5. November 2014

Interview: Wer Risikotragfähigkeit hat, dem wird noch mehr Risikotragfähigkeit gegeben

Das Versorgungswerk der Presse weist üppige Reserven auf und stattliche Renditen aus, ist ­ansonsten aber sehr schlank aufgestellt. Mit externer Unterstützung, insbesondere durch den Versicherungskonzern Allianz, wird die Asset-Allokation um neue Themen, wie Erneuerbare Energien und Direct Lendings, weiterentwickelt.

Manfred Hoffmann im Gespräch mit Patrick Eisele.

Sie haben einen Großteil Ihres Berufslebens für die Allianz in den USA und Kanada verbracht. Nutzen Ihnen diese Erfahrungen als Geschäftsführer des Versorgungswerks der Presse?
Die angelsächsischen Märkte sind der Zeit manchmal ein bisschen voraus. Dieses Wissen birgt gewisse Vorteile. Den größten Nutzen schöpfe ich aber aus der Auslands­erfahrung und der damit einhergehenden persönlichen Entwicklung an sich.

Die dort üblichen Variable Annuities, also fondsgebundene Rentenversicherungen ­gegen Einmalzahlung oder gegen laufende Beitragszahlung mit einer garantierten ­Mindestleistung, konnten sich hierzulande aber nicht durchsetzen.
Das stimmt. Ich dachte bei meiner Aus­sage aber weniger an einzelne Produktgestaltungen als an den generellen Wechsel von Defined Benefit zu Defined Contribution. Diese Entwicklung findet in Nordamerika schon seit längerer Zeit statt und nun durch die Forcierung der betrieblichen Altersvor­sorge auch hierzulande. Außerdem ist in den angelsächsischen Ländern die Kapitalmarkt­orientierung viel stärker ausgeprägt. Darum glaube ich, dass auch hier in Deutschland der persönliche Sparanteil, der in den Aktienmarkt fließt, auf lange Sicht zunehmen wird. 

Welche neuen Entwicklungen in den USA ­erkennen Sie am deutschen Horizont?
Eine Glaskugel habe ich leider nicht. Ich gehe aber davon aus, dass sich wegen des Niedrigzinsumfelds das Thema „Substanzwerte“ noch stärker entwickeln wird. Auf ­diese neue Normalität müssen sich viele Marktteilnehmer in Europa noch einstellen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich die Zinsentwicklung bald ändert. Symptomatisch war doch, dass trotz der Tapering-Diskussion im vergangenen Jahr die Zinsrenditen in den USA und Europa in der ersten Jahreshälfte weiter gefallen sind.

Als zinslastiger Investor hat auch das Presse-Versorgungswerk stark von der Zinsentwicklung profitiert. Mir kommt unver­ändert eine Gesamtverzinsung von 4,5 Prozent zu Gute. Der Zins-Rückenwind flaut aber immer mehr ab.
In meiner Funktion als Betreuer von ­Versorgungswerken, die ich bei der Allianz Leben seit 2002 bekleidet habe, habe ich die Presseversorgung als sehr finanzstarke sowie als sehr interessante und erfolgreiche Einrichtung kennengelernt. Auch für das erste Halbjahr 2014 erwies sich die Aufstellung des Versorgungswerks als ausgezeichnet. Den Wechsel hierher habe ich zu keiner Sekunde bereut.
Im vergangenen Jahr konnten wir bei der Neuanlage von Festverzinslichen noch zu durchschnittlichen Renditen von über drei Prozent anlegen. Im Vergleich zu einigen Wettbewerbern haben wir außerdem eine ­hohe Risikotragfähigkeit und die nötigen Freiheitsgrade für alternative Investments. Auf der Aktivseite liegen unsere Reserven derzeit bei über einer Milliarde Euro und auf der Passivseite belief sich die freie Rück­stellung für Beitragsrückerstattungen zum Jahresende auf 250 Millionen Euro. Aus ­unserer Position der Stärke heraus konnten wir noch mehr Stärke entwickeln. Das ist ­quasi eine Spirale nach oben. Unsere Situ­ation ist sehr komfortabel.

