6. Januar 2015

Kapitalanlage in 3D

Wie unterschiedlich Kapitalanlage sein kann, zeigte die Podiumsdiskussion der Berenberg-Asset-Manager-Konferenz, die von den Investoren Bernd Franken (NÄV), Eberhard Vetter (RAG-­Stiftung) und Dr. Wolfgang Fischer (Stuttgarter Versicherung) ­bereichert wurde. Einig ist sich das Trio aber in der Sichtweise, dass Sachwerte attraktiv sind.

Die Stadt Hamburg feiert sich gerne als „Tor zur Welt“. Passend zu diesem Anspruch hat die dort ansässige Privatbank Berenberg auf ihrer „Asset Management Konferenz“ im November das Tor zur Welt weit aufgestoßen. So sprachen als Referenten Freiherr von und zu Guttenberg zu transatlantischen Beziehungen und die TV-Reporterin Dr. Antonia Rados zum Nahen Osten und der Ukraine. Dies inspirierte die Teilnehmer unter anderem bei den Pausengesprächen dazu, über die Einbindung von religiösen Konflikten ins Risikomanagement zu philosophieren.

Geschärft wurde das globale Bild weiter durch Ex-Wikileaks Daniel Domscheit-Bergs Vortrag zur „Privatsphäre in Zeiten von Big Data“ und die Investoren Bernd Franken, Eberhard Vetter und Dr. Wolfgang Fischer. Schließlich schlagen sich die globale Gemengelage und deren Auswirkungen auf Zins, Volatilitäten und Regulierung auch in den Portfolios und im Rechnungszins der Ärzteversorgung Nordrhein, der RAG-Stiftung und der Stuttgarter Versicherungsgruppe nieder. Der Rechnungszins, Dreh- und Angelpunkt allen investierenden Tuns, beträgt bei den drei Investoren etwa vier Prozent. Dieser setzt sich bei der Stuttgarter aus den Erfordernissen für die Rendite und die Zinszusatzreserve zusammen, und bei der RAG-Stiftung müssen die Kosten für die Ewigkeitslasten aus dem deutschen Steinkohlenbergbau plus Inflation erwirtschaftet werden. Diese Verbindlichkeiten sind nicht nur speziell, sondern auch ewig, so dass ausgerechnet die Stiftung als der am wenigsten regulierte Anleger bei Dauerniedrigzinsen das anspruchsvollste Ziel hat. „Das Wasser muss ewig gepumpt werden. Man kann die Pumpen nicht einfach abstellen“, erklärte Eberhard Vetter. Zweck der RAG-Stiftung ist die Finanzierung der Ewigkeitslasten. Dazu zählen die dauerhafte Bewirtschaftung von Gruben- und Grundwasser sowie die Grundwasserreinigung. Vetter ließ mit dem Hinweis auf die politische Besetzung im Kuratorium zudem nicht gelten, dass die RAG-Stiftung als Stiftung nicht besonders reguliert sei.

Diskussionsbedarf bei der NÄV
Während die RAG-Stiftung mit geologischen Notwendigkeiten konfrontiert ist, müssen sich die Ärzteversorgung und die Versicherung mit den Gegebenheiten des Niedrigzinsumfelds arrangieren. „Wir diskutieren eine Senkung des Rechnungszinses“, berichtete Bernd Franken. „Diese Diskussion war früher verpönt, und bei der Reduzierung des Rechnungszinses handelt es sich klar um eine Leistungsabsenkung. Heute ist aber das nötige Problembewusstsein gegeben, und offen ist nur noch, wie eine Umsetzung erfolgen kann.“ Auch Versicherungen haben Spielräume zur Senkung des Rechnungszinses, etwa über den Aufbau neuer Geschäftsmodelle. Wolfgang Fischer: „Aus meiner Sicht ist für die Versicherungsbranche Stabilität gegeben – auch wenn die Verzinsungen über längere Zeit auf dem aktuellen Niveau bleiben. In diesem Fall ist aber der Staat gefordert, den Versicherungen auch neue Geschäftsmodelle abseits der bisherigen Garantien zu ermöglichen.“ 
Zweistellige Aktienquoten
Glücklicherweise sind aber nicht nur die Verbindlichkeiten, sondern auch die Assets eine wichtige Stellschraube. So hat die Ärzteversorgung Nordrhein ihre Aktienquote – auch mit Blick auf den Rechnungszins – von drei auf zehn Prozent erhöht. Um Market-Timing-Probleme zu vermeiden, nahmen sich die Ärzte für die Quotenerhöhung fünf Quartale Zeit. Franken sieht einen Veränderungsbedarf „hin zu längerfristigen Anlagen“. Die für den NÄV-Geschäftsführer drei wichtigsten Kapitalanlageaufgaben liegen im  richtigen Mischen der Kapitalanlagen, was neben den Asset Managern für ein zusätzliches Alpha sorgen soll, in der Berücksichtigung der Risikotragfähigkeit und im „Gremienmitnehmen“.

