Strategien
7. Oktober 2015

München siegt, Wolfsburg steigt ab

Deutschland stellt im internationalen Vergleich die meisten ESG-Leader. Doch es gibt noch Luft nach oben. Einige Dax-Konzerne – nicht nur VW – sind in Sachen Nachhaltigkeit alles andere als Spitze. Institutionelle Investoren können hierbei mit verstärkten Dialogstrategien einiges bewirken.

Der Skandal um Abgastests macht Volkswagen schwer zu schaffen. Wie groß die Auswirkungen letztendlich sein werden, lässt sich momentan schwer abschätzen. Eine erste Konsequenz ist aber bereits eingetreten. Der Wolfsburger Autokonzern ist aus dem Stoxx Global ESG Leaders Index geflogen. Wenig tröstlich dürfte sein, dass auch den Wettbewerber Daimler dieses Schicksal ereilt hat. Wie Stoxx mitteilte, wurde der Index turnusgemäß im September überprüft. Als Ergebnis wurden 62 Unternehmen, darunter Daimler, die Deutsche Post, Beiersdorf und BASF, ausgeschlossen. Zur Begründung hieß es: Die Unternehmen erfüllen nicht länger die Auswahlkriterien. 
Das Konzept hinter dem Index berücksichtigt laut Stoxx die wichtigsten Kriterien für nachhaltige Investments, die so genannten „KPIs for ESG 3.0”, wie sie die Deutsche Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management (DVFA) und der europäische Verband der Finanzanalysten (EFFAS) definieren. Von den 30 Indextiteln im Dax gehören 13 zum Stoxx Global ESG Leaders Index, der insgesamt 348 Unternehmen umfasst. Demnach qualifizieren sich nur 19 Prozent der Indextitel des zugrundeliegenden Indexuniversums, des breiten Stoxx Global 1800, für eine Aufnahme in den Nachhaltigkeitsindex. Ein weltweiter Vergleich zeigt: Deutschland steht sehr gut da. Der Anteil deutscher Unternehmen, die sich für eine Aufnahme in den Stoxx Global ESG Leaders Index qualifizieren, ist größer als der anderer Länder. 22 von insgesamt 65 deutschen Unternehmen schaffen die Aufnahme, was einem Anteil von 34 Prozent entspricht. Bei der jüngsten Indexüberprüfung neu aufgenommen wurden auch zwei deutsche Vertreter aus dem M-Dax, Osram Licht und Hugo Boss.
Das nachhaltigste Unternehmen im Dax ist die Münchner Rückversicherung (Munich Re), die am 6. Oktober mit dem „Stoxx/Sustainalytics German ESG Award 2015” ausgezeichnet wurde. Die Auszeichnung beruht auf den Ergebnissen der Studie „Global ESG Leaders (?) – Nachhaltigkeit im DAX”, die der Indexprovider Stoxx gemeinsam mit Sustainalytics durchgeführt hat. Die Studie untersucht Unternehmen aus dem Blue-Chip-Index Dax nach Nachhaltigkeitsgesichtspunkten und bewertet diese entsprechend ihrer umfassenden Nachhaltigkeit auf weltweiter Konzernebene sowie der Tochtergesellschaft in Deutschland.  
Die Munich Re hat der Studie zufolge das insgesamt beste Nachhaltigkeitsranking erzielt. Hervorgehoben wurde insbesondere, wie die Münchner Versicherung Nachhaltigkeitskriterien sowie ökologische, soziale und Corporate-Governance-Kriterien in ihrem Kerngeschäft anwendet und zwar sowohl in der Erst- und Rückversicherung als auch der Kapitalanlage. Basierend auf den Gesamt-Scores landen die Allianz und die Deutsche Telekom auf dem zweiten und dritten Platz. Continental, Henkel und Merck liegen sowohl von absoluter Betrachtung her, wie auch im globalen Sektorenvergleich vorne. Die 13 Dax-Unternehmen, die im Stoxx Global ESG Leaders Index vertreten sind, werden in der Studie als „Dax ESG Leaders” bezeichnet. Neun von ihnen übertreffen die Durchschnittspunktzahl für die Nachhaltigkeitskriterien, die bei 87 Punkten liegt. Alle gehören zu dem Top-Quartil der Unternehmen im Index. „Mit der Veröffentlichung der Nachhaltigkeitsstudie, die wir gemeinsam mit Sustainalytics erstellt haben, wollen wir die öffentliche Aufmerksamkeit für ökologische, soziale und Corporate-Governance-Kriterien fördern – und gleichzeitig die Transparenz hierzu erhöhen”, sagte Hartmut Graf, CEO von Stoxx. Michael Jantzi, CEO von Sustainalytics, hofft, dass die Ergebnisse der Studie „einen Mehrwert für Investoren bieten und die Studie damit als Katalysator zu weiterem Wachstum bei nachhaltigen Investitionen in Deutschland führen wird." 
