Alternative Anlagen
13. September 2013

Klimawandel wandelt die Portfolios

Tue Gutes und rede darüber: Das könnte das Motto der UN PRI sein. Schließlich verpflichten sich deren Signatoren, Nachhaltigkeit in der Kapitalanlage zu promoten. In Deutschland tun dies nur wenige, die Bedeutung von ESG-Kriterien nimmt aber zu. Altruismus ist nicht gefragt, sondern Pragmatismus – insbesondere in den Emerging Markets.

Klimawandel: Ist das nur ein Hirngespinst von Umweltaktivisten und Panikmachern oder traurige Realität? Nachdem bereits 2002 eine­ Jahrhundertflut über Deutschland hinwegrollte und nur elf Jahre später wieder Teile von Bayern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen unter Wasser standen, lässt sich Letzteres zumindest nicht gänzlich von der Hand weisen. Der Klimawandel scheint in Deutschland angekommen zu sein und hat inzwischen auch das ein oder andere institutionelle Portfolio erreicht – und gewandelt. Während in Skandinavien­ und den Niederlanden nachhaltige Investments unter Investoren längst eine Selbstverständlichkeit sind, haben sich in Deutschland bisher nur wenige­ institutionelle Anleger zur Nachhaltigkeit bekannt, zumindest wenn man den nackten Zahlen der Vereinten Nationen zu ihren Grundsätzen für verantwortliches Investieren (UN PRI) glaubt. Zum Vergleich: In den Niederlanden haben 29 Asset Owner die Prinzipien­ unterzeichnet, in Deutschland – einem Land, das mit 80 Millionen Einwohnern gut fünfmal so groß wie Holland ist – sind es bisher nur zwölf. Neuestes Mitglied in dieser erlesenen Runde ist seit Mai 2013 die Sparkassen-Pensionskasse.

Die Zurückhaltung der deutschen Institutionellen führt Dr. Wolfgang Engshuber, Chairman der UN PRI, auf ein kulturelles Problem zurück: die deutsche Gründlichkeit. „Die Deutschen sind so gewissen­haft. Sie wollen sehen, worauf sie sich einlassen“, erklärte Engshuber auf der Sustainability-Konferenz von Robeco. Die Asset Owner aus anderen Ländern würden dies deutlich lockerer sehen. Sie haben nicht den Anspruch, bereits vor der Unterzeichnung alles zu erfüllen, was in den PRI gefordert wird. Trotz der kulturellen Hemmnisse ist Engshuber zuversichtlich, dass die Zahl der deutschen Unterzeichner schon bald steigt: „Viele sind in der Pipeline.“ Aus dieser Aussage mag ein Stück weit der erforderliche Optimismus sprechen, den man als verantwortlicher UN-PRI-Beauftragter in Deutschland versprühen  muss. Aber tatsächlich ist das Bild nicht so düster, wie die Liste der deutschen PRI-Unterzeichner zunächst anmutet. Auf der Liste taucht nämlich eine Reihe von institutionellen Investoren nicht auf, die sich dennoch schon seit langem dem Nachhaltigkeitsgedanken verschrieben haben. Ein Beispiel: Die 1995 gegründete Oeco Capital Lebensversicherung verpflichtet sich bereits in ihrer Satzung ausdrücklich zu einer­ umwelt- und menschenfreundlichen Kapitalanlagepolitik. „Die Differenzierung zu anderen Versicherungen findet in erster Linie über die Kapitalanlagen statt“, erläuterte Axel Wilhelm, Umweltbeauftragter der Oeco Capital, auf dem portfolio-Expertenseminar zum Thema Nachhaltigkeit. „Unser ökologischer Beirat hat für Oeco Capital­ eigene Nachhaltigkeitsrichtlinien entwickelt, die das Fundament bei der Auswahl aller­ Kapitalanlagen bilden“, fügte er hinzu.

