Schwarzer Schwan
26. Februar 2016

Niedersachsen: Land der guten Ideen

Im föderalen Wettstreit der Bundesländer um die hellsten Köpfe und die pfiffigsten Ideen hat sich in dieser Woche Niedersachsen hervorgetan.

Dieser Fauxpas wird den Niedersachsen wohl bis in alle Ewigkeit anheften: Im Jahr 2007 kam das Bundesland auf die glorreiche Idee, mit folgendem Slogan für sich zu werben: „Immer eine gute Idee. Niedersachsen.“ Nun, die guten Ideen sind ihnen im Norden bis heute nicht ausgegangen. Dafür bürgen schon Aushängeschilder wie Carsten Maschmeyer und Bundespräsident a.D. Christian Wulff. Der eine hatte als Policenverkäufer die Idee, nach dem Motto „Hängt viel Wäsche an der Leine, schreibst du viele Scheine“ ein Vermögen zu machen. Der andere präsidentierte nach dem Motto „Mehr Schein als Sein“ und bewies als Bundespräsident sein Unvermögen. Eine besonders gute Idee des Bundespräsidenten war, sich einen 500.000-Euro-Privatkredit eines befreundeten Unternehmers formal über dessen Frau – Kredit von Edith – zu genehmigen. Wulff ging es damals eben um Schein und Sein. 
Auch aktuell sprüht Niedersachsen vor Ideenreichtum. Ganz bestimmt eine gute Idee hatte VW-Chef Matthias Müller, als er in den USA versuchte, den Abgasskandal zu verharmlosen und nur zum Schein auf die US-Justiz zuzugehen. Leider machte er damit den Eindruck eines VW-Touareg im Porzellanladen. Eine pfiffige Idee hat auch der Hannoveraner Internet-Reifenhändler Delticom. Dessen Aktienkurs hat in den vergangenen drei Jahren drei Viertel seines Wertes eingebüßt. Um die noch verbliebenen Anleger bei der Stange zu halten, hat die Führungsriege nun eine wahrhaft nahrhafte Idee aus dem Hut gezaubert: Das Unternehmen steigt über den Weg der Akquisition zweier Firmen in den Handel mit Lebensmitteln ein, die über das Internet bezogen werden. Angeblich gibt es hohe Überschneidungen mit den Kernkompetenzen von Delticom und ein starkes Wachstumspotenzial. Zum Mitschreiben: Reifen und Lebensmittel. Gemeinsamer Nenner ist, nun ja, das Internet. 
Hannover kann Berlin
Delticom mischt nun also mit in einer Welt, die von Start-up-Züchtern wie Rocket Internet aus dem hippen Berlin geprägt ist. Der Online-Lebensmittelhandel sei ein „hochattraktives zusätzliches Wachstumsgeschäft“, heißt es in Hannover bei „Europas führendem Internet-Reifenhändler“. An alle Investoren, die nicht wissen, ob ihnen die Geschäftsidee gefallen soll: Die Führungsriege von Delticom, rund um die Großaktionäre Andreas Prüfer und Rainer Binder, versteht die Akquisition jedenfalls als Ausdruck einer „langfristigen strategischen Unternehmensplanung“.
Stimmt schon. Mittlerweile kaufen die Bundesbürger fast alles online, aber nur fast. Lebensmittel gehören noch nicht dazu. Der Drang zum Kauf per Mausklick hält sich angesichts eines dichten Filialnetzes mit gut 400.000 Supermärkten und Discountern bislang in Grenzen. Das Marktforschungsinstitut GfK rechnet aber auch in dieser Branche mit einem Durchbruch in den nächsten zehn Jahren. Der Onlineverkauf werde von 1,1 Milliarden Euro 2014 auf mehr als sieben Milliarden Euro jährlich wachsen. Delticoms Strategie könnte also aufgehen – wenn da nicht die Konkurrenz wäre. Rewe, Lidl und Netto haben sich dafür schon in Stellung gebracht. Rewe bietet beispielsweise heute schon in 72 Städten die Möglichkeit, Waren online zu bestellen und an die Tür geliefert zu bekommen. Wie Delticom den Bundesbürgern klarmacht, dass sie den Job – dank ihrer profunden Kenntnisse im Online-Reifenhandel – besser als Supermarktketten können? Lassen wir uns überraschen.   
Also, man muss schon den Hut ziehen. Die Niedersachsen haben es faustdick hinter den Ohren. Jetzt muss nur noch eine gute Idee für Bundesliga-Schlusslicht Hannover 96 gefunden werden. Vielleicht sollte Präsident Martin Kind den Spielern einmal seine Hörgeräte zur Verfügung stellen, damit sie die taktischen Anweisungen von Trainer Thomas Schaaf besser verstehen. An taktischem Einfallsreichtum dürfte es dem Übungsleiter der 96er nicht mangeln. Schließlich ist er ja im Land, das „immer eine gute Idee“ hat.  
In diesem Sinne wünscht Ihnen die Redaktion von portfolio ein schönes Wochenende.
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