Traditionelle Anlagen
12. September 2012

INTERVIEW: „Marktindizes sind eine Art natürliche Referenz für Anleger“

Das Edhec-Risk Institute hat Investoren befragt, welche Erfahrungen sie mit Indizes gemacht haben und was sie von ihnen erwarten. portfolio sprach mit Felix Goltz, Head of Applied Research am Edhec-Risk Institute, über wichtige Ergebnisse der Umfrage, alternative Indexkonzepte und die Rolle darauf basierender Anlageprodukte.

Herr Goltz, was waren die wichtigsten Ziele Ihrer Index-Umfragen?
Felix Goltz: Interessant erschien uns vor allem die Frage nach den Ansprüchen der Nutzer an Indizes. Angesichts des immer größer werdenden Angebotes gibt es immer wieder Diskussionen darüber, wie viele Indizes wir brauchen und ob es sich bei diesen Angeboten in allen Fällen um Indizes handelt. Uns war es wichtig, die Meinungen der Nutzer hierzu herauszuarbeiten.
Was haben Sie dabei herausgefunden?
Indizes müssen nicht zwangsweise statisch sein, sondern können durchaus umgeschichtet werden. Allerdings darf der Turnover nicht zu hoch sein. Die Umschichtungen sollten also nicht zu heftig ausfallen und außerdem nicht auf diskretionären Entscheidungen beruhen. Hier wird eine klare Grenze gezogen: Wenn diskretionäre Anlageentscheidungen getroffen werden, betrachten Investoren Portfolios nicht mehr als Indizes.
Und wie sieht es mit den Kriterien für die Zusammenstellung der Indizes aus?
Die Indexkriterien können über Aspekte wie die Marktkapitalisierung hinausgehen. Die meisten Nutzer akzeptieren es, wenn beispielsweise Risiko-Rendite-Kennzahlen oder Bilanzdaten in die Indexkonstruktion einbezogen werden. Kurz: Alles, was systematisch zusammengestellt wird und eine relativ niedrige Turnover-Rate hat, ist für die meisten Nutzer als Index akzeptabel. Das mag die Versuche von Indexanbietern erklären, Produkte zu entwickeln und anzubieten, die diese Eigenschaften aufweisen und über die bloße Marktkapitalisierung hinausgehen.
Welche Rolle spielen solch neue Indexkonzepte derzeit im Markt?
Solche nicht auf der Marktkapitalisierung basierende Indizes werden noch relativ wenig genutzt – vor allem, wenn es um Anleihen geht. Andererseits werden kapitalisierungsgewichtete Indizes trotz aller Kritikpunkte weiterhin sehr stark genutzt.
Woran liegt das?
Letztendlich sind kapitalisierungsgewichtete Indizes unumgänglich, weil sie einfach die Marktperformance widerspiegeln. Selbst wenn einzelne Nutzer nicht davon überzeugt sind, dass dies die beste Methode ist, um eine Benchmark zu konstruieren, bleibt die Marktperformance doch immer eine Art zwangsläufige Benchmark.
Sie haben diese Befragung auch in den USA und in Asien durchgeführt. Haben Sie dort signifikant andere Ergebnisse erhalten?
Nein. Unsere Untersuchungen in den USA und Asien haben ähnliche Schlüsselergebnisse erbracht. Allerdings ist beispielsweise in den USA ein niedriger Turnover bei Indizes wichtiger als in Europa. In Asien wird dagegen den Risiko-Rendite-Eigenschaften von Indizes eine höhere Bedeutung beigemessen als in den anderen untersuchten Regionen. Im Großen und Ganzen sind die Ergebnisse aber recht ähnlich ausgefallen.
Man könnte die ganze Diskussion um Indizes auch grundsätzlicher angehen: Was ist wann ein Index? Wann kann man sinnvoll von einem Index reden?
Wichtig sind auf jeden Fall die Transparenz und eine systematische Berechnung. Es dürfte schwer fallen, etwas als Index zu etablieren, was diese Bedingungen nicht erfüllt. Indizes müssen in diesem Sinne nachvollziehbar sein. Interessant erscheint es darüber hinaus, bestimmte Arten von Indizes abzugrenzen. Im Investmentbereich scheint es beispielsweise sinnvoll, zwischen Strategie- und Marktindizes zu unterscheiden. Strategieindizes zielen darauf ab, ein bestimmtes Risiko-Rendite-Ziel zu erreichen, während Marktindizes lediglich versuchen, ein Marktsegment widerzuspiegeln. Außerdem lässt sich zwischen investierbaren und nicht investierbaren Indizes unterscheiden. Typische Aktien- und Anleihenindizes fallen in die erste Kategorie, während Volatilitätsindizes generell nicht investierbar sind.
Können Indizes auch über einzelne Asset-Klassen hinausgehen?
Sobald es um investierbare Indizes geht, unterhalten wir uns über Portfolios von Wertpapieren. Aber auch hier gibt es zwei unterschiedliche Klassen: Zum einen gibt es Indizes, die innerhalb einer Wertpapierklasse, wie Aktien oder Anleihen, gebildet werden; darüber hinaus gibt es Indizes, die Asset-Klassen übergreifen und oft als Asset-Allocation-Indizes bezeichnet werden. Mit ihnen lassen sich verschiedene Strategien der Allokation unterschiedlicher Assetklassen darstellen. Wir haben uns in unseren Surveys nur Indizes innerhalb bestimmter Asset-Klassen angeschaut. Wir haben also keine Fragen gestellt, die solche Allokationsindizes betreffen. 