Die Kraft der Worte  
Laut dem jüngsten Marktbericht vom Forum Nachhaltige Geldanlagen (FNG) waren Ende 2014 im deutschsprachigen Raum rund 197 Milliarden Euro in nachhaltigen Geldanlagen investiert. Die bevorzugten Strategien sind Ausschlüsse, Integration und Best-in-Class. Auch Engagement und  Stimmrechtsausübung spielen eine zunehmend wichtige Rolle. Ende 2014 wurden 35,7 Milliarden Euro unter Nutzung von Stimmrechten verwaltet und 32,8 Milliarden Euro unter Einsatz des Engagement-Ansatzes. Wie effektiv diese Dialogstrategien sind und zu einer Verbesserung der Nachhaltigkeitsleistung der Unternehmen führen, hat eine neue Studie des Instituts für nachhaltige Kapitalanlage untersucht. Hierfür wurden die größten börsennotierten Unternehmen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz befragt. Ausschlaggebend für die Aufnahme in die Grundgesamtheit war die Listung in einem der führenden Aktienindizes der drei Länder. 55 der insgesamt 238 angeschriebenen Unternehmen (23,1 Prozent) haben sich an der Befragung beteiligt.    
Das Ergebnis: Mit 91 Prozent ist die große Mehrheit der Unternehmen von institutionellen Investoren im Rahmen von Dialogstrategien bereits auf ESG-Themen angesprochen worden. Dabei wurden Investorengespräche (84 Prozent) häufiger zur Diskussion entsprechender Aspekte genutzt als Hauptversammlungen (49 Prozent). In rund zwei Drittel aller Fälle wurden konkrete Forderungen gestellt. Besonders häufig ging es um Governance-Themen, insbesondere die Vergütung von Vorstand und Aufsichtsrat. Wie aus der Studie weiter hervorgeht, führten die konkreten Forderungen der Investoren oftmals zum Erfolg. Immerhin 44 Prozent der Unternehmen, die mit konkreten Forderungen konfrontiert waren, haben darauf mit entsprechenden Maßnahmen reagiert. Bei etwa der Hälfte dieser Unternehmen machen die Maßnahmen bis zu einem Viertel aller Aktivitäten im Nachhaltigkeitsmanagement aus. Auf die Frage nach der nachhaltigen Anlagestrategie, die den größten Einfluss auf ihr Handeln hat, landen die Dialogstrategien auf den Rängen zwei und vier. Den größten Einfluss hat nach Aussage der Unternehmen mit deutlichem Vorsprung der Best-in-Class-Ansatz.
„Die Umfrage zeigt deutlich, dass Dialogstrategien das Potenzial bieten, Unternehmen zu verstärkten Anstrengungen im Nachhaltigkeitsmanagement zu bewegen. Um dieses auszuschöpfen, müssten aber deutlich mehr Investoren den Dialog mit den Unternehmen suchen“, schreibt Rolf Häßler, Geschäftsführer beim Institut für nachhaltige Kapitalanlagen, in seinem NKI Research. Mehr zu der Studie des NK-Instituts finden Siehier.
Ein deutscher institutioneller Investor, der seit 2012 einen Dialogprozess mit Unternehmen führt, die gegen die Anlagerichtlinien verstoßen, ist die Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ (EVZ). Ausgeschlossen sind neben der Produktion von international geächteten Waffen auch moderne Formen von Kinderarbeit sowie schwere Menschenrechtsverletzungen in der Arbeitswelt. Wird bei der jährlichen Investitionsprüfung ein Verstoß festgestellt, sucht die EVZ zunächst den Kontakt und fordert das Unternehmen auf, die Missstände zu beheben. Geschieht dies nicht, werden die Wertpapiere des Unternehmens abgestoßen. Nach der jüngsten Prüfung veräußerte die EVZ eigenen Angaben zufolge Kapitalanlagen in Höhe von 1,93 Millionen Euro. Wie es in einer Mitteilung aus dem Sommer 2015 hieß, wurden Exxon Mobil, Mitsubishi, Seven & I Holdings und Sony für Menschenrechtsverletzungen kritisiert und haben im Engagement-Prozess der Stiftung nicht oder nicht überzeugend kooperiert. Die Investment in die benannten Unternehmen wurden deshalb veräußert und sind künftig aus der Kapitalanlage ausgeschlossen.    
portfolio institutionell newsflash 07.10.2015/Kerstin Bendix 
  
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