11. Dezember 2013

Neue Risiken im Liquiditätsmanagement

Bei der kurzfristigen Kapitalanlage lassen sich heute kaum noch nennenswerte Erträge erzielen. Kapitalsammel­stellen sind daher zunehmend bereit, unterrentierliche Liquiditätsanlagen auf ein Mindest­maß zu reduzieren. Das gilt insbesondere für ­Altersvorsorgeeinrichtungen und Stiftungen.

Tobias Bürger (portfolio institutionell) traf Jens Güldner (Evangelisches Johannesstift), Peter-Henrik Blum-Barth (KZVK, VKPB) und Ronny Graupeter (Sparkasse Mittelthüringen). 

Herr Graupeter, Sie sind Abteilungsleiter ­Treasury Handel bei der Sparkasse Mittel­thüringen. Welchen Stellenwert nimmt das ­Liquiditätsmanagement ein?
Ronny Graupeter: Wir sind eine klassische Sparkasse und unterliegen dem Kreditwesengesetz (KWG). Rein organisatorisch ­betrachtet, basiert unser Institut auf einer klassischen Regionalbankenstruktur. Unser Fokus liegt auf dem Kundengeschäft. So ­haben wir auf der einen Seite die Einlagen, über die die Kunden vereinbarungsgemäß verfügen können. Es gilt daher eine ­gewisse Mindestliquidität vorzuhalten.
Auf der anderen Seite nutzen wir als Sparkasse die Kundeneinlagen, um sie im ­Rahmen der ­Risikotransformationen als Kredit auszureichen. Überschussliquidität wird mit dem ­Fokus auf die jederzeitige Sicherstellung der Zahlungsfähigkeit am Kapitalmarkt im Rahmen der gesetzlichen und internen Restriktionen angelegt.

Woran orientiert sich Ihr Liquiditätsbedarf?

Graupeter: Wir haben in den vergangenen Jahren gesehen, dass sich die Kunden aufgrund des niedrigen Zinsniveaus in ihrer Anlagepolitik verstärkt auf kürzere Laufzeiten fokussiert haben. Das heißt, sie stellen uns Gelder kurz- bis mittelfristig zur Verfügung. Gleichzeitig ist auf der Kreditseite die Nachfrage nach langfristigen Darlehen gestiegen. Insofern sind wir stärker gefordert, die Risikotransformation zu übernehmen und gezielt zu steuern beziehungsweise ­abzusichern.

Herr Güldner, Sie sind Leiter Vermögens­management beim Evangelischen Johannesstift (EJS) in Berlin. Würden Sie bitte erläutern, welchen Umfang Ihre liquiden Mittel einnehmen?
Jens Güldner: Die Höhe unserer liquiden Mittel in der Holding rangiert im einstelligen bis knapp zweistelligen Millionen-Euro-­Bereich. Das Niveau schwankt je nachdem, ob Investitionsentscheidungen, wie zum Beispiel unser Krankenhaus-Neubau, anstehen oder planmäßige Zahlungen, etwa für ­Weihnachts- oder Urlaubsgeld. Unsere Kapital­anlagen sind so strukturiert, dass wir liquide Mittel in der Gesamt-Holding bündeln. Die Holding wird durch die Kern­stiftung gesteuert.
In der dynamischen Liquiditätssteuerung liegt der Anlagehorizont bei den liquiden Mitteln bei unter einem Jahr. Was den Anlage­horizont der strategischen Liquidität betrifft, haben wir mit dem EJS-Stiftungsfonds einen eigenen Investmentfonds. Dort haben wir ­etwa 41 Millionen Euro investiert.

Beim Evangelischen Johannesstift handelt es sich um eine Beteiligungsträgerstiftung, eine Art Unternehmensverbund. Müssen Sie hinsichtlich der Stiftungsprojekte für Liquidität sorgen?
Güldner: Wir arbeiten operativ zum Beispiel in der Kinder- und Jugendhilfe, der ­Altenhilfe sowie der Behindertenhilfe. Diese Aktivitäten werden weitgehend über Entgelte refinanziert. Die ordentlichen Nettoerträge aus den strategischen Kapitalanlagen decken zum Teil den Haushalt der Stiftung im engeren Sinn.

