Strategien
6. August 2015

Probieren geht über Studieren

Für institutionelle Investoren wird es zunehmend schwieriger, Renditeanforderungen und Risikobudgets miteinander in Einklang zu bringen. Können Absolute-Return-Konzepte und Multi-Asset-Strategien sinnvolle Lösungen bieten? Antworten gaben die Referenten beim ersten portfolio institutionell summit im Jahr 2015.

Die Veranstaltung fand Mitte Juni in München statt. Im „Bayerischen Hof“ trafen dabei institutionelle ­Investoren und Consultants auf ­ausgewählte Asset Manager. Die Parteien kamen im Verlauf der Halbtageskonferenz darin überein, dass sich die Renditeanforderungen in Zukunft mit herkömmlichen Portfolios, die zu großen Teilen aus Renteninvestments bestehen, kaum noch erfüllen lassen. Im ­Gegenteil: Das Kurspotenzial festverzinslicher Wertpapiere sei stark limitiert, ihr Chance-Risiko-Verhältnis mit Blick nach vorn eher ­ungünstig. Die Veranstaltung begann mit einem Vortrag von Frank Umlauf. Er ist Partner bei der in Frankfurt am Main ansässigen Tajdo Consulting. In seiner Präsentation unter der Überschrift „Rotieren wir im Kreis?“ gab Umlauf einen Überblick über Asset-Klassen und Anlagethemen, dabei konzentrierte er sich auf die „Elementar­teilchen im Investment-Periodensystem“, wie er sich ausdrückte.

Umlauf beleuchtete neben den gängigen Anlageklassen auch ­deren Risikoprämien und damit einhergehende Diversifikationsmöglichkeiten. Die Investoren sollten nach seiner Einschätzung zunächst einmal ein Gefühl dafür bekommen, welche Anlagen „mit Blick nach vorne“ geeignet sind und welche eher nicht. Angefangen bei A für ­Aktien über B und C für Bonds und Credits bis hin zu AR für ­Absolute Return und R für Rohstoffe reichte sein Überblick, bei dem Umlauf das Schlaglicht auch auf illiquide Alternatives richtete. An einige ­Assets müsse man heute Fragezeichen setzen, andere hätten ihre Funktion temporär ganz verloren. Mit Blick auf das von ihm so ­bezeichnete „Investment-Periodensystem“ fragte der Consultant nicht ohne einen Schuss erfrischender Chuzpe: „Was könnte ­helfen, bevor der Winter kommt? Und wo müssen wir neu denken?“

Frank Umlauf zeigte sich davon überzeugt, dass Aktien die letzte ­Phase, welche sich noch bis 2016 ziehen kann, im aktuellen Bullenmarkt erreicht haben. Umlauf merkte an, dass es sich angesichts der kurzen Anlagehorizonte vieler Investoren bei einem reinen Aktien­investments um „die ineffizienteste Asset-Klasse der Welt“ handelt, was er mit einem Verweis auf vergleichsweise niedrige Sharpe Ratios der großen Indizes mit Werten zwischen 0,35 und 0,45 begründete. Eine Effizienzsteigerung sei allerdings nur durch eine andere Bewirtschaftung von Aktien möglich: „Es spricht nichts gegen Aktien, bei den ­real existierenden Anlagehorizonten aber bitte Long/Short mit entsprechend reduziertem direktionalem Exposure, bei nur noch ­einem ­Drittel der herkömmlichen Volatilität und gleicher Rendite­erwartung zwischen sechs und neun Prozent.“ Sprich, der Investor muss seinem Asset Manager erlauben, auch auf fallende Aktien investieren zu ­können, nur so kann die Abhängigkeit von der Richtung des Aktienmarktes und die damit verbundene Volatilität auf effiziente Art und Weise reduziert werden. Ein Investor aus dem Stiftungsbereich unterstützte Umlaufs Argumentation und sprach aus Erfahrung: „Long/Short-Aktienstrategien machen durchaus Sinn, auch wenn sie von der öffentlichen Wahrnehmung zerrissen werden. Als Investor sollte man die Strategien nicht ausschließen.“ Wenig Charme versprühten ­derzeit allerdings Bonds, wie Umlauf in seinem Eröffnungsvortrag ausführte. Sie hätten nun ihre Diversifikationswirkung ­weitgehend verloren. Ganz zu schweigen vom Ertragspotenzial. Rückblickend sei man zwar mit Balanced-Ansätzen aus Aktien und Renten gut gefahren, doch das sei in Zukunft wohl nicht mehr möglich.

Warum die Balanced-Ansätze, die heute häufig als Multi Asset ­bezeichnet werden, in dem „Umlaufschen Periodensystem“ nicht gesondert ausgewiesen seien, wollte ein Teilnehmer wissen. Antwort: Es handelt sich dabei traditionell um ein Segment, dessen Zusammensetzung primär aus Aktien und Renten besteht, auch wenn die Bandbreite der Investments inzwischen um einiges größer geworden ist. „Am Ende des Tages sind es Risikoprämien aus Aktien und Renten versehen mit einem meist sehr kleinen Schuss an Markt-Timing“, so der Referent. Ein Consultant aus dem Publikum ergriff nun das Wort und warnte, dass nicht jeder Investor die Einflussfaktoren einschätzen könne, die diesen Strategien zugrundeliegen. Man müsse insbesondere dazu immer noch viel Aufklärungsarbeit leisten.

