Schwarzer Schwan
10. Oktober 2014

Messer, Gabel, Schere, Licht

Der falsche Umgang mit Messer und Gabel, aber auch so manche Motivationsapelle werfen ein schlechtes Licht auf Regierungen und Unternehmen.

Der Kanzler der Einheit hat in dieser Woche zwar nicht wieder Geschichte geschrieben, dafür aber Klartext gesprochen. Dabei bekam die amtierende Bundeskanzlerin von ihrem politischen Ziehvater einmal so richtig ihr Fett weg – vor allem essenstechnisch: „Frau Merkel konnte ja nicht richtig mit Messer und Gabel essen. Sie lungerte bei den Staatsessen herum, so dass ich sie mehrfach zur Ordnung rufen musste.“ Kohls Appelle haben offenbar gefruchtet. Heute beherrscht Angela Merkel die Tischmanieren so souverän wie das SMS-Schreiben und beweist auch durch ihre Kanzlerschaft, dass sie von Helmut Kohl doch noch einigermaßen erfolgreich sozialisiert wurde.
Wie der langjährige CDU-Chef hatte auch die Wall Street in den 80er Jahren, als sich noch niemand um Sabbaticals oder die Work-Life-Balance scherte, eine Blütezeit. Und wie Kohl pflegte man auch an der Wall Street bei der Mitarbeiteransprache einen sehr direkten Ton. Nachzulesen ist dies beispielsweise in dem Buch „Liar´s Poker“, in dem Michael Lewis seine beruflichen Anfänge beim seinerzeit hochgeachteten Bond-Händler Salomon Brothers verarbeitet. „If you guys weren´t trading bonds, you´d be driving a truck. Don´t try to get intellectual in the marketplace. Just trade.” Offenbar brauchte es für den Bonds-Handel damals auch keine Geistesgröße. Diejenigen, die für Geistesgrößen gehalten – und bezahlt – wurden, vermittelten den Azubis auf jeden Fall ein einfaches Weltbild: „If you fuckin´ buy this bond in a fuckin´ trade, you´ve fuckin´ fucked.” Komplexer wurde es nur, wenn Problem-Bonds an die Kunden, nun ja, ausgelagert werden mussten. Nachhaltig war dieses Geschäftsmodell auf jeden Fall nicht; Salomon Brothers ist Geschichte und Buchautor Lewis zog als ein Fazit, dass es offenbar nicht reicht, nur dicke Zigarren zu rauchen und andauernd „fuck“ zu sagen. 
Anleihen aus dem Tierreich 
Darum wollen wir nun bei der nächsten Kapitalmarkt-Koryphäe auf das von unseren amerikanischen Freunden so hochgeschätzte F-Wort verzichten. Jordan Belfort, selbsternannter Wolf of Wall Street, pflegte im Gegensatz dazu eine, wenn auch einseitig extrinsisch, motivierende Mitarbeiteransprache. Dabei berücksichtigte der ehemalige Aktienhändler auch den Intellekt und die Gier der Beschäftigten beim Wertpapiermakler „Stratton Oakmont“: „This is a telephone. Pick up the phone and I will make you richer than the most powerful CEOs of America.”
Verbesserungswürdig war aber auch das Kundenverständnis des wegen Wertpapierbetrügereien und Geldwäsche zu einer mehrjährigen Gefängnisstrafe verurteilten Ehrengastes des nächsten Institutional Money Kongresses, der am 24. und 25. Februar 2015 in Frankfurt unter dem Motto „Treffen Sie die Elite der Finanzwelt“ tagt: „Don´t hang up the phone until the client buys or dies!” (*)
Ähnlich anschaulich wie der Wolf, aber noch aggressiver redete der „Gorilla“: Richard Fuld, ehemaliger CEO der einst drittgrößten Investmentbank der Welt, Lehman Brothers. Seinen Spitznamen Gorilla verdiente er sich nicht nur wegen seines Äußeren, sondern auch weil er die non-verbale Argumentation beherrschte. Um ein bestimmtes Anliegen voranzutreiben, wischte er kurzerhand Papierstapel vom Schreibtisch, prügelte sich beim Militär mit einem Vorgesetzten und bei einem Hockey-Spiel seines Sohnes mit einem anderen Vater. Nur noch ein Äffchen war er jedoch, als er nach seiner Demission arbeitssuchend durch Manhattan irrlichterte und kurzfristig bei einem schlecht beleumundeten Makler von Pennystocks anheuerte und damit ausgerechnet auf den Spuren von Jordan Belfort wandelte. 
Und Deutschland? Da fällt einem im Finanz(un)wesen nur die Filmfigur „Stromberg“ ein, seines Zeichens leitender Angestellter einer fiktiven Versicherung und auch kein echtes Motivationstalent: „Was ihm an Grips fehlt, gleicht er durch Blödheit aus.“ Oder: „Der Angestellte an sich ist wie ein Fluchttier: Wenn’s Probleme gibt, rennt er weg und macht große Augen.“ Schlussendlich hat auch Stromberg nur die Denkstrukturen und Manieren eines Primaten: „Firmenfeiern sind wie das letzte Abendmahl: Immer zu wenig Weiber, das Essen ist schlecht und am Ende gibt’s Ärger.“ Hoffentlich kann Stromberg auf diesen Firmenfeiern dann wenigstens richtig mit Messer und Gabel essen und lungert nicht rum. 
In diesem Sinne wünscht Ihnen die Redaktion von portfolio ein schönes Wochenende. 
* Diese Version stammt vom 16. Oktober 2014 und enthält Zusatzinformationen.
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