Herr Dr. Blum-Barth, als Abteilungsleiter ­Unternehmensplanung und Controlling sind Sie sowohl für die Kirchliche Zusatzver­sorgungskasse Rheinland-Westfalen (KZVK) als auch die Gemeinsame Versorgungskasse für Pfarrer und Kirchenbeamte (VKPB) tätig. Und in einer Nebentätigkeit fungieren Sie als Lehrbeauftragter an der Wiesbaden Business School. Wie organisieren Sie die Assets?
Peter-Henrik Blum-Barth: Im Finanz­ressort haben wir drei operative Kapital­anlageabteilungen. Und zwar für Wert­papiere und Fonds sowie zweitens für Immobilien und drittens für Realkredite. Daneben gibt es meine Abteilung für Unternehmensplanung und Con­trolling, die neben Steuerungsaspekten unter anderem Liquiditäts­prognosen und ­damit auch die Liquiditätsvolumina zur ­Disposition an die drei operativ anlegenden Kapitalanlage­einheiten weitergibt.
Was die Marktwerte unserer Kapital­anlagen betrifft, laufen wir zum Jahresende 2013 auf neun Milliarden Euro zu. Eines ­unserer ­wesentlichen Ziele besteht heute ­darin, die Liquidität auf unter ein Prozent der ­Kapitalanlagen zu senken. Denn Liquidität stellt für uns einen Kostenfaktor dar.

Absolut betrachtet ist das noch immer eine ­erhebliche Summe.
Blum-Barth:
Dennoch ist es sehr anspruchsvoll, das Liquiditätspolster weiter zu reduzieren. Den Opportunitätsverlust, den man in dem Zusammenhang mit praktisch unverzinster Liquidität nun einmal hat, müssen die anderen Anlagen ausgleichen. Wir können uns üppige Liquiditätsbestände nicht mehr leisten und müssen unsere freien Mittel reduzieren, um über die Gesamtanlagen hinweg mehr Ertrag zu generieren.
 
Müssen Sie bei der Liquiditätsplanung auch berücksichtigen, wie sich Ihr Passiv-Cashflow entwickelt?
Blum-Barth:
Ja, so ist es. Eine weitere zentrale Frage muss aus meiner Sicht lauten: Haben wir in unseren Rentenverträgen gewisse ­Optionalitäten für die Versicherungsnehmer? Können beispielsweise Einmal­kapitalzahlungen auf Wunsch unserer Ver­sicherten abfließen?

Und wie lautet die Antwort darauf?
Blum-Barth:
Wir haben das Glück, dass unsere Verträge nur durch Tod enden, nicht durch Kapitalleistungen. Das mag etwas ­makaber klingen, es ist aber nun mal so. Die Prämisse erleichtert die Planung, gerade wenn es darum geht, den Nutzen auf die ­Kapitalanlagestruktur zu transferieren.

Wenn Sie auf der Passivseite eine hohe ­Planungssicherheit haben, können Sie doch auf der Aktivseite versuchen, mit möglichst wenig Liquidität auszukommen.
Blum-Barth:
Genau. Das ist eben der Vorteil im Vergleich zu einer Sparkasse. Angesichts unserer Verpflichtungsstruktur haben wir eine höhere Planungssicherheit. Der Nachteil ist allerdings, dass wir uns nicht so einfach refinanzieren können, wie eine Bank das durch Zugang zur Europäischen Zentralbank, der EZB, kann. Deshalb versuchen wir auf der Aktivseite möglichst wenig Kreditausfall zu riskieren. Themen wie die Nutzung von ­Illiquiditätsprämien stehen deshalb für uns im Vordergrund.
Güldner: Beim Thema Liquiditäts­management muss eine Stiftung aktuell besonders aufpassen, weil die Ertragslage sehr angespannt ist. Die zu erzielenden ordentlichen Nettoerträge mit dem Risikobudget, wie wir es vorgegeben haben, sind sehr gering. Sie liegen in diesem Jahr bei zwei bis zweieinhalb Prozent. Und wenn ich unseren Haushalt für die Kernstiftung und unsere Förderprojekte betrachte, besteht in der Kapital­anlage eine sehr ambitionierte Aufgabe.

Herr Graupeter, welche Aspekte möchten Sie im Hinblick auf die aktuelle makroökonomische Lage hervorheben?
Graupeter:
Beim Thema Makroökonomie stelle ich mir zwei zentrale Fragen: Wann beginnen die Zentralbanken damit, die massive Liquidität in den Märkten zu verknappen, und was passiert dann mit jenen Bankgruppen, die ihre Refinanzierung maßgeblich auf die Refinanzierungsquelle der Kapitalmärkte beziehungsweise der EZB stützen? Es handelt sich dabei um einen der wesentlichen ­Unsicherheitsfaktoren im Bankenbereich, welcher aber aufsichtsrechtlich mit Basel III bereits adressiert wurde.

