Strategien
21. August 2017

Mit innovativen Custom-Indizes spezifische Nachhaltigkeitsanforderungen in der Aktienanlage berücksichtigen

Ewald Stephan, Vorstandsmitglied, und Daniel Wolbert, Abteilungsleiter Kapitalanlagen, Verka VK Kirchliche Vorsorge VVaG beschreiben ihre Nachhaltigkeitsgedanken und wie sie daran anknüpfende, indexbasierte Anlagestrategie mit kundenspezifischen Benchmarks versehen haben.

Für den Verka VK Kirchliche Vorsorge VVaG (kurz „Verka“) als institutionellen Investor mit kirchlichem Hintergrund und Herkunft in der Rechtsform eines Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit (VVaG) stehen christliche Werte wie Sozialverträglichkeit, Ökologie und Generationen­gerechtigkeit im Fokus und beeinflussen seit je her Anlageentscheidungen. Die Verka stuft die Nachhaltigkeit heute als gleichberechtigten Anlagegrundsatz ein. Die klassischen Anlagegrundsätze Sicherheit, Rentabilität und Liquidität berühren letztlich alle die Nachhaltigkeit.
Die im Laufe der Zeit gesammelten Erfahrungen sind insgesamt deutlich positiv. So bietet eine vollständig nachhaltige Kapitalanlagenausrichtung aus Sicht der Verka verschiedene Vorteile. Neben einer häufig hiermit verbundenen und in den zurückliegenden Jahren in den ­einzelnen Teilportfolien tatsächlich zu beobachtenden Abnahme der Bestandsvolatilitäten bei gleichzeitig mindestens gleichwertiger – in einigen Fällen sogar leicht erhöhter – Performance werden der Pensionskasse mitunter zusätzliche Geschäftspotenziale infolge der positiven Öffentlichkeitswirkung eröffnet. Nachhaltigkeit spielt auch im Bereich der Aktienanlage der Verka eine große Rolle.
Eine Besonderheit in Bezug auf das Aktienengagement der Verka besteht darin, dass Aktienstrategien nicht in Form von aktiven Managementansätzen, sondern mittels passiver Mandate umgesetzt werden. Die Aktienanlage und deren Ausrichtung orientieren sich somit streng an vorgegebenen Indizes. Indexbasierte Anlagestrategien haben aus Sicht der Verka zum einen Kosten- und Effizienzvorteile, zum anderen wird grundsätzlich davon ausgegangen, dass ein aktiver Manager den Markt nicht langfristig outperformen kann. Auch ­passive Mandate können Nachhaltigkeitsanforderungen erfüllen.
So sind seit Jahren Aktienindizes der namhaften Indexprovider wie Dow Jones („Dow Jones Sustainability Indexes“) und MSCI („MSCI ESG/SRI­Indexes“) sowie kleinerer Anbieter verfügbar, die auf unterschiedliche Art und Weise ESG- beziehungsweise SRI-Themen mit abdecken. Dem ­folgend hat die Verka ihr europäisches Aktienengagement vor einigen Jahren auf den MSCI Europe SRI und das globale Investment auf den MSCI World SRI umgestellt. Da die rein passive ­Anlagestrategie ­keine Möglichkeit bietet, das Portfolio „zusätzlich“ durch einen Eingriff von außen durch das Overlay-Management nachhaltig auszurichten, müssen die betreffenden Aktienindizes den Nachhaltigkeitsanforderungen bereits so weit wie möglich genügen.
Das gewählte Anlagekonzept im betreffenden Spezial-Sonderver­mögen in Form von Total-Return-Swaps, aufgrund dessen Geldmarktverzinsung in Aktienperformance getauscht wird, so dass kein ­physisches Aktienportfolio vorhanden ist, lässt überdies keine ­Abweichung vom Index zu. Genau hier liegt jedoch die Schwachstelle passiver Anlagestrategien im Hinblick auf individuelle Nachhaltigkeitsanforderungen. Die bislang vorhandenen ESG- beziehungsweise SRI-Standardindizes einschließlich der seitens der Verka ursprünglich gewählten MSCI-Indizes genügen nicht oder nur unzureichend den Anforderungen der Verka an nachhaltige Investments.
Die Verka orientiert sich hinsichtlich ihrer Nachhaltigkeitsanforderungen am Leitfaden für ethisch nachhaltige Geldanlage in der evangelischen Kirche (EKD) und ergänzt diesen um konkrete Klimaziele beziehungsweise Vorgaben zu CO₂-Emissionen. Um diesen Anforderungen und Zielen möglichst gerecht zu werden, entstand die Idee, Aktienindizes zu entwickeln, die genau diesen Ansatz verfolgen, aber nicht schlechter performen als bestehende Benchmarks und die Portfoliovolatilität mindern, insgesamt also die Rendite-Risiko-Relation der Aktienanlage unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten optimieren. 
Die Überlegungen und Vorarbeiten zu entsprechenden Custom-­Indizes beim Asset Manager und Indexprovider MSCI in Abstimmung mit der Verka begannen im März 2016, also fast 15 Monate vor der Umsetzung und Implementierung im Rahmen des bestehenden Aktienmandats. Neben den üblichen Fragestellungen im Hinblick auf die Auflegung neuer Indizes wie der angestrebten Anzahl der Indexaktien, Selektion und Caps hinsichtlich Sektoren und Ländern oder der Frequenz der Index-Reviews waren hier praktische sowie eher theoretische Nachhaltigkeitsvorgaben zu berücksichtigen. Hierbei war es mit einer einfachen Übernahme der Filterkriterien des EKD-Leitfadens nicht getan. Eine Vielzahl von Fragen und offenen Punkten wie diese war in den folgenden Monaten zu klären:
Welche Mutterindizes werden sinnvollerweise ausgewählt?
Wie wird der „kritische Umsatzanteil“ im Hinblick auf Ausschlüsse definiert? Während der EKD-Leitfaden von maximal zehn Prozent ausgeht, sehen MSCI-Vorgaben fünf Prozent vor.
Wie erfolgt die im EKD-Leitfaden vorgesehene spezifische Berücksichtigung des Ausschlusses von Produzenten alkoholischer ­Getränke mit mindestens 15 Prozent Alkoholgehalt?
Sollen nur Tabakproduzenten ausgeschlossen werden oder auch Unternehmen, die am Vertriebsprozess beteiligt sind?
Wie soll das „Low-Carbon-Ziel“ umgesetzt werden – mittels Filters für Kohle oder sämtliche „Fossil Fuels“ oder ausschließlich mittels Best-in-Class-Ansatzes hinsichtlich des Carbon Footprints?
Die eher fachspezifischen Fragen waren nach kurzer Abstimmung eindeutig zu beantworten. Eine Hürde war jedoch nicht ganz so ­einfach zu meistern: Mit Abstand am zeitaufwändigsten war unerwarteterweise die Namenswahl. Die Indexnamen sollten einerseits die inhaltlichen Besonderheiten im Vergleich zu den Standardindizes widerspiegeln, andererseits jedoch den strengen MSCI-Regularien entsprechen. Der kleinste gemeinsame Nenner war schließlich „MSCI Select SRI Indizes“.
Indexspezifikationen im Detail
Wie sehen nun die Indexspezifikationen der beiden MSCI Select SRI Indizes aus? Gemäß Indexkonzept basieren sie auf den Indexregeln der SRI-Mutterindizes MSCI Europe SRI und MSCI World SRI. Diese sehen bereits Unternehmensausschlüsse aufgrund von Negativkriterien zu kritischen Branchen wie Tabakwaren, Glücksspiel, Erwachsenenunterhaltung und Atomkraft vor. Weitere Ausschluss­kriterien ergeben sich branchenübergreifend aus Governance-Vorgaben etwa hinsichtlich Korruption sowie kontroversen Geschäftspraktiken. Die Select-SRI-Indizes schließen zusätzlich Aktien mit Exposure in den Bereichen Rüstung und Alkoholdestillation vollständig aus.
Zusätzlich werden Aktien von Unternehmen ausgeschlossen, die in Zusammenhang gebracht werden mit inhumanen Arbeitsbedingungen sowie Kinderarbeit. Ein weiterer Ausschluss ergibt sich in Bezug auf Unternehmen, die Kohle- beziehungsweise fossile Brennstoffreserven halten, was eine enorme Reduzierung der CO₂-Emissionsbelastung zur Folge hat und kohlenstoffarme Technologien im Umkehrschluss fördert. Die finale Indexgewichtung erfolgt basierend auf einer ESG-Fokus-Optimierung zur Maximierung des ESG-Scores, den MSCI ESG Research auf Basis der verfügbaren Daten fortlaufend ermittelt, und zur Minimierung des Tracking Error. Letzterer liegt jeweils konstant unter zwei Prozent.
In der Konsequenz hat die Verka ein innovatives und im Hinblick auf den Nachhaltigkeitsansatz so bislang nicht vorhandenes Aktienprodukt erworben, das eine sehr hohe Korrelation zu den Standard- beziehungsweise Mutterindizes aufweist, hierbei jedoch zum einen deutlich nachhaltiger aufgestellt ist und zum anderen die Portfolio­volatilität reduziert. Das Universum investierbarer Unternehmen ist hierbei jeweils mit mehreren hundert Aktien hinreichend groß geblieben, so dass eine ausgewogene Diversifikation jederzeit gewährleistet bleibt. Auf lange Sicht werden hier unter Ausnutzung der Faktorprämie „Qualität“, die sich auch öffentlichkeitswirksam positiv auswirkt und die „Nachhaltigkeitsperformance“ erhöht, positive Folgen für das Kapitalanlagenportfolio hinsichtlich Performance und Risikoexposition erwartet.
Nachhaltigkeit ist insofern aus Sicht der Verka integrativer Bestandteil des Risikomanagements. Bei den ­beschriebenen Indizes handelt es sich zwar um individualisierte Benchmarks. Dennoch kann jeder Investor mit vergleichbaren ökonomischen und nachhaltigkeitsbezogenen Anforderungen diese für seine Aktien­anlage verwenden, ohne in Anbetracht des geringen Tracking Error erhöhte Risiken einzugehen.
Auch wenn der Zeitraum von der Idee bis zur Umsetzung und Implementierung der Custom-Indizes lang war, hat sich der Aufwand für den „Turnover“ bei der Verka doch in Grenzen gehalten. Der Nutzen überwiegt hier den Aufwand deutlich. Letztlich wurden bestehende Total-Return-Swaps auf die ursprünglichen Indizes gedreht in neue auf die Select-SRI-Indizes samt Anpassung der Options- und Devisensicherung. Die laufenden Kosten, die seitens des Indexproviders für die Custom-Indizes erhoben werden, liegen bis auf wenige Basispunkte nahezu auf dem Niveau der ursprünglichen Standardindizes. Eine Weiterentwicklung des Ansatzes in Abhängigkeit von der Entwicklung des Kapitalmarktumfelds und der nachhaltigkeits­spezifischen Parameter einschließlich einer möglichen weiteren Optimierung der Nachhaltigkeitsfilter ist durchaus vorstellbar. 
portfolio institutionell, Ausgabe 8/2017 
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