Weisen Journalisten bestimmte Alters­strukturen auf? Sorgen die Probleme in der klassischen Print-Welt für einen Rückgang bei den Einzahlungen oder für weniger junge Mitglieder mit höherer Risikotragfähigkeit?
Die von uns verwendete Sterbetafel weicht nicht dramatisch von der DAV-Sterbetafel ab. Die Einzahlungen sind stabil. Während im Markt die Stornoquote bei etwa fünf Prozent liegt, beträgt dieser Wert bei uns nur etwa die Hälfte und ist dadurch ein wichtiger Stabilitätsfaktor.
Aber es ist in der Tat so, dass das Neu­geschäft mit den tarifvertraglich gebundenen festangestellten Redakteuren von Zeitungen und Zeitschriften stagnierend bis rückläufig ist. Allerdings macht dieses in unserem ­Gesamtportfolio nur noch 20 Prozent aus. Dafür sind die Segmente freiwillige Entgeltumwandlung und „Freie Mitarbeiter“ für uns  Wachstumsfelder. Generell wird unser Wachstum auch aus neuen Quellen wie Werbe- und PR-Agenturen sowie den neuen Medien ­gespeist. Unser Kundenpotenzial schrumpft nicht, das Medienumfeld ist aber sehr dynamisch.

Was bedeutet es für die Bedienung der Verpflichtungen, dass das Versicherungsrisiko von drei Lebensversicherern getragen wird? Und wie selbstständig können Sie ­agieren?
Unsere Aufstellung birgt einige Vorteile. Unser Versicherungsrisiko wird von der ­Allianz zu 84,3 Prozent getragen. Weitere ­Risikoträger sind der HDI mit 10,7 und die Axa mit fünf Prozent. Dieses Konsortium springt ein, falls wir unsere Garantien nicht erfüllen könnten. Anders als bei Pensions­kassen, hinter denen ein oder mehrere Arbeitgeber stehen, weisen wir sämtliche Sicher­ungsmechanismen der Lebensversicherungsbranche bis hin zu Protektor auf. Wir selbst sind kein VVaG, sondern eine GmbH beziehungsweise eine Non-Profit-Einrichtung, bei der die Überschüsse komplett den Kunden zufließen.
Ganz wichtig: Wir haben ein eigenes ­Sicherungsvermögen. Dieses von der Bafin regulierte Vermögen ist von den sonstigen Vermögenswerten dieser Versicherer separiert. Dadurch, dass wir die Kapitalanlage  selbst mitgestalten, können wir zum Beispiel eigenständig, aber immer in Absprache mit der Allianz als federführender Konsorte, ein Schwellenländer-Mandat mit dem Manager X auflegen. Wenn wir nur einen Konsortial­anteil am Vermögen der Versicherer hätten, hätten wir diese Freiheit nicht.

Wie leitet sich aus diesen Rahmenbedingungen welche Asset-Allokation ab?
Auf der Makroebene erfolgt eine klare strategische Planung der Asset-Klassen. Die wichtigste Ausgangsgröße ist dabei immer das Asset-Liability-Management. Schließlich müssen wir zuerst auf die Besicherung unserer­ Garantien achten. Daraus ergibt sich ­aktuell eine Fixed-Income-Quote von etwa 85 Prozent. Diese setzt sich aus Staatsanleihen, besicherten Anleihen und Unternehmens­anleihen zusammen.
Für die restlichen 15 Prozent werden dann – auch mit Blick auf die Risikotragfähigkeit – die Quoten für die Substanzwerte festgelegt. Dies sind bei uns ­Aktien, Immobilien und ­zunehmend alternative Anlagen aus den Segmenten Infrastruktur und Erneuerbare Energien. Die Aktienquote, derzeit bei knapp zehn Prozent, teilt sich dann noch weiter in ­Subsegmente, wie Small Caps und Emerging Markets, auf. Kürzlich haben wir beschlossen, ein Mandat für asiatische Aktien aufzu­legen. Nach der Strategie legen wir im Rahmen des Investment Managements auch die Spielräume fest, inwieweit wir taktisch von der ­angestrebten Asset-Allokation abweichen wollen. Ein Aspekt kann hier beispielsweise sein, welche Feinabstimmung wir mit Blick auf die Schwellenländer festlegen. Dies hängt dann stark von unserer Kapitalmarktein­schätzung ab. Dann folgt die Umsetzung.

