Alternative Anlagen
6. Juli 2016

Offshore-Windparks sind reif für institutionelle Investoren

Gastbeitrag von Georg Obert, Geschäftsführer der wpd Invest GmbH.

Ein Rundflug über die Nordsee und entlang der Küsten der britischen Inseln zeigt das Ausmaß, in dem Windenergie auf hoher See zu ­einem Standardprodukt der Windenergieindustrie avancierte. ­Blicken wir zudem auf die Entwicklungen in Frankreich, Dänemark und ­Holland, wird bald eine Vielzahl von Projekten nach langjähriger Planungs- in die Realisierungsphase übergehen. Und auch in der Ostsee tut sich einiges. Grund genug, Fortschritte und Erkenntnisse der Industrie ­einer neuen Betrachtung zu unterziehen und die Frage nach der ­Attraktivität für institutionelle Investoren zu stellen.

Betrachtet man die unterschiedliche Komplexität der Projektumsetzung, bewegen sich die Tarife für Strom aus Offshore-Projekten europaweit auf einem sehr ähnlichen Niveau. Die Ausgestaltung der Laufzeit variiert zwar je nach Wahl der gegebenen Optionen (zum ­Beispiel das Stauchungsmodell in Deutschland oder eine feste GWh-Anzahl in Dänemark), im Effekt befindet sich die Förderung aber ­aktuell auf einer Ebene. Ein deutscher Offshore-Windpark, der in den Jahren 2015 bis 2017 in Betrieb geht, erhält einen Tarif mit einer erhöhten Anfangsvergütung von 15,4 Cents pro kWh über zwölf Jahre oder 19,4 Cents pro kWh über acht Jahre (Stauchungsmodell), wobei es ­Komplexitätszuschläge in der Laufzeit für Küstenentfernung und Wassertiefe gibt. Für die Zeit nach dem Ende der Anfangsvergütung bis zum Ende des 20. Betriebsjahres erhält der Park eine Basisver­gütung von 3,9 Cents pro MWh. Zum Vergleich: Ein deutscher Onshore-Windpark erhält 8,9 Cents pro kWh über einen Zeitraum von 20 Jahren. Damit sich die technischen Fortschritte zeitnäher in ­einer Degression der Tarife niederschlagen und um eine Konformität mit dem Europarecht herzustellen, sind viele Staaten dazu übergegangen, die Höhe des Tarifs per Ausschreibung zu ermitteln, wobei zu erwarten ist, dass wir aus den ersten Projekten Strompreise sehen werden, die mit geplanten Kernkraftwerken, wie beispielsweise ­Hinkley Point in UK, konkurrieren können. Ausgestaltet sind die ­gesetzlich kodifizierten Systeme weiterhin mittels eines Umlage­systems auf den Verbraucher, womit sich die Investitionssicherheit an den allgemeinen politischen Länderrisiken orientiert. Positiv ist hierbei, dass diese bei den infrage kommenden Ländern entlang der Nord- und nördlichen Ostsee historisch überdurchschnittlich waren. 

Auswirkungen der Ausschreibungen auf Risiken in der Planung
Ein Nebeneffekt der Ausschreibung von Offshore-Projekten ist ein noch stringenteres Risikomanagement, welches die Risikopuffer so dimensionieren sollte, dass sie für den Realisierer auskömmlich sind und gleichzeitig einen Gebotspreis ermöglichen, der einen Zuschlag wahrscheinlich macht. Ob man auf einen Branchenneuling setzen möchte, sollte sich jeder Investor also genau überlegen. Sinnvoll ist in jedem Fall, sich die Systeme im Risikomanagement erläutern zu ­lassen, um auszuschließen, dass es in der Realisierungsphase zu gravierenden Budgetüberschreitungen kommt.

Standard ist mittlerweile die Modellierung von Sensitivitäten ­mittels Monte-Carlo-Simulationen. Hierbei ist die möglichst ­umfassende Betrachtung von Risiken und von Schnittstellenthemen zwischen den Gewerken in der Frühphase des Projektes besonders sinnvoll. Stresstests, die bis zu 200 verschiedene Parameter simulieren, sollen dabei kritische Themen identifizieren, um Szenarien (zum Beispiel über Lieferbedingungen) abzubilden, die vertraglich und ökonomisch (über Puffer im Budget und Versicherungslösungen) ­abgesichert werden können. Besonderes Augenmerk gilt hier den ­Dominoeffekten im Budget, die sich beispielsweise aus der Verzögerung im Fundamentbau auf die Charter-Raten der Errichtungsschiffe ergeben können. Mitunter lassen sich aus der Analyse auch Chancen identifizieren und realisieren, die vor der detaillierten Analyse nicht sichtbar waren. Erfahrungen aus früheren Projekten sind auch hier durch ein methodisch stringentes Projektmanagement zu komplementieren. Standards wie Prince II im Projektmanagement oder eine ISO 9001:2008 Zertifizierung des Qualitätsmanagements helfen bei der systematischen Erfassung, Umsetzung und Kontrolle in der Planungs- wie in der Bauphase. Dank der steilen Lernkurve der frühen Jahre gehen alle Beteiligten das Thema professioneller an. Zudem ­reduzierten sich die Geschäftspartnerrisiken durch bonitätsstarke ­Alternativen bei den Zulieferern, fortschreitende Erfahrungen und ­eine Fortentwicklung der Vertragswerke und ­Versicherungslösungen.

