Traditionelle Anlagen
31. März 2014

Mittelstandsanleihen bilden eine Wall of Debt

Auf der Suche nach Fremdkapital zieht es immer mehr Mittelständler an die Börse. In einer Kolumne wirft Dr. Konrad Bösl vom Beratungshaus Blättchen & Partner ein Schlaglicht auf das Jahr 2018. Dann wird ein Großteil der Anleihen fällig.

Das Finanzierungsinstrument „Mittelstandsanleihe“ ist in der Kritik. Dem Rentensegment haftet nach einer Reihe von Zahlungsausfällen ein fader Beigeschmack an, wie Siehier nachlesen können. So schmerzhaft die bisherigen Insolvenzen für die Anleihegläubiger auch sind, das „dicke Ende“ kommt erst noch. Davon ist Dr. Konrad Bösl, Vorstand der Blättchen & Partner AG, überzeugt. In einer aktuellen Kolumne auf Anleihenfinder.de schreibt er: „Die Stunde der Wahrheit schlägt dann, wenn die Anleihe zurückbezahlt werden muss.“ Die auf den Markt für Mittelstandsanleihen bis zum Jahr 2018 zukommende „Wall of Debt“ beziffert er auf mehr als 4,1 Milliarden Euro.
Das Segment für Mittelstandsanleihen an deutschen Regionalbörsen gibt es erst seit wenigen Jahren. Die Börse Stuttgart beispielsweise startete im Mai 2010 ein Segment im Anleihenhandel, dort können mittelständische Unternehmen Fremdkapital in Form von Anleihen mit einem Volumen zwischen 15 und 150 Millionen Euro aufnehmen. Andere Börsenplätze bieten ähnliche Plattformen für Mittelständler an. 
In diesem Jahr werden nun die ersten Mittelstandsanleihen fällig. Der Betrag ist mit rund 130 Millionen Euro noch überschaubar. 2015 steigt das Volumen der fälligen Bonds aber sprunghaft auf 450 Millionen Euro, im Jahr darauf werden bereits 760 Millionen Euro an Anleihen zur Rückzahlung fällig, so Bösl: „Der vorläufige Höhepunkt wird im Jahr 2018 mit rund 1,79 Milliarden Euro erreicht.“ 
Den Finger in die Wunde legen
In der Vergangenheit seien Investoren bei der Frage der Tilgung der Unternehmensanleihen zu leichtfertig umgegangen, mahnt Bösl und erläutert: „Vielfach wird diese Frage auf der Roadshow der Emittentin nicht näher thematisiert. Dabei müssten doch gerade die Investoren ein besonderes Interesse daran haben, die Fähigkeiten der Emittentin zur fristgerechten Anleihetilgung in ihr Kalkül mit einzubeziehen.“ Vor diesem Hintergrund vermutet er, dass die Investoren grundsätzlich davon ausgehen, dass sie sich rechtzeitig vor dem Fälligkeitstermin von der Anleihe wieder trennen. 
Als Schwachstelle in diesem Kontext betrachtet Bösl auch die Rating-Agenturen: „In ihrem Bericht zum Erst-Rating wird die Thematik der Tilgung der Anleihe überhaupt nicht aufgegriffen und analysiert.“ Als einen Grund für diesen Missstand sieht er die Kosten für das Rating. Diese würden sich erhöhen und wären „mit einem schwierigen und vielschichtigen Diskussionsprozess mit der Geschäftsführung verbunden.“ Der Fachmann stellt die rhetorische Frage in den Raum: Warum soll man sich das antun, wenn die Frage nach der Tilgungsfähigkeit der Emittentin zum Zeitpunkt der Emission sowieso nicht gestellt wird? 
Benchmark-Anleihen für Mittelständler keine Benchmark
Bösl zufolge wurde und wird bei einer Anleiheemission oftmals unterstellt, dass die Emittentin die Tilgung aus eigener Kraft leisten kann oder die Rückzahlung über die Begebung einer neuen Anleihe erfolgen wird. Letzteres sei bei der Begebung von sogenannten Benchmark-Anleihen üblich, nur, dass diese Anleihen vielfach von Unternehmen begeben werden, die größer als der typische Mittelständler sind. „Die Emittenten von Mittelstandsanleihen können sich auf den Erfolg einer solchen Vorgehensweise nicht verlassen“, warnt Bösl. Grundvoraussetzung wäre, dass der Markt intakt und aufnahmefähig bleibt. Zwar räumt der Experte aus dem Hause Blättchen & Partner ein, dass eine Refinanzierung auch über einen Bankkredit oder andere Finanzierungsinstrumente, wie zum Beispiel Schuldscheindarlehen oder eine Kapitalerhöhung, denkbar ist. „Allerdings besteht bei Mittelstandsanleihen die besondere Problematik darin, dass mit ihrer Hilfe meist Volumina generiert werden konnten, die über einen Bankkredit oder andere Finanzierungsinstrumente nicht oder nur sehr schwer zu realisieren gewesen wären.“ Das heißt im Notfall, der Vorteil für Unternehmen bei der Emission kehrt sich bei der Refinanzierung in einen Nachteil um, denn es bedarf einer Kombination mehrerer Finanzierungsquellen für eine vollständige Tilgung. 
Inzwischen sind bereits 14 Emittenten von Mittelstandsanleihen insolvent. Laut Bösl besteht deshalb für fast 700 Millionen Euro an Anleihevolumen insolvenzbedingt kein Refinanzierungsbedarf: „Man muss kein Prophet sein, um mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorherzusagen, dass noch weitere Anleihen und damit deren Gläubigern das gleiche Schicksal droht.“ Spätestens zum Zeitpunkt der Rückzahlung werde sich die Spreu von Weizen trennen. 
Zu den Opfern notleidender Mittelstandsanleihen gehört unter anderem das Stadtdekanat München, wie Siehiernachlesen können. Vor dem Hintergrund zahlreicher Insolvenzen im Bereich der Mittelstandsanleihen geht die Rating-Agentur Scope heute davon aus,dass besicherte Anleihekonzepte in der Gunst der Anleger an Boden gewinnen. 
portfolio institutionell newsflash 31.03.2014/Tobias Bürger
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