Als Langfristinvestor sei das Versorgungswerk zudem „ideal“ für Real Estate und Infrastruktur sowie die Vereinnahmung von Illiquiditätsprämien aufgestellt. Aus dieser Perspektive nimmt Franken auch von Equity Overlays in der strategischen Allokation Abstand. Diese Abstinenz erläuterte der ehemalige Kapitalanleger des Bistums Trier und der KZVK Köln anhand des Geschäftsmodells einer Altersvorsorgeeinrichtung. „Der 31.12. sollte doch nur ein Zwischentermin sein. Diese Punktlandung und damit ein Equity Overlay ist bei unserem Geschäftsmodell nicht nötig. Wichtiger ist die Frage, wie lange man durchhalten kann.“ Ein weiterer Punkt ist: „Die für Derivate vorgeschriebenen Cash Collaterals verteuern Absicherungen. Dies wird bei Publikumsfonds Spuren in der Rendite hinterlassen“, so Franken. Etwas Hedging betreibt jedoch auch die NÄV, weshalb die abgesicherte Aktienquote sogar bei 10,5 Prozent liegt. Grund ist, dass man auf das Alpha eines bestimmten Asset Managers nicht verzichten will. „Ein Overlay bietet sich jedoch durchaus für das Management von Währungsrisiken an“, ergänzt Bernd Franken.
Ebenfalls zehn Prozent Aktien, aber schon seit längerem, hält die Stuttgarter Versicherung. Die gleiche Quote besteht für Immobilien. „Bei Anleihen gehen uns langsam die Anlagemöglichkeiten aus. Ich hätte gerne mehr Substanzwerte. Dies ist aber wegen der Regulierung und den Schwankungen dieser Assets schwierig“, beschreibt Wolfgang Fischer die Anlageüberlegungen der Stuttgarter und formuliert dabei auch als pars pro toto das Dilemma einer ganzen Branche. 
Die Regulatorik sieht Fischer wegen der Kosten an Performance und für Reporting-Manpower sowie aus noch einem weiteren Punkt kritisch: „Ich fürchte, dass sich die Branche aus vorauseilendem Gehorsam auf immer gleichförmigere Allokationen zubewegt.“ Diese Gleichförmigkeit hat für Fischer genauso einen „Bedrohungscharakter“ wie das verbreitete Ausblenden der Gefahren eines Zinsanstiegs. „Dabei weisen manche Aktien geringere Ausschläge als der Zinsmarkt auf.“ Insgesamt sieht Fischer jedoch – siehe oben – die Branche als stabil an.
RAG-Stiftung: Beteiligungen statt Linker 
Die höchste Aktienquote fährt aber deutlich die RAG-Stiftung. Mit dem Evonik-Anteil liegt die Quote bei 75 bis 80 Prozent, ohne diesen bei ebenfalls immerhin zehn Prozent. Prinzipiell wären zur Finanzierung der Ewigkeitslasten langfristige Inflation-linked Bonds attraktiv. „Damit hätten wir jedoch ein starkes Exposure zu Frankreich gehabt, und ich will nicht jeden Abend mit drei Milliarden französischen Linkern ins Bett gehen müssen“, so Eberhard Vetter. Wegen des Starts der Kapitalanlagen im Jahr 2008 konnte man sich auch in anderen Fixed-Income-Asset-Klassen nicht mehr die hohen Kupons der Vergangenheit sichern. Also musste um die Bereitschaft der Gremien geworben werden, den Weg auch in alternative Anlagen zu gehen. „So öffnete sich die Stiftung schon früh für Aktien, Unternehmensbeteiligungen und Infrastruktur“, blickt Vetter zurück. Wichtig ist für Vetter ein globaler Ansatz, der eine Diversifikation nach Asset-Klassen und regionalen Wirtschaftszentren abbildet. Overlays sieht der Leiter Finanzanlagen aufgrund von früheren Erfahrungen ebenfalls kritisch. Anders als Franken jedoch deshalb, weil damals die Risikobudgets zu eng gelegt wurden und man in der Folge sehr schnell in der Absicherung gefangen war. Heute berechnet die RAG-Stiftung ihr Risiko über einen modifizierten VaR-Ansatz, bei dem das ermittelte Budget zu maximal 50 Prozent ausgelastet werden soll, was ein stetiges Investment zur Folge hat. 