Herr Güldner, ist es von Vorteil, dass das ­Stiftungsvermögen des Evangelischen Johannesstiftes primär aus 75 Hektar Grund und ­Boden in Berlin-Spandau besteht, auf dem ­bereits 60 ­Gebäude errichtet wurden?
Güldner:
Vielleicht haben wir im Moment einen kleinen Vorteil auf der Kreditseite. Da freut sich unser Leiter Unternehmenscontrolling mit Blick auf die Kreditrefinanzierung. Ich muss zwar die „bittere Pille“ schlucken, weil ich auf der Anlageseite nicht das erreichen kann, was man sich zur entsprechenden Haushaltsdeckung der Stiftung wünscht. Aber wir arbeiten im Unternehmenscontrolling und beim Vermögensmanagement heute viel enger zusammen, um diesen Prozess des Liquiditätsmanagements mit einer geringeren Sockelliquidität zu ermöglichen. Alle ­Mittel, die wir längerfristig nicht benötigen, legen wir in die strategischen Anlagen, um die Ertragsziele zu erreichen. Das geht in eine ähnliche Richtung, wie Dr. Blum-Barth sie beschrieben hat.

Seit wann vergeben Sie eigentlich Realkredite, Herr Dr. Blum-Barth?
Blum-Barth:
Schon seit Gründungstagen. Viele Pensionskassen wollen nicht nur eine gewisse Altersvorsorge schaffen, sondern ­ihren Versicherten auch beim Hausbau ­helfen. Bei uns ist das nicht anders. Und so kam es zu einer Vielzahl von kleinen Wohnungsbaufinanzierungen, die zum ­Großteil aus dem Bereich unserer Mitglieder stammen. Damit fühlen wir uns wohl und ­sehen eine ­Illiquiditätsprämie. Wenn Sie so wollen, ergibt sich daraus bei der Rendite ein Add-on im Vergleich zu einem Pfandbrief.

Wie aufwändig ist die Verwaltung der Immobiliendarlehen?
Blum-Barth:
Natürlich macht es viel ­Arbeit. Aber ab einem gewissen Volumen lohnt sich das auch. Vorausgesetzt, Sie haben die passenden Organisationsstrukturen. Wir haben ein kleinteiliges Hypothekenportfolio. Was allerdings die Planung der Sache schwieriger macht, ist das Hypothekennebenbuch; hier sind wir im Vergleich zum Wertpapierbuch mit wesentlich komplexeren Planungsinformationen konfrontiert.
Schauen Sie, ich habe von den drei Abteilungen unserer Organisation gesprochen: Immobilien, Hypotheken und Wertpapier. Dort kommen drei verschiedene Buchhaltungssysteme zum Tragen. Und die müssen natürlich für die Liquiditätsplanung in einem Cashflow-Strom aggregiert werden.

Die Sparkasse Mittelthüringen hat mit Pfandbriefemissionen von sich reden ­gemacht. Wie kam es dazu?
Graupeter:
Wir sind die erste ostdeutsche Sparkasse mit einer Pfandbrieflizenz und ­haben im Oktober 2012 den ersten Pfandbrief begeben. Für uns ist der Pfandbrief ein strategisches Instrument, um das Auseinander­klaffen zwischen der Fristigkeit auf der Aktiv- und Passivseite zu reduzieren. Diese Lücke machen wir ein Stück weit kleiner, indem wir langlaufende Pfandbriefe emittieren.

Von welchen Laufzeiten sprechen wir?
Graupeter:
Die Laufzeiten beliefen sich bei der Emission der jüngsten zwei Namenspfandbriefe auf jeweils zehn Jahre; wir würden aber je nach Investorenwunsch auch längere Laufzeiten emittieren. Im Hinblick auf die strategische Positionierung schaffen wir mit diesen kleineren Emissionen einen Gegenpol, um die langfristige Kreditvorgabe in der Region Mittelthüringen weiterhin sicherstellen zu können. Sehen Sie, wir haben auf der Kreditseite Darlehen, die wir im wohnwirtschaftlichen, aber auch im kommunalen Bereich vergeben haben. Und hier haben wir auch die entsprechende Qualität, die wir in den Deckungsstock einbringen können. Es gibt übrigens mehrere Sparkassen, die dieses Refinanzierungsinstrument unter der Marke „Sparkassenpfandbrief“ nutzen.

