3. November 2016

Investmentsteuerreformgesetz – Abkehr vom Transparenzprinzip bei Publikumsfonds

Melanie Wirges, Leiterin im Bereich Produktsteuern bei der Deka-Bank, erläutert in diesem Gastbeitrag die Auswirkungen der Investmentsteuerreform. Das Ziel der Reform besteht darin, die EU-Konformität des deutschen Investmentsteuerrechts zu gewährleisten. Außerdem soll die Besteuerung von Erträgen aus Investmentfonds vereinfacht werden.

Das Gesetz zur Reform der Investmentbesteuerung (Investmentsteuer­reformgesetz, InvStRefG) vom 19. Juli 2016 (BGBl I S. 1730) ist am 26. Juli 2016 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht worden. Damit ist die seit mehreren Jahren diskutierte Investmentsteuerreform abgeschlossen. Das neue Besteuerungssystem findet ab dem 1. Januar 2018 Anwendung.

Ziel der Reform ist es, die EU-Konformität des deutschen Investmentsteuerrechts zu gewährleisten und die Besteuerung von Erträgen aus Investmentfonds zu vereinfachen. Es ist nicht Zielsetzung der ­Reform, eine Steuererhöhung für Kapitalmarktprodukte herbeizuführen. Bisher waren Investmentvermögen steuerbefreit: Die Erträge aus den Anlagen wurden nicht auf Ebene des Investmentvermögens, ­sondern erst auf der des Anlegers weitgehend so besteuert, als hätte dieser die entsprechenden Erträge direkt erwirtschaftet (Transparenzprinzip). Mit dem Investmentsteuerreformgesetz wird das trans­parente Besteuerungssystem bei Publikumsfonds abgeschafft und durch eine pauschale Besteuerung auf Anlegerebene sowie durch die Einführung einer Steuerpflicht für bestimmte Erträge auf Ebene des Investmentfonds ersetzt.

Konkret hat das folgende Auswirkungen: Ab dem 1. Januar 2018 unterliegen Publikumsfonds mit ihren inländischen Dividenden­erträgen, inländischen Immobilienerträgen sowie bestimmten ­sonstigen inländischen Einkünften einer Besteuerung von 15 Prozent auf Fondsebene. Inländische Immobilienerträge umfassen konkret inländische Mieterträge und unter bestimmten Voraussetzungen die ­Gewinne aus dem Verkauf inländischer Immobilien. Die Gewinne aus dem Verkauf inländischer Immobilien bleiben steuerfrei, soweit die Wertsteigerung bis zum 31. Dezember 2017 entstanden ist und der Zeitraum zwischen der Anschaffung und der Veräußerung der Immobilie mehr als zehn Jahre beträgt. Die vorgenannten Einkünfte können auf Ebene des Investmentfonds auf Antrag in dem Umfang steuerbefreit werden, in dem bestimmte steuerbegünstigte Anleger beteiligt sind. Darunter fallen gemeinnützige, mildtätige und kirch­liche Anleger sowie Anleger in Altersvorsorge- und Basisrenten­verträgen.

Pauschaliertes Besteuerungsverfahren auf Anlegerebene
Auf Anlegerebene sieht das Investmentsteuerreformgesetz ein pauschaliertes Besteuerungsverfahren vor. Demnach sind künftig auf der Ebene des Anlegers Ausschüttungen des Investmentfonds, sogenannte Vorabpauschalen, und die Gewinne aus der Veräußerung von Investmentanteilen steuerpflichtig. Die Vorabpauschalen ersetzen die bisher steuerpflichtigen ausschüttungsgleichen Erträge und werden in Abhängigkeit von einem Basiszinssatz, den erfolgten Ausschüttungen und der Entwicklung des Rücknahmepreises des Fondsanteils ­ermittelt. Um eine doppelte Besteuerung der bereits auf Fondsebene besteuerten Erträge zu vermeiden, werden den Anlegern sogenannte Teilfreistellungsquoten gewährt. Die Teilfreistellungsquoten sind abhängig von der jeweiligen Fondsart (zum Beispiel Aktien-, Immo­bilien- und Mischfonds) und variieren je nachdem, ob die Fonds­anteile im Privat- oder Betriebsvermögen gehalten werden. Bei ­Aktienfonds beispielsweise beträgt die Teilfreistellung 30 Prozent im Privatvermögen, 60 Prozent im Betriebsvermögen natürlicher ­Personen beziehungsweise 80 Prozent bei körperschaftsteuer­pflichtigen Anlegern.

Bei Privatanlegern bleibt der Gewinn aus der Veräußerung ­sogenannter Altanteile, also solcher Investmentanteile, die vor dem Stichtag 1. Januar 2009 erworben wurden, steuerfrei. Die Voraus­setzung dafür ist, dass die Wertzuwächse bis zum 31. Dezember 2017 ­erzielt wurden. Die Wertzuwächse, die ab dem 1. Januar 2018 mit diesen Altanteilen erzielt werden, sind nur dann steuerpflichtig, wenn sie einen Freibetrag von 100.000 Euro übersteigen.