Über welche Vehikel?
Der einzige Direktbestand ist unser Sitz hier in Stuttgart. Ansonsten nutzen wir fast ausschließlich Spezialfonds nebst einigen wenigen Publikumsfonds. Somit haben wir eine sehr gute Steuerungsmöglichkeit, weil wir strikt zwischen Investment Management, dem ersten Schritt, und Asset Management trennen können.

Welche Vorgaben bekommen die Asset Manager vom Presse-Versorgungswerk?
Wir wollen keine Mischfonds, sondern suchen uns sozusagen sortenrein den passenden Asset Manager. Dieser bekommt dann über eine Benchmark und Investment-Guidelines klare Vorgaben. Der Asset Manager ist somit für das ­Alpha zuständig und wir ­können die ­klassischen Risikokomponenten, wie Klumpenbildung, Duration oder Credit, kontrol­lieren.
Mit dieser klaren Aufstellung sind wir sehr zufrieden. Klare Vorstellungen und ­Disziplin zahlen sich im Asset Management aus. Je mehr Blended-Strategien, desto ­undurchsichtiger. Wandelanleihen mögen für sich betrachtet attraktiv sein, schaffen aber letztlich eine Vermischung von Anleihen und Aktien, bei der man die Steuerung nicht mehr im Griff hat. Die Suche nach Rendite treibt viele in Anlagen, die sie am Ende nicht mehr überblicken. Das halte ich für gefährlich.

Das ist eine sehr klassische Aufstellung. ­Inwiefern öffnet man sich auch neuen ­Themen, wie Loans, Direktinvestments, ­Kreditvergabe oder Wohnungen?
Eine Frage bei diesen Themen ist immer, ob diese wirklich neu sind. Zu uns: Wir haben ein Mandat für Infrastruktur aufgelegt und investieren auch in Windparks. Das sind zwei Substanzwerte aus dem alternativen Segment, wo wir uns engagieren.
Außerdem machen wir Private Placements über Direct Lendings. Dabei vergeben wir Darlehen für Infrastrukturprojekte. So ­generieren wir einen konstanten, langfristigen Einkommensstrom, der gut zu unserer Verbindlichkeitsstruktur passt. Dadurch, dass die Duration lang ist, Illiquiditätsprämien vereinnahmt werden können und Kosten für Banken, die üblichen Mittelsmänner, weg­fallen, entsteht eine attraktive Rendite.

Wie hoch ist diese?
Bei diesen Alternatives gehen wir selbst auf der Equity-Seite „nur“ von sechs bis ­sieben Prozent aus. Aber das ist für uns in Ordnung. Derzeit ist im Markt einfach zu viel Geld, das nach Rendite sucht.

Woher hat das Presse-Versorgungswerk die Kreditexpertise und nötige Marktkenntnis?
Diese Expertise maßen wir uns selbstverständlich nicht selbst an. Immer, wenn wir ­eine Asset-Klasse als attraktiv identifiziert ­haben, wählen wir über Beauty Contests und Due-Diligence-Verfahren geeignete ­Manager für uns aus.