Im Mai lag die Umlaufrendite zeitweise bei nur noch 0,98 Prozent, inzwischen sind wir zurück bei rund 1,6 Prozent. Ist das nun die Zinswende oder ein Sturm im Wasserglas?
Güldner:
Nach 30 Jahren Zinssenkung scheint es so, dass es im Mai Trendbrüche gab. Wir waren nicht nur bei der Umlauf­rendite extrem tief gesunken, was sich auch am Bund-Future ablesen lässt. Wenn man sich außerdem anschaut, in welcher ­historisch extrem kurzen Zeit sich die Zinsen ­verändert haben, dann haben die Märkte einiges vorweggenommen. Für den ein oder ­anderen ­Investor ergeben sich daraus natürlich Chancen.
Graupeter: Der jüngste Zinsanstieg beschäftigt Sparkassen dahingehend, dass sie gewisse Kursveränderungen in ihren verzinslichen Wertpapieren der Eigenanlage sehen. Das betrifft natürlich vor allem jene Spar­kassen, die länger und stärker in der Asset-Klasse „Zinsen“ investiert sind. Wir haben uns hier in der jüngeren Vergangenheit sukzessive zurückgezogen und im Gegenzug auf solides Kreditwachstum konzentriert.
Blum-Barth: Wir haben anhand der Swap-Kurve vom 15. August eine langfristige Asset-Liability-Studie gemacht und angenommen, dass die Rendite bis zum Ende unseres Ver­sichertenbestandes unverändert bleibt. Wir nahmen an, dass unser Portfolio keine ­Credits und auch keine Aktien enthält. Das ist zwar eine fiktive Annahme, doch sie hat uns gezeigt, dass so strukturierte Anlagen nicht ausreichen würden, um die Verpflichtungen komplett zu erfüllen. Dies dürfte bei anderen VAG-Anlegern, ceteris paribus, vergleichbar aussehen. Wenn wir dagegen unser tatsäch­liches Portfolio, das nur zu gut der Hälfte im Zinsträger-Direktbestand investiert ist, heranziehen, langt es natürlich.

Wozu dann die fiktive Rechnung?
Blum-Barth:
Sie zeigt, wie tief unten wir bei den Renditen sind. Wenn Sie vor zehn Jahren einem VAG- oder VAG-orientierten Anleger gesagt hätten, die Swap-Kurve als Fiktivportfolio genüge nicht – der hätte Sie sehr groß angeschaut.
Graupeter: Die Tatsache, dass die EZB am kurzen Ende der Kurve keinen Zinsanstieg erwarten lässt, führt dazu, dass mehr Nachfrage am langen Ende erzeugt wird. Die Renditen am langen Ende der Zinsstrukturkurve werden erst dann wieder nachhaltig steigen, wenn auch die Zentralbank einen Zins­anstieg erwarten lässt beziehungsweise die Erwartung erzeugt, die Liquidität aus dem Markt zu nehmen. Von daher scheint es im historischen Vergleich ein Sturm im Wasserglas zu sein, aber noch nicht ernsthaft die Zins­wende.
Blum-Barth: Es ist immer schwierig, mit langfristigen Prognosen zu hantieren, aber an einem Punkt müssen Sie sich in der Kapitalanlage schließlich orientieren. Und wenn die Vergangenheit der beste Schätzer für die Zukunft ist, dann muss man sagen, dass das kurze Ende der Zinskurve ein Ankerpunkt für viele Modellierungsmodelle im Asset-­Liability-Management darstellt.

Herr Graupeter, unter welchen Prämissen legt die Sparkasse Mittelthüringen freie liquide Mittel an?
Graupeter:
Als erstes Kriterium betrachten wir die Liquiditätssituation, um die jederzeitige Zahlungsfähigkeit sicherzustellen. Dabei analysieren wir, inwiefern Kunden über ihre Gelder verfügen könnten. Wir haben in der 1,9 Milliarden Euro großen Eigenanlage eine Struktur etabliert, die ausschließlich in der Liquiditätsreserve gehalten wird. Dort sind über 70 Prozent in Anlagen mit einem Mindest-Rating von AA- investiert. Teilweise nutzen wir Kreditersatzgeschäfte bis maximal 20 Prozent, die wir im Schwerpunkt im ­Bereich „Investment Grade“ anlegen. Die restlichen Bestandteile entfallen aus Risiko­diversifikationsgründen auch auf Aktien und Investitionen in alternative Investments bezie­hungsweise Immobilienanlagen.