Die grundsätzlichen Richtlinien sind in Positiv- und Negativkriterien festgelegt. Zu den Positivkriterien gehören unter anderem Klimaschutz, Erzeugung und Nutzung regenerativer Energieformen, umweltschonende Produktionsmethoden, ökologische Produktgestaltung, Abfallvermeidung und -verwertung oder ökologischer Landbau. Auf der Liste der Negativkriterien finden sich beispielsweise die Erzeugung von Atomenergie, die Herstellung von Kriegswaffen und Militär­gütern, die Verschwendung von natürlichen Ressourcen, Verstöße gegen Umweltrecht, Naturschutzgesetze oder internationale Konventionen zum Schutz der Umwelt, Tierversuche und artwidrige Tierhaltung oder ausbeuterische Kinderarbeit. „Wir fühlen uns, wie der Name schon sagt, insbesondere dem Umweltgedanken verpflichtet. Das war der Ursprung der Gesellschaft und wird auch in Zukunft ein Schwerpunkt bleiben. Aber wir berücksichtigen auch soziale Aspekte­ seit jeher mit und entwickeln unseren nunmehr nachhaltigen­ Kriterien­katalog laufend weiter“, erklärte Wilhelm bezüglich der Dominanz des Aspektes „Ökologie“ im Kriterienkatalog. Die Kapital­anlagen der Versicherung belaufen sich im Übrigen auf rund 301 Millionen Euro. Mit 273 Millionen Euro besteht der Hauptteil aus Renten im Direkt­bestand, von denen mehr als 90 Prozent A-geratet sind. Insgesamt­ umfasst das Anlageuniversum, aus dem Oeco Capital für ihr Portfolio auswählen kann, rund 300 Titel. Darunter finden sich ledig­lich zehn staatliche Emittenten. „Bei diesen Emittenten handelt es sich um stabile­ europäische Länder mit insgesamt eher niedrigen Renditen, die sogenannten Piigs-Staaten sind dagegen nicht zum Investment zugelassen. Das ist vor dem Hintergrund des derzeitigen Niedrigzins­umfeldes durchaus eine Herausforderung“, so Wilhelm. Die Oeco Capital­ ist daher nicht zuletzt bestrebt, ihr Anlageuniversum um neue Anlageklassen zu erweitern. Unter anderem wurde in Windkraft­anlagen investiert. Auf dem Radar sind derzeit auch Green Buildings, es soll langfristig eine Immobilienquote aufgebaut werden, erklärte Wilhelm. Das Angebot an geeigneten „grünen“ Immobilienfonds sei jedoch derzeit noch überschaubar.

Die Oeco Capital ist nicht das einzige Beispiel eines deutschen Investors,­ der sich zwar der Nachhaltigkeit verschrieben, aber die UN PRI nicht unterschrieben hat. Auf der Liste fehlen auch die Kirchen und ihre Einrichtungen – mit Ausnahme der Evangelischen Kredit­genossenschaft (EKK) –, die jeweils eigene Leitfäden für ethisch nachhaltige Geldanlagen veröffentlicht haben. „Nachhaltigkeit ist für uns ein strategischer Erfolgsfaktor. Wir haben ihn in die komplette Bank übertragen“, sagte Michael Hepers, Bereichsleiter Treasury & Port­foliomanagement bei der Bank für Kirche und Caritas (BKC), auf dem portfolio-Seminar zu Nachhaltigkeit. Anders als die Oeco Capital stellt die BKC, die mit 80 Prozent Eigenanlagen den Schwerpunkt auf den Kapitalanlagen hat, jedoch nicht den Umweltaspekt in den Mittelpunkt, sondern den Schutz des menschlichen Lebens. „Aus dem Schöpfungsauftrag ziehen wir unsere Ausschlüsse“, so Hepers. Auf Länderebene sind es Themen, wie Menschenrechtsverletzungen, Religions­freiheit, totalitäre Regime und die Todesstrafe, die zum Ausschluss von Staaten führen. Bei Unternehmen steht auf der Ausschlussliste beispielsweise Rüstung und Militär, Pornografie, Kinderarbeit sowie Glücksspiel. Die BKC arbeitet dabei mit Schwellen, zumeist­ liegen diese bei fünf Prozent des Umsatzes eines Unternehmens. Den Grund für diese­ Vorgehensweise veranschaulicht Hepers an einem Beispiel: „Die Telekom erzielt 0,08 Prozent ihres Umsatzes aus Pornografie. Ohne solche Schwellen wären sämtliche Telekommunikationsunternehmen raus.“ Insgesamt sind bei der BKC etwa 33 bis 34 Prozent des MSCI ausgeschlossen. „Wir können damit leben. Diversifikation ist für uns möglich“, so der BKC-Treasury-Leiter. Neben Ausschlüssen arbeitet die Kirchenbank auch mit 130 Positiv- und Negativkriterien aus rund 50 Themenbereichen. Mit Hilfe einer eigenen­ Datenbank und externen Research-Quellen wird für einzelne Emittenten ein Nachhaltigkeits-Score ermittelt. In die branchenbesten­ Unternehmen je Sektor wird dann aus Nachhaltigkeitssicht bevorzugt investiert. Da für die Datenbank eine Börsennotiz nötig ist, kann es passieren, dass nicht börsennotierte Unternehmen kein Rating haben.­ In diesen Fällen wird ein Pre-Check durchgeführt und erst später ein Rating erstellt. Das ist einer der Gründe, weshalb stichtagbezogen „nur“ 95 Prozent der Eigenanlagen der BKC nachhaltig sind. „Wir sind davon überzeugt, dass Unternehmen, die bewusst bestrebt sind, ihre Geschäftsabläufe nachhaltig zu gestalten, im Vergleich zum Branchenschnitt langfristig risikoadjustiert stabilere Renditen erwirtschaften“, schloss Hepers seinen Vortrag auf dem portfolio-Seminar.