Spezialfonds: Steuerbefreiung bei inländischen Erträgen möglich

Spezialfonds unterliegen künftig ebenso wie Publikumsfonds mit ihren inländischen Dividenden, inländischen Immobilienerträgen sowie bestimmten sonstigen inländischen Einkünften der Besteuerung. Allerdings besteht für die Spezialfonds die Möglichkeit, die inländischen Erträge auf Antrag von der Besteuerung befreien zu lassen (Transparenzoption). Der Antrag ist von dem Spezialfonds gegenüber dem Entrichtungspflichtigen zu stellen. Die inländischen Erträge mit Steuerabzug, insbesondere Dividendenerträge, werden dann nicht dem Spezialfonds zugerechnet, sondern direkt dem Anleger. Der ­Kapitalertragsteuerabzug erfolgt dann nach den allgemeinen Regeln des Einkommensteuerrechts. Die Steuerpflicht der inländischen ­Immobilienerträge entfällt auf Antrag, wenn der Spezialfonds ­Kapitalertragsteuer auf diese Erträge erhebt und den Anlegern eine entsprechende Steuerbescheinigung ausstellt. Von der Gewerbe­steuer sind die Spezialfonds befreit.

Für steuerliche Zwecke wird künftig das Ertragsausgleichsverfahren nicht mehr anerkannt. Damit kommt es zu einer Abweichung zwischen investmentrechtlicher und steuerrechtlicher Rechnungs­legung. Aufgrund der Versagung der Ertragsausgleichsberechnung ist künftig systemseitig sicherzustellen, dass den Anlegern die Erträge und Aufwendungen besitzzeitanteilig zugerechnet werden. Aktien- und Immobiliengewinne werden hinsichtlich des Ausweises auf ­absolute Werte umgestellt. Ferner wird eine dritte tägliche Kennzahl eingeführt. Dieser sogenannte Freistellungsgewinn wird die steuer­begünstigte Ertrags- und Wertveränderung aus Anlagen in Zielfonds darstellen. Die Besteuerung auf Anlegerebene erfolgt weiterhin transparent anhand einer einheitlichen und gesonderten Feststellung der Besteuerungsgrundlagen. Jedoch werden künftig auch positive und negative steuerliche Vorträge einheitlich und gesondert festgestellt.

Gesonderte Feststellung steuerlicher Vorträge
Neu ist, dass nicht ausgeschüttete Veräußerungsgewinne nach 15 Jahren auf Anlegerebene grundsätzlich steuerpflichtig werden („Zwangsbesteuerung“). Sofern die Transparenzoption nicht ausgeübt wurde, wird eine doppelte Besteuerung auf der Fondsebene einerseits und der Anlegerebene andererseits durch die Gewährung von Freistellungsquoten vermieden. Soweit Erträge bereits auf Fondsebene versteuert wurden, sind für körperschaftsteuerpflichtige Anleger 100 Prozent der inländischen Beteiligungseinnahmen, inländischen Immobilienerträge und sonstigen inländischen Erträge steuerfrei. Für Spezialfondsanleger, die nicht dem Körperschaftsteuergesetz unterliegen, sind 60 Prozent der inländischen Beteiligungseinnahmen und 20 Prozent der inländischen Immobilienerträge und sonstigen inländischen Einkünfte steuerfrei.

Das neue Investmentsteuerregime ist ab dem 1. Januar 2018 ­anzuwenden. Die Anwendbarkeit der bisherigen Regeln endet damit entweder aufgrund des regulären Endes des Geschäftsjahres bei ­kalendergleichem Geschäftsjahr oder aber im Zuge eines fiktiven ­Geschäftsjahresendes zum 31. Dezember 2017 (bei abweichendem ­Geschäftsjahresende).

Fazit: Nach der Neuregelung des Investmentsteuergesetzes sollte sich die Nachsteuerrendite für die Besitzer von deutschen Publikumsfonds im Wesentlichen nicht ändern. Das zeigen auch erste ­Simulationsrechnungen. Die Abkehr vom Transparenzprinzip und die damit verbundenen Freistellungsquoten auf der Anlegerebene werden allerdings den Kommunikationsbedarf zwischen Anleger, ­Kapitalverwaltungsgesellschaft, Verwahrstelle und der depotführenden Stelle erhöhen. Der Umsetzungsaufwand, insbesondere für die Umstellung der IT, dürfte entsprechend hoch sein und zu erheblichen Kosten bei den beteiligten Finanzdienstleistern führen.

portfolio institutionell, Ausgabe 10/2016

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