Herr Güldner, inwiefern haben Sie beim EJS-Stiftungsfonds Spielraum, um an der Anlagepolitik mitzuwirken?
Güldner:
Die Anlagephilosophie des EJS-Stiftungsfonds ist im Johannesstift entstanden. Das gilt auch für die Anlagerichtlinie. Wir haben das Mandat ausgeschrieben, und eine sehr bekannte deutsche Asset-Management-Gesellschaft hat es bekommen. Es gibt Vorschlags- und Vetorechte von meiner Seite gegenüber dem Portfoliomanagement. Und es ist ein sehr faires Miteinander. Zweimal im Jahr findet eine Anlageausschusssitzung statt. Hinzu kommen Workshops, teilweise unter Einbindung von Oekom Research, um die ethisch-nachhaltigen Kriterien voranzubringen. Inzwischen haben wir den Fonds so weit strukturiert, dass kleinere Stiftungen gemeinsam mit uns Gelder institutionell anlegen können.

Aber geht in dem Moment nicht der Aspekt der Liquidität verloren?
Güldner:
Der Fonds ist in unser strate­gisches Liquiditätsmanagement eingebettet. Sollte es in absehbarer Zeit Investitions­entscheidungen geben, dann gibt es eine dazugehörige Liquiditätsplanung. Diese kennt der Asset Manager und veranlasst, dass die entsprechenden Mittel zum benötigten Zeitpunkt liquide bereitstehen.

Herr Graupeter, wie lange kann die Sparkasse Mittelthüringen ihre Arbeit uneingeschränkt fortsetzen, wenn die Märkte für längere Zeit ­illiquide sein sollten?
Graupeter:
Es gibt bei uns natürlich verschiedene Szenariorechnungen. Dabei wird die Frage gestellt, was passiert, wenn Märkte illiquide werden. Ohne die Annahme, dass die EZB Hilfsprogramme auflegen wird, ­können wir in Negativszenarien aufgrund von Fälligkeiten für drei bis fünf Jahre zahlungsfähig bleiben.

Die Märkte könnten so lange brach liegen?
Graupeter:
Selbst wenn die EZB drei bis fünf Jahre nicht eingreift, würden wir den ­Geschäftsbetrieb aufrechterhalten können, weil wir vom Kapitalmarkt kaum abhängig sind. Deshalb stellen wir uns vielmehr die Frage: Was passiert in diesen drei bis fünf Jahren makroökonomisch?

Herr Dr. Blum-Barth, wie legen Sie die Liquidität an und wie gehen Sie mit Phasen illiquider Märkte um?
Blum-Barth:
Zunächst sprechen wir mit unseren Hausbanken und allokieren möglichst einfach über Tagesgeld- oder Cashkonten. Unser Ziel ist es, die Liquidität unter Aufrechterhaltung der jederzeitigen Erfüllbarkeit der Rentenleistung zu minimieren. Jeder ­Basispunkt, den wir aber durch eine bessere Planung und Steuerung in der strategischen Kapitalanlage erzielen, ist ertragswirksam. Ich bin der Ansicht, dass uns besonders kurzfristige, liquide Anlagen in der Performance limitieren. Ganz egal, ob wir es schaffen, an der ein oder anderen Stelle noch ein paar ­Basispunkte mehr Rendite zu erwirtschaften. Stattdessen planen wir die internen Ressourcen so, dass ein möglichst großer Teil der ­freien Mittel in die strategischen Anlagen überführt werden kann. Unsere Versicherungsverträge haben übrigens zum Teil eine Duration von 70 Jahren.

Dadurch haben Sie ein gewisses Maß an ­Planungssicherheit.
Blum-Barth:
Im normalen Planungs­prozess legen wir unseren Zinsträger-Direkt­bestand regelmäßig neu an. Gleichwohl können wir auf die Neuanlage auch verzichten. In verschiedenen Szenarien haben wir uns gefragt, wann wir die Bestände in unserem Masterfonds notfalls verkaufen müssten. ­Dessen ungeachtet läuft unser Zinsträger-­Direktbestand natürlich planmäßig aus. Die Rückflüsse, die wir nicht wieder an­legen, ­stehen für Rentenzahlungen zur Verfügung.
Außerdem haben wir in krisenhaften Märkten unveränderte Beitragseinnahmen. Und wenn Sie einen sehr jungen Bestand an Versicherungsnehmern haben, wie das bei uns der Fall ist, haben wir bis zum 65. ­Lebensjahr laufende Beitragseinnahmen. In diesem Sinne beschäftigt uns die Frage, wenn es um illiquide Märkte geht, wann wir erstmals beginnen müssten, unsere Aktien zu verkaufen? Und das kann je nach Abrechnungsverband sehr unterschiedlich sein.
Graupeter: An der Stelle zeigt sich auch wieder dieser Unterschied zwischen einer KWG- und einer VAG-regulierten Institution. Wenn man als Sparkasse dem Kreditwesengesetz unterliegt, kann man auch in solchen Szenarien – zumindest mit Blick auf die Lehman-Pleite 2008 – davon ausgehen, dass die EZB innerhalb von einem halben bis einem Jahr die Märkte mit Liquidität versorgen wird.
Blum-Barth: Wichtig ist für uns die Feststellung, dass wir den Hebel in der Kapital­anlage zügig umlegen könnten. Wenn heute ein zweiter Lehman-Fall käme, legen wir einfach nichts mehr an. Und wir könnten ­unverdrossen die Anleihebestände abwickeln und unsere Verpflichtungen erfüllen. Für uns wäre es hingegen der Supergau, wenn wir ­eine Rentenrate nicht zahlen könnten.