Diese Ansicht teilen aber nicht alle deutschen Investoren. Hart­näckig hält sich das Vorurteil: Nachhaltigkeit kostet Performance. Dies zeigt auch eine neue Studie von Union Investment und Professor­ Henry Schäfer von der Universität Stuttgart, für die im Frühjahr 2013 insgesamt 201 institutionelle Anleger mit einem verwalteten Ver­mögen von mehr als einer Billion Euro befragt wurden. Wie im Vorjahr gaben knapp 50 Prozent der Investoren an, keine Nachhaltigkeitskriterien bei ihren Anlage­entscheidungen zu berücksichtigen. Vor allem mangelnde Vorgaben in den Anlagerichtlinien bremsen die Nachfrage dieser Gruppe. Bei immerhin 36 Prozent wird die Skepsis gegenüber nachhaltigen Investments nach wie vor durch die Angst vor Renditenachteilen geschürt. „Eine solche Einschätzung muss verwundern, denn die Wissenschaft kommt mehrheitlich zu einem anderen Ergebnis“, erläutert Alexander Schindler. Das Vorstandsmitglied­ von Union Investment verweist auf eine Metastudie des Research­ Center for Financial Services­ der Steinbeis-Hochschule in Berlin, in der 195 wissenschaftliche Arbeiten zum Performance-Unterschied nachhaltiger gegenüber traditionellen Anlagen untersucht wurden. Dabei konnte gezeigt werden, dass nachhaltige Anlagen grundsätzlich keine Performance-Nachteile haben und Nachhaltigkeitsfaktoren als Risikofilter genutzt werden können.

Ohne Kompromiss geht‘s nicht

Ob diese Metastudie für ein deutschlandweites Umdenken unter den Nachhaltigkeitsabstinenzlern sorgen wird, lässt sich nur schwer vorhersagen. In einem Punkt sind sie sich mit den Nachhaltigkeits­befürwortern jedenfalls einig: dem Ziel, auskömm­liche Renditen zu erwirtschaften. „Die Emerging Markets gelten als ­Investmentmarkt von morgen. Dort kriege ich heute noch durchaus gute Renditen“, erklärte Oliver Dräger, Consultant bei Faros, in seinem Vortrag auf dem portfolio-Expertenseminar. Für Investoren, die sich zur Nachhaltigkeit in ihrer Kapitalanlage bekannt haben, sind solche Schwellenländer­investments allerdings schwer umzusetzen. „Viele geben sich harte Ausschlusskriterien, was das Anlage­universum signifikant einschränkt. Bei Staatsanleihen fallen fast alle Emerging Markets weg“, so Dräger. Übrig bleiben im Wesentlichen Südkorea, Südafrika, Chile, Indien, Polen und gegebenenfalls Brasilien. Ein solches Portfolio aus lediglich vier bis fünf Ländern widerspricht jedoch dem Diversifikationsgedanken: Klumpenrisiko lässt grüßen. Hinzu kommt: „Es gibt kein entsprechendes Produkt“, wie Dräger zu berichten wusste. Der Investor müsste sich individuell ein Mandat zusammenstellen, was wiederum das Klumpenrisikoproblem nicht löst und letztlich auch aus Renditesicht wenig Sinn macht. „Ein Portfolio aus den genannten Ländern würde auf aktueller Basis nur 2,3 bis 3,0 Prozent erzielen und damit die nötige strategische Rendite von sechs Prozent signifikant unterschreiten“, meint der Consultant.

Was also tun? Nach Ansicht von Dräger bleiben zwei Möglich­keiten. Entweder kann der Investor an seinen harten Kriterien festhalten und auf Emerging Markets im Portfolio verzichten, oder er lockert seine­ strengen Kriterien. Dies ist keine einfache Entscheidung, wie der Faros-Consultant an einem Kundenbeispiel veranschaulicht. Der namentlich nicht genannte Kunde kam 2012 auf eine ordentliche Performance. Allerdings zeichnet sich bereits ab, dass die künftige Wertentwicklung gefährdet ist und ohne Emerging Markets die langfristige­ Zielrendite von 4,5 Prozent nicht mehr zu machen sein wird. Und so sah die aktuelle strategische Asset Allocation dieses Kunden auch eine Staatsanleihenquote aus den Emerging Markets von 18 Prozent vor. Ungeachtet dessen hat sich der Kunde gegen eine Auflockerung seiner harten Kriterien entschieden. „Er muss nun einen anderen Weg finden, um auf die Rendite zu kommen“, berichtete Dräger. Wie dieser­ Weg aussieht, führte er jedoch nicht näher aus.

