marktmodell handelt, bergen innerhalb des Lebenszyklus entweder speziell die Planungs- und ­Bauphase oder aber die lange und Marktrisiken unterworfene Betriebsphase hohe­ Risiken für die Investoren (Abbildung 1).

Daneben sind sektorspezifische Risiken von Bedeutung, ­welche häufig auch in Zusammenhang mit der Modellauswahl stehen. Die mit dem Projekt verbundenen Risiken werden zwischen dem ­öffentlichen und dem privaten Partner geteilt. In der Regel behält der öffentliche Partner vor allem externe Risiken, wie Genehmigungs- und Inflationsrisiken, zurück, wohingegen der private Partner überwiegend die wirtschaftlichen Risiken (Bau-, Planungs-, Zinsrisiko et cetera) der Investition trägt.

Praxisbeispiele und hohe Zufriedenheit der Beteiligten als ­Indikator für Potenziale privater Beteiligung
Die durch Öffentlich-Private-Partnerschaften (ÖPP) entstehenden Möglichkeiten werden von einer Reihe erfolgreich ­durchgeführter Praxisbeispiele belegt. So wurden in Deutschland bereits zahl­reiche Projekte erfolgreich realisiert. In den vergangenen zehn ­Jahren wurden Hochbau- und Verkehrsprojekte mit einem Gesamt­investitionsvolumen von rund acht Milliarden Euro durch­geführt. Die ­meisten der Projekte konnten dabei als Erfolg gewertet werden. ­Allerdings existieren auch einige Negativbeispiele. Bei diesen kam es ­beispielsweise aufgrund einer Ausschreibung des Projektes ­ohne ­endgültig definierte Rahmenbedingungen zu deutlichen Kosten­steigerungen. Insgesamt ist die Zufriedenheit mit ÖPP-Projekten bei den Befragten jedoch groß. Dies resultiert vor allem aus der vorhandenen Planungssicherheit, der Kostentransparenz sowie der schnellen Realisierung der ÖPP-Projekte.

Bevölkerung steht stärkerer Einbindung privater Investoren positiv­ gegenüber, Investoren haben Interesse an Infrastruktur
Auch die deutsche Bevölkerung steht einer verstärkten ­Einbindung privater Investoren, anders als vielfach unterstellt, positiv ­gegenüber. Rund 65 Prozent befürchten durch rückläufige Investitionen des ­Staates negative Auswirkungen auf die bestehende Infrastruktur. Um diesen Entwicklungen entgegenzuwirken, werden ­Partnerschaften aus privaten Unternehmen und dem Staat von der Mehrheit als die beste Lösung für den Betrieb der Infrastruktur angesehen. Neben den Bürgern und in der Vergangenheit an ÖPP-Projekten Beteiligten sind auch die institutionellen Investoren an Infrastruktur interessiert. ­Insbesondere der Inflationsschutz, die Chance, stabile Cashflows zu vereinnahmen, sowie die Diversifikationsmöglichkeiten machen diese­ Asset-Klasse für institutionelle Investoren interessant.

Effizienzvorteile durch Einbindung privaten Know-hows und Kapitals schaffen volkswirtschaftlichen Mehrwert
Aus volkswirtschaftlicher Sicht ist eine verstärkte Ein­bindung ­privater Unternehmen und Kapitalgeber im vielschichtigen ­Infrastrukturbereich ebenfalls erstrebenswert. Dies liegt vor allem an den mit den ÖPP-Projekten verbundenen ­Effizienzvorteilen. Der Staat genießt einzig in den Finanzierungskonditionen Vorteile. Diese ­verlieren jedoch vor dem Hintergrund der Schuldenbremse und dem hohen Investitionsbedarf an Bedeutung. Im Durchschnitt belaufen sich die Effizienzvorteile durch die ­Einbindung privater Partner im Rahmen Öffentlich-Privater-Partnerschaften bei Hochbau­projekten auf 13 Prozent und bei Verkehrsinfrastruktur auf acht Prozent (­siehe Abbildung 2).

ÖPP-Projekte tragen somit deutlich dazu bei, die Effizienz zu steigern. Gleichzeitig helfen sie dabei, den Staat finanziell zu entlasten. Durch die bestehenden Effizienzvorteile könnten bei gleichem Investitions­volumen und bei einer stärkeren Einbindung privater Unter­nehmen und Kapitalgeber innerhalb von fünf Jahren fast 200 Kilometer mehr ­Autobahn beziehungsweise 650 neue Schulgebäude entstehen.

Wesentliche Hemmnisse für stärkere Einbindung privater ­Unternehmen und Investoren können vielfach abgebaut werden
Um die Investitionsbereitschaft für ÖPP-Projekte seitens der ­privaten Unternehmen und Kapitalgeber zu steigern, bedarf es ­jedoch der Weiterentwicklung der Rahmenbedingungen. Denn in der ­Gegenwart ist die Einbindung privater Unternehmen noch stark ausbaufähig. Die Hauptprobleme liegen dabei im Mangel an politischer und ­öffentlicher Unterstützung sowie fehlenden konkurrenzfähigen ­Angeboten zur Privatfinanzierung.

Um diese Hemmnisse abzubauen, ist es erforderlich, Voraus­setzungen für die Privatfinanzierung zu entwickeln, Strukturen für die Marktentwicklung zu schaffen und durch die Festlegung von ­Rahmenbedingungen und deren entsprechender Weiterentwicklung die Zukunft zu sichern. Um eine langfristige Planungs- und ­Rechtssicherheit zu ­gewährleisten, sollten beispielsweise die ­Rahmenbedingungen des Projekts bereits bei der Ausschreibung für die gesamte Projekt­dauer fixiert werden.

Darüber hinaus werden die privaten Partner verpflichtet, die relevanten Maßnahmen zur Anpassung an veränderte Rahmen­bedingungen gegen eine Incentivierung zu übernehmen. Zur ­Schaffung ­einer ­fairen Risikoverteilung sollte derjenige Partner, der ein ­Risiko ­beeinflusst, auch für dieses in der Verantwortung stehen. Daneben ­müssen ­regulatorische Anreize für die ­Investoren ­geschaffen werden. Dies ­beinhaltet insbesondere auch die ­Entwicklung von ­Maßnahmen, die Investitionen in der Bau- und ­Planungsphase mit ­akzeptablen ­Risiken sowie einer entsprechenden anschließenden Finanzierungsüber­nahme ermöglichen. Zudem muss die ­Rechts­sicherheit sowie die langfristige Stabilität des Investments bei regulatorischen Eingriffen garantiert werden.

Fazit
Die Einbindung privater Kapitalgeber bietet eine gute ­Möglichkeit, die Infrastruktur in Deutschland entgegen dem aktuellen Trend  zu ­erhalten oder sogar auszubauen. Jedoch müssen ­zunächst ­entsprechende rechtliche Rahmenbedingungen geschaffen werden, um die Beteiligungsbereitschaft privater Unter­nehmen und ­Kapitalgeber zu steigern. Die Bevölkerung, aber auch die Projekt­beteiligten stehen entsprechenden ÖPP äußerst positiv gegenüber.­ Investoren haben großes Interesse an Infrastrukturinvestments. ­Allerdings bedarf es für zunehmende Investitionen sowohl ­einer deutlichen Ausweitung des Angebots an Assets als auch regula­torischer Anreize.

portfolio institutionell, Ausgabe 1/2015

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