Während Dr. Blum-Barth regelmäßig auf Beitragseinzahlungen bauen kann, kann Herr Güldner beim Johannesstift auf Entgelte, ­Zustiftungen und Spenden zurückgreifen.
Güldner:
So ist es. Dabei ist es für uns von herausragender Bedeutung, eine dynamische Steuerung zu haben, anhand der wir analysieren, wann Gelder eingehen und wann Verbindlichkeiten beglichen werden müssen. Die dahinterstehenden Prozesse optimieren wir natürlich laufend, indem wir unter anderem Zahlungsziele besser ausnutzen.
Außerdem versuchen wir, eine gegebenenfalls hohe Sockelliquidität zu reduzieren. Auf diese Weise minimieren wir die liquiden ­Anlagen und erhöhen die strategische Allo­kation.

Aufgrund der niedrigen Renditen, die heute für Kurzläufer zu erzielen sind, gewinnt ­aktives Management in Form von Fonds an Bedeutung. Wie sehen Sie das, Herr Blum-Barth?
Blum-Barth:
Wir investieren sehr deutlich in Masterfonds, aber nicht aus Liqui­ditätsgründen heraus, sondern eher aus Gründen, wie wir unsere strategischen ­Anlagen aufstellen. Als deutsches Ver­sorgungswerk haben wir einen Home Bias in den selbst ­gemanagten Direktanlagen, ­während wir ­internationale Anlagen von ­externen Port­foliomanagern betreuen lassen. Daran sehen Sie, dass wir sehr affin sind, was Outsourcing ­betrifft. Aber der Zusammenhang zwischen aktiven Mandaten und Liquiditätsmanagement stellt sich für ein deutsches Versorgungswerk nicht.
Güldner: Unsere Aktiva bestehen größtenteils aus Immobilien. Und deswegen ­haben wir festgelegt, dass Immobilien einem eigenen internen Management zugeordnet sind. Demgegenüber verwalten wir die strategischen Anlagen zusammen mit einer ­Kapitalanlagegesellschaft beziehungsweise einer Kapitalverwaltungsgesellschaft, wie es laut KAGB nun heißt.
Für die liquiden Mittel mit bis zu einem Jahr Anlagehorizont bin ich in gewisser ­Weise der „interne“ Dienstleister. Denn ich lege die Gelder nach Weisung der Tochtergesellschaften oder des zentralen Unternehmenscontrollings an. Das haben wir in diesem Jahr so intern ausgesteuert, dass externe Anlage­entscheidungen selten erforderlich waren. Theoretisch dürften wir aber Restläufer ­nutzen sowie Tages- und Termingelder. Hier­ ­analysieren wir die Bonität und wie die jeweilige Bank aufgestellt ist. Dabei kommen auch ethisch-nachhaltige und soziale Kriterien zum Tragen.

Wie weit sind wir jetzt von normalen Märkten entfernt?
Blum-Barth:
Ich behaupte, wir bewegen uns auf ein neues Normalmaß zu. Es sind ­allerdings keine normalen Märkte, wie man sie historisch gewohnt war. Das zeigt sich schon an der negativen Realverzinsung am kurzen Ende.
Güldner: Mein Eindruck ist, dass viele die Umstände der negativen Realverzinsung nicht verstehen. Im vorigen Jahr hatten wir zu mehreren Zeitpunkten eine negative Realverzinsung. Ein Privatanleger kann natürlich zu einer Bank gehen und eine kurzfristige Anlage tätigen, mit der er ungefähr die ­Inflation ausgleicht. Anders ist das in der institutionellen Geldanlage; hier musste und muss man mitunter noch Geld mitbringen. Aktuell ist der zu erzielende Zinssatz im Kurzfrist­bereich fast null.