Produktion und Volatilität, Standorte und Technologie
Erfreulicherweise haben die in Betrieb befindlichen Projekte in den vergangenen Jahren eine über den Gutachten liegende ­Produktion genossen, was einerseits an der konservativen Herangehensweise der Gutachter liegen dürfte, andererseits an der über den Annahmen ­liegenden technischen Verfügbarkeit der Anlagen. Sowohl die unterjährige als auch die mehrjährige Volatilität ist dabei geringer als bei der Ressource an Land, weshalb man Offshore-Anlagen eine gewisse Grundlastfähigkeit zurechnet, die sich positiv auf die Marktvergütung nach Auslauf der Tarifvergütung auswirkt. Langfristig betrachtet herrscht auf der Nordsee im Mittel pro Jahr ein Tag Windstille.

Die Standortbedingungen vor den Britischen Inseln und Dänemark sind etwas anspruchsloser als in großen Teilen der verbleibenden Nordsee. Durch geringere Wassertiefen und die Küstennähe ­lassen sich Bau und laufende Wartung tendenziell einfacher ­gestalten. Wetterrisiken und Veränderungen des Meeresbodens sind ebenfalls simpler zu handhaben. Die wirtschaftlichen Risiken eines planmäßigen Netzanschlusses sind in Deutschland wiederum durch Paragraf 17 e des Energiewirtschaftsgesetzes bedeutend reduziert worden. ­Dieser regelt die Ausgleichszahlungen bei Störungen oder Verzögerungen der Netzanbindungen. Bezüglich der Windenergieanlagen  bieten viele Hersteller heute dezidierte Offshore-Turbinen an, die mehr als eine reine Weiterentwicklung der Onshore-Technologie sind. Anleihen bei der Öl- und Gas-Industrie hinsichtlich Korrosionsschutz, Gründungslösungen zur Verankerung der Turbinen am Meeresgrund und Arbeitssicherheit flossen in die Entwicklung ein. Zusammen mit einer redundanten Auslegung von Schlüsselsystemen, wie sie im ­Militär- oder Luftfahrtbereich zur Einhaltung von ­Sicherheitsstandards gefordert sind, führt dies zu zuverlässigeren Systemen, als im Onshore-Bereich erforderlich. Die große Herausforderung liegt hierbei weiterhin in der kostenverträglichen Umsetzung, da die Margen nicht denen der Explorations- und Förderindustrie entsprechen. Vor allem im laufenden Betrieb lässt der fortschreitende Ausbau über die Jahre einen Degressionseffekt bei den Serviceeinsätzen erwarten. Die Auslastung der Teams und Schiffe wird tendenziell zunehmen und Serviceeinsätze können über mehrere benachbarte Parks erfolgen.

Ausblick
Neben den fortschreitenden Bemühungen der Industrie, die ­Kosten und Prozesse auf ein derartiges Niveau zu bekommen, das die Windenergie Offshore wettbewerbsfähiger wird, gibt es auch neue ­Ansätze, die der weiteren Verbreitung dienen. Erwähnenswert ist insbesondere der Versuch, schwimmende Turbinen zu etablieren. Viele Küstengebiete, wie die US-Westküste, Norwegens Küste oder große Teile Japans, eigenen sich aufgrund der großen Wassertiefen nicht für heutige Gründungslösungen. Hier hätten schwimmende Turbinen bei Installation und Wartung entscheidende Vorteile, da diese ­betriebsfertig installiert werden können und im Betriebszeitraum an einen fixen Servicepunkt gebracht werden können. Einige Länder, so auch Frankreich, fördern dazu Pilotprojekte.

Ein Offshore-Netzverbund über die Nordsee und mehrere ­Staatengrenzen hinweg wäre sicherlich eine weitere Entwicklung, die der Industrie und vor allem der Vermarktung des Stroms nach ­Auslauf der Tarifsysteme einen größeren Vorteil verschaffen würde. Derzeit ist jedoch unklar, ob sich die verschiedenen Partikularinteressen schnell genug vereinen lassen, um nationale Alleingänge noch sinnvoll einzubinden. Wieder einmal stellt sich die Frage, ob Brüssel es schafft, sich rechtzeitig um die wirklich wichtigen Weichenstellungen der ­europäischen Infrastruktur zu kümmern.

Investitionsgelegenheiten
Für institutionelle Investoren sind aufgrund der Professionalisierung und der zusätzlichen gesetzlichen Regelungen interessante ­Opportunitäten gegeben. Die Investitionsgrößen, die insbesondere auch durch den Ersatz von Bankenfinanzierungen entstehen, die Laufzeiten und das unkorrelierte, regulierte Einkommen mit vergleichsweise attraktiven Renditen bieten interessante Diversifikations­chancen. Da es durch die Vielzahl der umgesetzten Projekte nun auch möglich ist, sich als Minderheitenanteilseigner zu engagieren, lassen sich Investitionen ab einem Volumen von 25 Millionen Euro verwirklichen. Klumpenrisiken, die bei dreistelligen Beträgen eine Hürde in der Kapitalallokation sind, sollten sich damit vermeiden lassen. Die Zeit ist reif für institutionelle Investoren, die führend sein wollen, sich geeigneten Projekten zu nähern, bevor es der Großteil der An­leger tut und sich die Renditen weiter nach unten bewegen. Dänische Pensionsfonds, wie Pension Denmark und Industriens Pension, ­haben den Schritt bereits unternommen. Weiteres Interesse kommt aus den Niederlanden. Aber auch in Deutschland haben Unternehmen, wie die Meag und die Gothaer, bereits in Projekte investiert. Ein ­Ausscheiden Großbritanniens aus der EU mit seiner Vielzahl von ­realisierten Projekten würde allerdings das Investitionsspektrum, ­zumindest vorübergehend, wieder einschränken.

portfolio institutionell, Ausgabe 06/2016

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