Bei Immobilien haben sich verschiedene ­Subsegmente entwickelt. Reicht ein Anlagevolumen von insgesamt etwa 5,5 Milliarden Euro, um auch hier Spezialisten für jedes Sub­segment auszuwählen?
Wir haben die Immobilienseite ausgebaut und achten wie bei den liquiden Anlageklassen auf eine breite Streuung, aber auch auf eine­ saubere Trennung. Wir haben jeweils Asset Manager für gewerbliche Immobilien und Wohnen in Deutschland, Europa und global mandatiert. Insgesamt sind es für Immobilien nun sechs Spezialfonds, über die einmal 200 Millionen Euro investiert sein werden.
Bei diesen Spezialfonds sind wir aber nicht der alleinige Eigner. Unser Anteil an den Immobilienspezialfonds beträgt maximal 20 Prozent. Dafür ist die Diversifikation ­höher. Wenn ein einzelnes Objekt schlecht läuft, hat dies auf das Portfolio also keine ­starke Auswirkung.

Wie groß sind denn Ihre Personalressourcen? Inwieweit können Sie sich auf die Allianz stützen?
Mit der Kapitalanlage befasst sich intern außer mir nur die Finanzkommission, die sich aus Arbeitnehmern und -gebern zusammensetzt und zweimal im Jahr tagt. Wir sind sehr schlank aufgestellt und konzentrieren uns auf die Kundenbetreuung.
Daher benötigen wir externe Unter­stützung. Mit den Mitarbeitern der Allianz Investment Management setze ich mich ­regelmäßig zusammen. Die Allianz unterstützt das Presse-Versorgungswerk bei der ALM-Modellierung, beim Risikomanagement und allem, was wir unter Investment ­Management verstehen.
Ein eigenes Modell für Kapital­marktszenarien wäre für uns kostentechnisch nicht darstellbar. Diese Expertise der Allianz nutzen zu können, ist ein wichtiger Benefit für uns. Größtenteils investieren wir auch ­zusammen. In letzter Zeit haben wir häufiger mit Unterstützung der Allianz geeignete Dritt-Asset-Manager ausgewählt.

Wie oft fällt die Wahl dann auf Allianz Global Investors und Pimco?­ Welcher Asset Manager macht was?
Pimco macht Fixed Income und AGI Aktien.­ Wir haben aber mittlerweile auch 14 Drittmanager mandatiert, die für uns nun deutlich über eine Milliarde Euro Assets under­ Management investieren. Meist ­handelt es sich dabei um allgemein geläufige Namen. Um die Abhängigkeit von der Allianz etwas zu reduzieren und deren Vorschläge zu ­hinterfragen, beschäftigen wir mit Faros noch einen Consultant. Diese Aufstellung funktioniert gut.

Ist aktives Management denn überhaupt sein Geld wert?
Erstaunlicherweise ja. Ich drücke das so aus, weil ich in Chicago studiert habe, wo die Theorie der effizienten Märkte vertreten wird. Fast ausnahmslos haben unsere Mandats­träger auf längere Sicht eine Outperformance gegenüber der Benchmark erzielt. Wir analysieren die Wertbeiträge aus dem Investment Management, also der Allokation, und dem Asset Management separat.

Welche großen Herausforderungen sehen Sie für die Zukunft?
Wie die Tapering-Diskussion im vergangenen Jahr gezeigt hat, liegt das größte Risiko in plötzlichen Zinssteigerungen. Hier muss man die USA genau beobachten. Wenn man zum Beispiel an die Emerging Markets denkt, waren die Folgewirkungen allein der Diskussion immens.
Außerdem: Die Bewertungsreserven auf festverzinsliche Wertpapiere sind für die ­Zukunft ein ganz entscheidendes Reserve­polster. Zinssteigerungen würden diese allerdings deutlich reduzieren. Auch darum wäre es ­völlig falsch, wenn Lebensversicherungen diese Reserven ausschütten müssten.

Diese Reserven sind aber auch wegen den Laufzeiten vergänglich. Sollte man die Risikobudgets also auch als vergänglich betrachten oder als von der Zeit geliehen? Letztere Betrachtung­ gäbe dann einen zeitlich begrenzten­ Spielraum für Risky Assets.
Sowohl als auch. Wir handeln aktiv und reiten die Zinskurve möglichst lang. Im Ideal­fall generieren wir so neues Risikobudget. Für Krisenfälle halten wir Risikobudget aber immer auch in Reserve.

portfolio institutionell, Ausgabe 10/2014

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