Herr Graupeter, wie wägt man als Treasurer ab, ob man einem Unternehmen Kredit gibt oder die Liquidität am Kapitalmarkt anlegt?
Graupeter:
Hier sind wir mit der betriebswirtschaftlichen Überlegung konfrontiert, wo legt man bei welchem Risiko zu welchem Preis Geld an? Das kann der Kredit sein, was bei identischer Bepreisung unser Fokus ist. Das kann aber auch eine Kapitalmarktinvestition sein.
Die erste Voraussetzung, und die haben wir schon seit Jahren bei uns im Haus, besteht darin, ein funktionierendes Liquiditätstransfer-Pricing vorzuhalten. Das wird jetzt übrigens auch gesetzlich im Rahmen der neuen MaRisk-Novelle gefordert. Dort sind wir in der glücklichen Lage, dass wir uns schon frühzeitig mit dem Thema ausein­andergesetzt haben. Das heißt, das Pricing für die Frage der Liquiditätsbindung ist im Kreditgeschäft identisch mit der Vorgehensweise, wie man sie am Kapitalmarkt kennt.

Und was ist mit der Aufsicht?
Graupeter:
Wir ziehen natürlich aufsichtsrechtliche Kennzahlen heran. Mit Blick auf die Liquidität ist Basel III zu nennen. Wir ­erfüllen bereits heute sämtliche Basel-III-Kennzahlen und gehören damit zu einem der wenigen Institute, die hier keine Übergangsfrist benötigen. Insofern können wir mit ­ruhigem Gewissen auch weiterhin Kredite in der Region vergeben und müssen nicht auf ­liquidere Produkte in der Eigenanlage ­zurückgreifen. Damit können wir uns eine ­Illiquiditätsprämie vergüten lassen und auch unseren Ertragsanspruch auf einem vernünftigen Niveau halten.

Herr Dr. Blum-Barth, schauen Sie die Bonität Ihrer Hausbanken dezidiert an?
Blum-Barth:
Ja, natürlich. Wir verteilen die ­Liquidität auf mehrere Institute. Dabei greifen wir auf eine Kontrahentenliste zurück, die ständig überprüft wird.

Ist das Johannesstift von Basel III betroffen?
Güldner:
Wenn große Marktpartner stark reguliert sind, wird es Implikationen auf den Gesamtmarkt haben und damit auf die Liquidität des ein oder anderen Wertpapiers. Wenn es die Regulierung nicht gäbe, würden sich die heute hochgradig regulierten Marktteilnehmer wahrscheinlich aus Anleihen zurückziehen und mehr in Aktien investieren.
Blum-Barth: Man sieht heute zum Teil Veränderungen bei der Nachfrage nach ­bestimmten Krediten. Basel III macht Hypothekenkredite mit Laufzeiten über sieben ­Jahre sehr teuer. Es gibt nur noch wenige Banken, die langfristige Finanzierungen im großen Stil vergeben. Wie ich eingangs ­erwähnt ­habe, bieten wir unseren Versicherungsnehmern die Möglichkeit, ein eigenes Häuschen zu ­finanzieren. Gleichwohl sind wir nicht darauf aus, im dreistelligen ­Millionenbereich Finanzierungszusagen einzugehen. Das lehnen wir ab. Das ist nicht ­unser Geschäftsmodell. ­Allerdings erhalten wir immer wieder Anfragen.
Graupeter: Banken, deren Kennzahlen sehr knapp bemessen sind, werden sich ­natürlich aus gewissen Anlagen verabschieden beziehungsweise in diese nicht neu ­investieren. Investoren, die nicht reglementiert sind, erhalten solche Investitionen zu besseren Renditen als noch vor ein paar ­Jahren.