Will ein Investor nicht auf Schwellen­länder im Portfolio verzichten, muss er sich also von seinen harten­ Ausschlusskriterien verabschieden. Nach Ansicht von Dräger ist durch den Einsatz von ESG-Filtern­ im Sinne eines Responsible-Ansatzes eine­ Renditeerwartung von vier bis fünf Prozent realistisch. Bei einer völligen Öffnung und Auswahl von Spezialisten sei mittelfristig sogar eine Zielrendite von fünf bis sechs Prozent machbar. Allerdings: „Die Auswahl geeigneter Anbieter ist nicht einfach. Es gibt nur eine ­begrenzte Anzahl an Asset Managern, die Nachhaltigkeitskriterien in ihre­ Emerging-Markets-Produkte­ einbeziehen“, so Dräger.­ Von diesen definiert jedes Haus Nachhaltigkeit anders. Überall muss der Investor Kompromisse eingehen. Der Ansatz von Robeco ­besteht beispielsweise aus einer Drei-Säulen-Strategie, in der ein ökonomisches Barometer, ein ESG-Profil und nachhaltige Verschuldungskennziffern berücksichtigt werden. Es gibt keine harten Ausschlüsse, und die ESG-Kriterien haben ein variables Gewicht. Bei diesem Ansatz ist es somit möglich, dass auch in Länder mit einem schlechten ESG-Rating aufgrund ihrer ökonomischen Kennzahlen ­investiert wird. So ist beispielsweise zu erklären, weshalb Russland im Portfolio von Robeco zu finden ist. „Das sind die Kröten, die man schlucken muss. Nachhaltige Investments in Emerging Markets­ sind möglich – mit Abstrichen“, ist Dräger überzeugt. Die Frage ist, ob und inwieweit die Investoren dazu bereit sind.

Unternehmen sind nicht ihre Staaten 

Bei der Bank für Kirche und Caritas ist Russland definitiv ausgeschlossen. Das gilt allerdings nur für den Staat, nicht für das Unternehmen Gasprom. „Wenn mehr als 25 Prozent Staatsbeteiligung besteht, dann wird ausgeschlossen“, erläuterte Hepers. Neben Russland sind noch zahlreiche andere Schwellenländer aussortiert – insgesamt 67 bis 70 Prozent. „Es bleiben rund acht Emittenten“, erläuterte der BKC-Treasury-Leiter. „Das wollte kein Asset Manager aktiv machen, deshalb wird das passiv gemanagt“, fügte er hinzu. Nicht nur bei Emerging Markets legt die BKC den Fokus auf Negativkriterien, sondern bei allen staatlichen Emittenten. „Wir schließen bei Staaten relativ viel aus. Der Asset Manager braucht keine Expertise in Nachhaltigkeit, wir legen ihm unsere Liste vor“, so Hepers. Ausgeschlossen sind unter anderem US-amerikanische und französische Staatsanleihen.

Der Ausschluss von US-Treasuries ist gerade unter kirchlichen Investoren weit verbreitet – so auch bei der Evangelischen Kreditgenossen­schaft. Dennoch findet sich im  Portfolio der EKK die USA wieder, und zwar in Form von Unternehmen. „Ich kann IBM nicht dafür bestrafen, dass es in einigen Bundesstaaten der USA die Todesstrafe gibt. Hier muss man abwägen“, erläuterte Joachim Fröhlich, Treasury-Leiter der EKK, auf der Sustainability-Konferenz von Robeco. „Wir haben unsere Definition von Nachhaltigkeit gefunden. Diese ergibt sich aus den Werten der Kirche und hat keinen Universalanspruch“, fügte er hinzu. Jeder institutionelle Investor muss seinen eigenen Weg finden. Entscheidend ist für Fröhlich, dass man überhaupt damit anfängt: „Wenn ein Portfolio nur zu 50 Prozent nachhaltig ist, ist das besser als nichts. Es müssen nicht 100 Prozent sein.“ Dies ist auch bei der EKK noch nicht der Fall. „Wir setzen bei uns den Leitfaden der Evangelischen Kirche Deutschlands um, haben aber natürlich auch noch Altanlagen, die sukzessive umgestellt werden“, so Fröhlich. In dasselbe Horn stößt der UN-PRI-Chairman Engshuber: „Eine einheitliche Definition für Nachhaltigkeit wird es nie geben. Das ist ein Lernprozess. Die Welt ist zu komplex, als das man alles wasserdicht bekommt.“ Anstatt Perfektionismus ist Pragmatismus gefragt, wenn es um Nachhaltigkeit in der Kapitalanlage geht.

portfolio institutionell, Ausgabe 7/2013

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