Ein kleiner Exkurs zu den Besonderheiten der RAG-Stiftung: Wegen des langfristigen Anlagezeitraums dürfte sich der späte Startzeitpunkt einmal statt als Geburtsfehler eher als Gnade der späten Geburt erweisen. Mit Blick auf die Langfristigkeit der Investitionen kalkuliert die RAG-Stiftung nämlich mit einer ungewöhnlichen Duration von rund 60 Jahren. Ein solcher Anlagehorizont spricht mehr für unternehmerische Risiken als für Fixed Income. Laut dem Geschäftsbericht 2013 kommen die Anteile an Evonik und dem Immobilienkonzern Vivawest auf insgesamt rund zehn Milliarden Euro. Um über diesen Zeitraum nachhaltige Erträge zu erzielen, hält die Stiftung Ende 2013 zudem ein diversifiziertes Portfolio von rund 2,2 Milliarden Euro. Weiter sieht man neue Chancen durch Beteiligungen. Prinzipiell müssen immer 40 Prozent der Kapitalanlagen in Rentenpapiere investiert sein. Bis zu 30 Prozent beträgt die Quote für gelistete Aktien. Zudem hat die Stiftung noch die Möglichkeit, bis zu 35 Prozent in renditeorientiertere Anlagen, wie insbesondere Immobilien und Private Equity, zu investieren, In letzterer Asset-Klasse soll ein Schwerpunkt auf mittelständische Unternehmen gelegt werden, wobei wegen Evonik möglichst kein Bezug zur chemischen Industrie gegeben sein sollte. Jüngst kündigte die Stiftung beispielsweise die komplette Übernahme der Röder Zeltsysteme und Service AG an. Der Spezialist für Zelte und Hallen für Großveranstaltungen setzte 2013 77,5 Millionen Euro um.
Blick über den Tellerrand
Zurück zur Berenberg-Veranstaltung: Von den globalen Risiken kam die Diskussionsrunde am Ende auf die nationale Politik zu sprechen. So würde Wolfgang Fischer gerne mit der Bundeskanzlerin über ihre politischen Beweggründe sprechen können. „Ich vermute, dass ihr die Probleme der Finanzbranche bewusst sind. Es schickt sich aber gerade nicht, dieser Branche zu helfen.“ Auch Bernd Franken hätte Redebedarf, wenn auch weniger wegen der institutionellen Investoren, die sich ja schließlich an bestimmte Rahmenbedingungen anpassen können. „Ich sehe die Volkswirtschaft allgemein und insbesondere die allgemeine Altersvorsorge wegen der schleichenden Enteignung in Gefahr.“

von Patrick Eisele

portfolio institutionell, Ausgabe 12/14

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