Strategien
1. Juni 2016

Investoren gehen die Extrameile und investieren in Ultralangläufer

In den vergangenen Monaten haben gleich mehrere europäische Länder mit besonders langlaufenden Staatsanleihen am Primärmarkt Gelder eingesammelt. Und die Investoren haben eifrig, aber nicht unbedingt aus freien Stücken zugegriffen.

Wie das US-Fachmagazin Pensions & Investments berichtet, war eine im Mai von Spanien emittierte und 3,4 Milliarden Euro schwere Staatsanleihe mit einer Laufzeit von 50 Jahren und einer Rendite von 3,5 Prozent per annum mehr als dreifach überzeichnet. Mit anderen Worten wollten Anleger hier mehr als zehn Milliarden Euro unterbringen und so einen gewissen Rendite-Pick-up von knapp 70 Basispunkten einstreichen, den die Langläufer im Vergleich mit 30-jährigen spanischen Staatsanleihen geboten haben. Aber nicht nur das einstige Krisenland Spanien, kaum jemand spricht noch von den PIIGS (Portugal, Irland, Italien, Griechenland und Spanien), hat zuletzt mit der Emission sehr lang laufender Staatsanleihen von sich reden gemacht. Laut Medienberichten waren im April auch Frankreich und Belgien am Primärmarkt mit 50-jährigen Langläufern unterwegs. Außerdem gelang es Belgien und Irland im Mai beziehungsweise März dieses Jahres jeweils sogar Staatsanleihen an den Mann zu bringen, bei denen die Tilgung in einem Jahrhundert erfolgt. Die Renditen für die 100-jährigen Anleihe Irlands und Belgiens sollen bei 2,35 beziehungsweise 2,3 Prozent gelegen haben. Hier stellt sich die Frage, ob das Risiko tatsächlich adäquat entlohnt wird. Wer heute eine hundertjährige Anleihe kauft und bis zur Endfälligkeit halten will, geht davon aus, dass es in den nächsten 100 Jahren kein Wirtschaftswachstum mehr geben wird – dann, so lässt sich argumentieren, wird aber auch der Emittent mangels Steuereinnahmen die Anleihe nicht mehr zurückzahlen können.
Die Emission von Staatsanleihen mit ultralanger Laufzeit trifft in Zeiten von Minizinsen am kurzen Ende der Zinsstrukturkurve dennoch auf fruchtbaren Boden. Dabei sind „Langläufer“ aufgrund ihrer Ausgestaltung besonders anfällig bei Zinsänderungen; das muss aber nur jene Anleger interessieren, die die Bonds nicht bis zur Endfälligkeit halten. Alle anderen können Kursschwankungen einfach aussitzen, diese Anleger beziehungsweise ihre Nachfahren brauchen dann allerdings besonders viel Sitzfleisch. Überhaupt scheint die Aussicht auf wieder steigende Zinsen die Anleger heute nicht davon abzuhalten, ihre Portfolios mit Langläufern zu bestücken. Pensions & Investments zitiert in diesem Zusammenhang Fraser Lundie, Co-Chef im Bereich „Credit“ bei Hermes Investment Management in London, mit den Worten: „Investoren fällt es in Zeiten niedrigster Renditen immer schwerer, ihre Vermögenswerte und ihre Verbindlichkeiten miteinander abzugleichen.“ Nun sagen manche Investoren gegenüber portfolio institutionell aber auch, dass bei ihnen das Schließen der Lücke zwischen eher kurzen Assets und langen Liabilities derzeit nicht gerade die oberste Priorität genießt. Was heute zählt, sei die Suche nach auskömmlicher Rendite.
Die Möglichkeiten sind begrenzt
Renditesuchende Investoren, die die Duration beziehungsweise die Zinssensibilität im Portfolio nicht nach oben schrauben möchten, haben zwei Möglichkeiten: Einerseits können sie sich tiefer in das Credit-Spektrum hineinbewegen und etwa auf High-Yield-Anleihen setzen. Wer dazu aus regulatorischen Gründen nur begrenzt in der Lage ist (Stichwort „High-Yield-Quote“ in der Anlageverordnung), der könnte sich Anlagen zuwenden, die auch heute noch eine Illiquiditätsprämie anbieten, wie zum Beispiel im Anlagebereich „Infrastruktur“. Aber auch hier hat die Suche nach auskömmlicher Rendite bereits dazu geführt, dass die Risikoprämien in den vergangenen Jahren stark geschrumpft sind. Und auch nicht jeder Investor will illiquide Assets im Portfolio haben. Bleiben also nur festverzinsliche Wertpapiere hoher Bonität – und mit längerer Laufzeit. Sie versprechen heute zumindest eine positive Rendite und setzen sich damit im doppelten Sinne positiv von deutschen oder auch Schweizer Staatsanleihen ab, die bis weit in den Laufzeitenbereich von zehn Jahren keine nennenswerte Rendite mehr abwerfen. Außerdem kommt bei diesen Ultralangläufern auch die Europäische Zentralbank als Wettbewerber auf der Käuferseite nicht in die Quere. Deren Anleihekaufprogramm nimmt nur Laufzeiten bis 30 Jahre.
Pensions & Investment zitiert indessen Chris Redmond vom Beratungshaus Willis Towers Watson in London. Dieser hat herausgefunden, dass die jüngste Emission 50-jähriger spanischer Staatsanleihen in erster Linie an Versicherungen und einige Pensionseinrichtungen verkauft wurde. Und nach Angaben von Harris Gorre, Chef der Multi-Asset-Gruppe bei der Investec Bank, haben europäische Versicherer bei langlaufenden Anleihen generell eifrig zugegriffen. Eine Rolle habe dabei das neue Aufsichtsregime Solvency II gespielt, wobei hier der Abgleich von Assets und Verbindlichkeiten als Triebfeder genannt wird. Ein etwaiges Durations-Gap beziffert den Unterschied zwischen der Duration der Aktivseite und der Duration der Passivseite. Dies ist für Lebensversicherer vor dem Hintergrund von Solvency II relevant, da sich mit höherem Gap eine höhere notwendige Eigenmittelunterlegung einstellt. Mit Blick auf die Investments in Ultralangläufer scheinen die Engagements nicht freiwillig eingegangen worden zu sein. Unternehmensberater Redmond zufolge werden Versicherer und Pensionsfunds förmlich dazu genötigt, höhere Risiken in der Kapitalanlage einzugehen. Nur so könnten sie die gewünschten Renditen erzielen, die sich aus Garantiezinsen und anderen Verpflichtungen ergeben.
portfolio institutionell newsflash 01.06.2016/Tobias Bürger
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