Schwarzer Schwan
8. April 2016

Kaufe teuer, verkaufe billig

Wohin mit überschüssiger Liquidität? Bloß nicht in Renten-ETF, meint ein Anbieter. Dabei boomt der Bereich.

Was sind das bloß für Zeiten? Einerseits werden immer mehr Investoren von ihren Banken dazu genötigt, auf kurzfristige Geldanlagen Zinsen zu bezahlen und damit einen risikolosen Verlust zu vereinnahmen. Schon deshalb waren passiv gemanagte ETF für Unternehmensanleihen in den vergangenen zwölf Monaten – entgegen dem allgemeinen Anlegertrend im Festzinsbereich – heiß begehrt. Allein im ersten Quartal 2016 flossen weltweit 43,7 Milliarden Dollar frisches Kapital in Anleihen-ETF. Ein Rekord, von dem unter anderem der Blackrock-Ableger I-Shares profitiert hat. Andererseits sorgt die Aussicht auf wieder steigende Zinsen für ein mulmiges Gefühl unter Renteninvestoren. Alle Welt ruft nach mehr Diversifikation durch Alternatives, um die Portfolien robuster aufzustellen. Und: Wer will schon ein Asset teuer kaufen, nur um es später billig zu verkaufen? Dabei kann die institutionelle Kapitalanlage so einfach sein. 
Nach Angaben von Morgan Stanley haben 30-jährige Bundesanleihen in den ersten drei Monaten dieses Jahres eine Gesamtrendite von 15,5 Prozent eingefahren. Damit wurde in drei Monaten der Rechnungszins für etwa fünf Jahre verdient. Und das allen Unkenrufern zum Trotz, die Staatsanleihen seit Jahren wegen mauer Kupons und luftiger Kursniveaus auf das Abstellgleis fahren sehen. Zum Vergleich: Der S&P 500 rentierte inklusive Dividenden in dem Dreimonatszeitraum mit 6,8 Prozent. Auch nicht schlecht und immer noch besser als der Markt für hochverzinsliche US-Unternehmensanleihen. Hier waren im ersten Quartal im Schnitt 4,4 Prozent Rendite drin. Aber wie geht es weiter? 
Ein mulmiges Gefühl mit Blick auf ETF für Unternehmensanleihen hat Stephen Snowden, der diesen Schwarzen Schwan mit seinem Konterfei ziert. Er ist Fondsmanager bei der britischen Investmentgesellschaft Kames Capital. Er sieht den Renten-ETF-Boom kritisch. Zwar hätten passive Produkte seines Erachtens unter gewissen Umständen durchaus ihre Vorteile, räumt er ein. Über einen längerfristigen Investmentzyklus betrachtet seien passive Strategien jedoch in mehrfacher Hinsicht problematisch. 
Steigende Zinsen als Zünglein an der Waage
Angesichts der lange erwarteten Zinserhöhungen ist insbesondere die Nutzung von ETF mit erhöhten Risiken verbunden, meint Stephen Snowden. Zu diesem Umstand trage die geringe Marktliquidität bei. Denn nach Ansicht Snowdens ist die Liquidität im Markt für Unternehmensanleihen in den vergangenen Jahren förmlich versiegt. Wenn Indexfonds ungeachtet der Marktbedingungen nun jedoch Anleihen kaufen und verkaufen müssen, drohten kräftige Verluste, ist der Fondsmanager überzeugt. „ETFs sind ideal in liquiden Märkten. Davon ist der Markt für Unternehmensanleihen jedoch derzeit weit entfernt“, sagt der Fondsmanager und legt nach: „Wenn am Markt eine Phase der Rücknahmen beginnt, könnte es für ETF, die nicht schon vorab für eine Allokation zugunsten liquider Anlagen gesorgt haben, problematisch werden.“ Kurz zusammengefasst und auf den Punkt gebracht: Die nächste Krise kommt bestimmt. 
Aktive Fondsmanager könnten seiner Einschätzung nach einfach abwarten, wenn es keine attraktiven Angebote am Markt gibt, während passive Fondsmanager mit den angebotenen Kursen leben müssten. „Wenn beispielsweise passiv gemanagte Fonds Rücknahmeanträge von Anlegern ausführen müssen, können es sich diese regelbasierten Strategien möglicherweise nicht leisten, die angebotenen Geldkurse abzulehnen“, kommentiert er. Und nach Auffassung von Snowden bestehen bei Unternehmensanleihen beträchtliche Abwärtsrisiken, wenn die Zinsen nach einer historischen Niedrigzinsphase, in der die Emittenten Anleihen mit äußerst niedrigen Kupons begeben konnten, wieder steigen. „Nach einer 30-jährigen Bullenphase ist derzeit nicht der passende Moment für eine Ausweitung des Zinsengagements. Genau das würden Sie mit dem Kauf eines ETF jedoch tun.“ 
Des Pudels Kern und Snowdens Warnschuss mit Blick auf kapitalisierungsgewichtete Rentenindizes: Wenn Firmen immer mehr Schuldtitel begeben, nehmen sie automatisch größere Teile der Indizes ein. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass Unternehmen belohnt werden, je mehr sie sich verschulden. „Im Vorfeld der Finanzkrise haben Banken diese Anleihen in immer größerer Zahl ausgegeben“, ruft Snowden in Erinnerung. „Als die Rating-Agenturen diese Anleihen herabstuften und die Kurse in den Keller gingen, waren ETF im Gegenzug gezwungen zu verkaufen. ETF mussten somit überteuerte Anleihen kaufen und danach zu Niedrigstpreisen verkaufen.“ Für Snowden eine aberwitzige Situation. Das Mantra „teuer kaufen, billig verkaufen“ sei letztlich für Indexanleger äußerst schädlich. 
Sollte man vielleicht grundsätzlich davon absehen, in Unternehmenskredite zu investieren? Die Frage drängt sich geradezu auf. Schließlich zahlen Unternehmen ihre Schulden gewissermaßen nie zurück. Entweder, weil es ihnen schlecht geht und sie pleitegehen, oder weil es ihnen gut geht und sie darum immer mehr Kredite aufnehmen.  Aber ohne Fixed Income geht es in der institutionellen Kapitalanlage nicht. Wenn man institutionelle Investoren fragt, ob ihnen ein Zinsschock in Form eines gravierenden Zinsanstiegs Sorgen bereiten würde, dann hört man in der Regel die Antwort: Ja, aber! Denn es würde zu massiven Kursverlusten bei Anleihen kommen. Das „Aber“ rührt daher, dass neue Renteninvestments zeitgleich wieder so etwas wie einen Zinsertrag bringen würden. Und darum geht es in der institutionellen Kapitalanlage meistens. Sollten die Zinsen in absehbarer Zeit tatsächlich wieder steigen, drohen natürlich auch den eben noch äußerst einträglichen 30-jährigen Bundeswertpapieren gravierende Verluste. Also ist der Ruf nach mehr Diversifikation vielleicht doch nicht so schlecht. 
In diesem Sinne wünscht Ihnen die Redaktion ein schönes Wochenende. 
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