Woher kommt der starke Fokus auf kapitalisierungsgewichtete Indizes?
Historisch ging es in diesem Segment am Anfang hauptsächlich darum, Marktindizes zu berechnen. Die traditionellen Indexanbieter haben versucht, Informationen über die Situation an und die Entwicklung von Märkten zu liefern. Es handelte sich oft um Nachrichtenagenturen, Verlage oder auch Handelsplätze wie Börsen. Diese Marktindizes sind eine Art natürliche Referenz für Anleger, weil sie das Geschehen am Markt widerspiegeln – und somit auch die durchschnittliche Performance des durchschnittlichen Marktteilnehmers. Es gibt nur begrenzte Möglichkeiten, das sinnvoll darzustellen. Man kann beispielsweise darüber diskutieren, ob man in Marktindizes die gesamte Kapitalisierung oder nur den Streubesitz berücksichtigen sollte.
Und die neuen Indizes bieten etwas anderes?
Indizes können auch systematische Strategien innerhalb eines Anlagesegmentes darstellen. Dann hat man eine offene Definition, die auch die Produktvielfalt der vergangenen Jahre erklärt. Die Anbieter haben beispielsweise verschiedene Indizes für Minimum-Varianz-Ansätze, Dividendenstrategien und weitere systematische Strategien entwickelt. Diese Indizes spiegeln nicht die Performance eines durchschnittlichen Marktteilnehmers wider, sondern sie zeigen, welche Renditen und Risiken mit den entsprechenden Strategien verbunden sind.
Wie lassen sich diese Indizes von aktiv verwalteten Fonds mit quantitativen Anlagestrategien abgrenzen?
Indizes müssen transparent und replizierbar sein. Aktiv verwaltete Fonds mit einer systematischen quantitativen Anlagestrategie sind häufig nicht oder zumindest nicht vollständig transparent, weswegen Investoren deren Systematik nicht einfach nachvollziehen können. Auch wenn die Strategie im Prinzip systematisch ist, kann ihre Umsetzung sehr wohl diskretionäre Entscheidungen beinhalten. Es gibt quantitative Manager, die ihre Strategien auch als Index anbieten. Der Unterschied besteht darin, dass man bei einer Investition in einen Fonds normalerweise nicht die genauen Regeln offengelegt bekommt, nach denen der Fonds handelt. Die Details bleiben oft ein wohl gehütetes Geheimnis der Asset Manager.
So neu sind die Ansätze der Indexanbieter also gar nicht?
Viele der heute auf dem Markt befindlichen Indexstrategien werden bereits seit Jahrzehnten von systematischen Managern genutzt. Ein Indexanbieter legt aber völlig offen, wie er vorgeht, und kann beispielsweise spezielle Einschränkungen hinsichtlich des Turnovers implementieren. Angesichts dieser völlig transparenten Systematik ist es bei Indexfonds Gang und Gebe, dass man simulierte Entwicklungen der Vergangenheit zeigt, die den entsprechenden Regeln folgen. Bei der Vermarktung aktiv verwalteter Fonds würde das kein Regulator ohne Warnhinweise zulassen.
Was versprechen sich Investoren von solchen Indizes?
Investoren versuchen, die Kostenvorteile und die Transparenz dieser Strategieindizes zu nutzen, um den Portfolioanteil traditioneller aktiver Asset Manager zu reduzieren.
Also geht es gar nicht um die Optimierung bestehender Marktindizes?
Genau. Die Anbieter verkaufen diese Indizes oft eher als Alternative zu den mit Problemen behafteten kapitalisierungsgewichteten Marktindizes. Von der Nachfrageseite ist das aber nicht die Hauptmotivation: Vielmehr wollen Investoren häufig nicht völlig transparente und mit hohen Kosten verbundene aktive Manager durch solche Strategieindizes ersetzen. Hier wird ihnen auf kostengünstige und völlig transparente Weise eine Möglichkeit zur Outperformance der breiten Märkte geboten.
Welche Faktoren spielen auf der Anbieterseite eine Rolle?
Auf der Anbieterseite bilden sich häufig Partnerschaften von Asset Managern und Indexanbietern. Indexanbieter ziehen dabei vor allem mit dem Innovationsargument ins Feld. Die Marktaufteilung der kapitalisierungsgewichteten Marktindizes ist sehr starr. Wenn Sie sich das ETF-Vermögen in diesem Bereich anschauen, finden Sie für ein gegebenes Marktsegment meist ein oder zwei Indizes, die den Markt dominieren. Das Innovationspotenzial innerhalb kapitalisierungsgewichteter Indizes ist begrenzt. Für amerikanische Aktien wurde beispielweise in den 80er Jahren der Russell 1000 Index als innovative Alternative zum S&P 500 Index eingeführt, aber diesen Index fest zu etablieren benötigte erhebliche Zeit.  Andere Indexanbieter nutzen Produktinnovation im Bereich von Strategieindizes als Möglichkeit, in diesen Markt einzudringen. Somit führt die Konkurrenz zwischen Anbietern zu mehr Produktvielfalt und mehr Wahlmöglichkeiten für Anleger.
portfolio institutionell newsflash 12.09.2012/rko
Das Interview führte Ralf Kolbe. 

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