Strategien
15. Juni 2015

Klimawandel beeinflusst die Rendite aller Asset-Klassen

Der Klimawandel ist eine neue Renditevariable, die institutionelle Investoren in ihren Investmentüberlegungen berücksichtigen müssen, so lautet das Fazit einer neuen Mercer-Studie. Einige Großinvestoren fahren bereits eine Anti-Kohle-Strategie in ihrem Portfolio.

Der Klimawandel wird sich unweigerlich auf die künftigen Renditen institutioneller Investmentportfolios auswirken. Anleger müssen diesen als neue Renditevariable in ihren Investmentüberlegungen berücksichtigen. Zu dieser Erkenntnis kommt der neue Report „Investing in a time of climate change“, den das Beratungshaus Mercer im Juni veröffentlichte. Die Klimapolitik sei ein Risikofaktor, der für ein Portfolio zwar nicht wichtiger als Aktien- oder Kreditrisikoprämien ist, aber zumindest potenziell bedeutender als andere Faktoren, wie die Illiquiditätsprämie.  
Für die Studie hat Mercer vier Klimaszenarien mit verschiedenen Erwartungen für die globale Erwärmung modelliert, um daraus den Einfluss auf die Portfoliorenditen abzuschätzen. Dabei zeigte sich, dass jedes Szenario die Rendite der verschiedenen Asset-Klassen unterschiedlich stark beeinflusst, wobei wachstumsorientierte Assets, wie Aktien, Private Equity und Sachwerte, sensitiver auf den Klimawandel reagieren als defensive Assets, wie Cash oder Staatsanleihen.  
Das Worst-Case-Szenario, das bis 2050 von einer Erderwärmung um vier Grad ausgeht, würde sich auf alle Asset-Klassen und deren jährlichen Renditen niederschlagen. Insbesondere Wald- und Agrarinvestments bekämen den negativen Einfluss zu spüren. Im Best-Case-Szenario, das bis 2050 eine Begrenzung der Klimaerwärmung auf zwei Grad annimmt, gäbe es für das Gesamtportfolio eines langfristig diversifizierten Investors hingegen keine negativen Auswirkungen. Schwellenländeraktien, Infrastruktur, Immobilien, Wald und Agrikultur würden in diesem Szenario sogar profitieren. Für Agrikultur erwarten die Studienmacher einen „median additional annual return“ von über 80 Basispunkte, für Infrastruktur von rund 60 Basispunkten sowie für Waldinvestments und Schwellenländeraktien von mehr als 40 Basispunkten. Mit leicht negativen Auswirkungen wird unterdessen bei Aktien aus den entwickelten Märkten und Private Equity, insbesondere in den besonders stark betroffenen Sektoren, wie dem Kohlebereich, gerechnet. Die Schätzungen gehen von über 40 Basispunkten aus. 
Mit ihrer Studie hofft Mercer, Investoren einen Ausgangspunkt zu geben, um  über ihre Investmentüberzeugungen nachzudenken. „Für klimabewusste Investoren bietet die Studie Informationen über Risiko und Chance, die sie beim Aufbau ihres Gesamtportfolios einbeziehen“, merkte Deb Clarke, Global Head of Investment Research bei Mercer, in ihrem Vorwort an. Und genau das hat beispielsweise der britische Environment Agency Pension Fund (EAPF) vor, der als einer von insgesamt 16 Investoren und Asset Managern die Studie unterstützt hat. Dessen Leiterin, Dawn Turner, erklärte: „Indem wir eine strategische Asset Allocation übernehmen, die robust sowohl die Risiken als auch die Chancen des Klimawandels einbezieht, werden wir auch weiterhin im besten langfristigen Interesse unserer Mitglieder agieren.“         
Neben dem EAPF haben noch 15 andere Großanlegern und Asset-Manager-Partnern, die zusammen für mehr als 1,5 Billionen US-Dollar stehen, Mercer bei dem Report unterstützt. Darunter finden sich unter anderem Namen wie der kalifornische Pensionsfonds Calstrs, die Kirche von England, die schwedische Altersvorsorgeeinrichtung AP1 und der britische Pensionsfonds EAPF. Der vollständige Report kann auf derWebseite von Mercer abgerufen werden. 
Aufbruch zu kohlefreien Portfolios 
Einige Großanleger haben bereits begonnen, eine Dekarbonisierung in ihren Portfolios umzusetzen. Ein Bespiel ist die Stiftung der Georgetown University. Anfang Juni hat das Board of Directors eine entsprechende Resolution verabschiedet. Laut dieser wird die 1,5 Milliarden Dollar schwere Stiftung keine direkten Investments in Unternehmen mehr tätigen, deren Geschäft auf dem Kohleabbau basiert. Außerdem wird die Universitätsstiftung ihre externen Investmentmanager dazu anhalten, Investments in entsprechende Unternehmen zu vermeiden. „Die Aufgabe, die Herausforderungen des Klimawandels zu verstehen und darauf zu antworten, ist dringend und komplex. Es bedarf unserer allergrößten Aufmerksamkeit“, kommentierte John DeGioia, Präsident der Georgetown University, die Entscheidung. Derzeit wird das Portfolio überprüft. Bereits vor einem Jahr hatte die Universität von Stanford bekanntgegeben, die 21,4 Milliarden Dollar schwere Universitätsstiftung von Kohle zu befreien und sämtliche Investments im Bereich der fossilen Brennstoffe abzustoßen. 
Ein europäisches Beispiel für einen Großinvestor, der eine Anti-Kohle-Strategie in seinem Portfolio umsetzen wird, ist der Norwegische Staatsfonds. Im Mai dieses Jahres beschloss der Finanzausschuss des Parlaments in Oslo einstimmig, dass der norwegische Staatsfonds seine Anteile an Energie- und Bergbauunternehmen verkaufen soll, bei denen das Kohlegeschäft mehr als 30 Prozent am Geschäft ausmacht. Für den Fonds bedeuten diese Vorgaben für Investitionen in die klimaschädliche Kohleindustrie, dass er sich wohl aus 50 bis 75 Unternehmen zurückziehen muss. Die Beteiligungen seien umgerechnet zwischen vier und fünf Milliarden Euro wert.  
Auch in der französischen Pensionsfondswelt befasst man sich mit dem Problem des Klimawandels, wie wir bereits kürzlich hier berichteten. Für Philippe Desfossés, CEO des 23 Milliarden Euro schweren Pensionsfonds für den öffentlichen Sektor (ERAFP), stellt Kohlenstoff ein Risiko dar: „Wenn man als Pensionsfonds dieses Risiko trägt, ist es aus unserer Sicht nachzollziehbar, dass damit eine fiduziarische Pflicht einhergeht. Das heißt, man sollte dieses Risiko beurteilen und abschwächen.“ Und das tut der ERAFP. Im vergangenen Jahr unterzeichnete der Pensionsfonds die im September 2014 ins Leben gerufene Initiative „Montreal Carbon Pledge“ und verpflichtet sich mit seiner Unterschrift dazu, den CO2-Verbauch seiner Portfoliounternehmen anzugeben. In der ersten CO2-Bilanz lag die Kohlenstoffintensität des Aktienportfolios bei 19 Prozent. Das Ziel für 2015: Die Kohlenstoffintensität soll auf etwa 16 Prozent reduziert werden. 
portfolio institutionell newsflash 15.06.2015/Kerstin Bendix
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