Herr Dr. Blum-Barth, Sie sind VAG-reguliert. Spielt Solvency II eine Rolle bei Ihnen, oder ist das ein Thema, das Sie abblocken können?
Blum-Barth:
Wir unterliegen der Landesaufsicht in Düsseldorf und der kirchlichen Aufsicht der Landeskirchenämter. In dem Sinne sind wir kein Bafin-reguliertes Haus. Wir sind jedoch in Anlehnung an das ­Versicherungsaufsichtsgesetz reguliert. In praxi kommt bei uns häufig die Bafin-Regu­lation zeitverzögert zum Tragen. Deswegen gehen wir davon aus, dass Solvency II auf absehbare Zeit für uns kein Thema sein wird. Ohnehin ist die Übertragung der neuen ­Versicherungsregulierung auf unsere ­Einrichtungen nicht eins zu eins möglich. Womit ich allerdings rechne, ist eine Über­tragung der qualitativen Solvency-Kriterien. Das hätte zwar keine maßgeblichen Aus­wirkungen auf die Allokation, wohl aber auf die Prozesse im Anlagemanagement. Ich glaube, es geht für uns eher in Richtung einer Vertiefung der MaRisk, also höheren ­Risikomanagement- und Transparenzanforderung.

Herr Güldner, das Johannesstift ist im Grunde genommen regulierungsfrei, oder?
Güldner:
Es gibt neben handelsrecht­lichen auch steuerrechtliche Fragestellungen zu beachten, die unter anderem in der ­Abgabeordnung zum Thema Gemeinnützigkeit niedergeschrieben stehen. Dann gibt es natürlich noch die Stiftungsaufsicht als Kontrollinstanz. Aber ansonsten gehe ich davon aus, dass alles, was mit Solvency und Basel einhergeht, uns am Rand treffen wird. Das Stichwort lautet „Asset Pricing“.
Graupeter: Bei dem Thema Basel III muss man aufpassen, wie sich das Regelwerk und die Anreize daraus auf die Realwirtschaft auswirken. Basel III ist zunächst einmal ein begrenzendes Element für die Kreditvergabe und hat damit auch volkswirtschaftliche Aus­wirkungen. Insbesondere sind hier durch die Regularien auch kleinere und mittlere Institute, wie Sparkassen und Volksbanken, die nicht die Verursacher der Krise waren, vom regulatorischen Aufwand ­betroffen. Hier muss einerseits abgewartet werden, wie sich die Kredit­­ver­gabe entwickeln wird. Aber es ist zumindest ein bremsendes Element hinsichtlich des Kreditwachstums. Andererseits ist die Liquidität der EZB ein förderliches Element für das Kreditwachstum, so dass diese beiden großen Komponenten volkswirtschaftlich aufeinandertreffen.
Güldner: Wenn die Kreditrichtlinien verschärft werden und wir ­bewusst Kredite aufnehmen um unsere Immobilien zu sanieren, trifft uns die Regulierung natürlich auch.

Möchten Sie zum Abschluss noch ein Statement abgeben?
Blum-Barth:
Solange man aus dem strategischen Portfolio oder aus den Zinssätzen ausreichend Erträge generieren kann, schaut man sich die Liquiditätsplanung nicht so genau an. Anders gesagt, eine Krise hat auch etwas Reinigendes und damit auch etwas Positives an sich. Heute hinterfragen wir die internen Prozesse und minimieren unsere Schwächen. Den ein oder anderen internen Verbesserungsprozess hat die Krise angestoßen. Und das trifft auch auf das Thema Liquiditätsmanagement zu.
Güldner: Eine Krise hat verschiedene Auswirkungen. Der Druck im Liquiditätsmanagement in unserer Gesamt-Holding, die Arbeit auf ein anderes Qualitätsniveau zu heben, war sehr hoch. Und es ist sehr schön, dass wir heute auf einer anderen Stufe stehen als noch vor vier oder fünf Jahren. Wir haben zusätzliches Personal eingestellt, das unsere Finanzkompetenz weiter verbessert hat. Heute können wir mit knapperen Mitteln unserer Verpflichtungsseite nachkommen und ­Liquiditätsspitzen besser managen. Die gesamte Investitionsplanung wurde auf ein höheres Level gehoben; so sind beispielsweise die Investitions­planung und die Anlageplanung inzwischen viel besser miteinander verzahnt. Und wenn wir wieder zu ­norma­l­eren Märkten kommen und diese Qualität beibehalten, werden wir in der Anlage noch bessere Erfolge erzielen, sei es kurzfristig mit den ­liquiden Mitteln als auch strategisch.
Graupeter: Wir nehmen wahr, dass der Kunde aus der Finanz­krise heraus wieder zwischen Banken differenziert. Er hinterfragt, ­welche Institute ein funktionierendes Geschäftsmodell haben. An dieser ­Stelle sind Sparkassen wieder in den Vordergrund gerückt, weil sie ein traditionelles, seit vielen Jahren funktionierendes Geschäfts­modell haben. Und wir finden es auch gut, dass der Kunde differenziert.

portfolio institutionell, Ausgabe 11/2013

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