Positiv fiel auch Frank Umlaufs Einschätzung von Strategien im Bereich „Absolute Return“ aus. Grund: Die sich bietenden Diversifikationsmöglichkeiten über andere Return-Treiber seien weiterhin ­intakt in Kombination mit einer weitgehend besseren Liquidität. Eine Art Persilschein für dieses Strategieuniversum war das aber nicht. Ein Besucher, der bei einer großen süddeutschen Versicherung die ­Kapitalanlagen betreut, betonte, dass Absolute-Return-Ansätze nicht zu jedem Investor passen.

Stiftungsportfolio in Multi-Asset-Manier
Im Anschluss ging Jens Güldner, Leiter Vermögensmanagement beim Evangelischen Johannesstift (EJS), der Frage nach, welche liquiden Alternativen sich institutionellen Investoren heute anbieten. Das Vermögen der sozialen Einrichtung in der Struktur einer Beteiligungsträgerstiftung umfasst gemäß Satzung im Wesentlichen das stiftungseigene Areal mit einer Fläche von 75 Hektar Land und derzeit 60 Gebäuden in Berlin-Spandau. Die darüber hinausgehenden ­Kapitalanlagen werden im sogenannten „AllianzGI-Fonds EJS-­Stiftungsfonds“ gebündelt. Bei dem Konstrukt handelt es sich um ­einen offenen Spezial-AIF mit festen Anlagebedingungen. Das Fondsmanagement verfolgt eine aktive Allokationssteuerung über aktive und passive Zielfonds sowie über Einzeltitel. Die Größe des Mandats bezifferte Güldner auf rund 60 Millionen Euro. Mithilfe eines ­breiten Anlagespektrums will das Johannesstift an Risikoprämien partizipieren, wie sie die Anlageklassen Aktien, Anleihen und alter­native ­Anlagen bieten. Die im Multi-Asset- / Multi-Strategy-Team von ­Allianz Global Investors entwickelte proprietäre Strategie nutzt mittel­fristige Trends innerhalb und zwischen den Anlageklassen. Dabei werden ­jene Anlagen systematisch übergewichtet, die relativ zu den anderen eine überlegene relative Wertentwicklung aufweisen. Die Stiftung verfolgt im Vermögensmanagement, auf das ungefähr ein Fünftel der ­Bilanzsumme von insgesamt knapp 266 Millionen (2013) entfällt, das Ziel, stabile und nachhaltige Erträge zu erwirtschaften. Dabei strebt das Johannesstift eine langfristige, reale Vermögens­sicherung an. Im Rahmen seiner Präsentation konzentrierte sich Güldner auf Fragen rund um Multi-Asset-Investmentlösungen.

Zunächst konnte beim Johannesstift von einem Multi-Asset-­Ansatz, wie er heute gefahren wird, noch keine Rede sein. Das Port­folio war ursprünglich nur mit Aktien (Schwerpunkt Europa) und Renten im Verhältnis von 20 zu 80 bestückt. Erst im Laufe der Zeit wurde der Anlagespielraum auf immer mehr Anlageklassen und auf die globale Ebene erweitert. Nicht ohne Stolz sagte Stiftungsexperte Güldner, dass er inzwischen über einen „Apothekerschrank“ verfügt, der es dem Johannesstift heute erlaubt, in die verschiedensten Asset-Klassen zu investieren. „Wir versuchen unser Geld heute so anzulegen, dass wir soziale, ökologische und ökonomische Belange ­möglichst gleich bewerten.“ Mittelfristig und fünfjährig rollierend strebt Jens Güldner mit seinem Balanced-Ansatz eine Rendite an, die ein bis zwei Prozent über der Inflation liegt.

Das Wechselspiel von Risikoprämie und Managerskill
Im weiteren Verlauf des Münchner summit präsentierte Andreas Kampe ein Anlagekonzept der Bayern Invest. Der Referent knüpfte thematisch an seine beiden Vorredner an. Kampe ist Abteilungsleiter Fondsmanagement. Sein beruflicher Schwerpunkt bei der Bayern ­Invest liegt auf dem Bereich Derivate und alternative Investments. Mit ihrem hauseigenen Multistrategiekonzept verfolgt die Kapital­verwaltungsgesellschaft aus München keinen Bias zu gängigen Stilrichtungen, gleichwohl nutzt sie alle Richtungen des Marktes zur ­Ertragsgenerierung. Vor diesem Hintergrund investiert Kampe ­anhand unterschiedlicher Strategien in verschiedene Asset-Klassen, ohne dabei Einschränkung des Investmentuniversums hinzunehmen – mit zwei Ausnahmen: Rohstoffinvestments und Investitionen in Wertpapiere von Produzenten geächteter Waffen sind tabu. Seiner Meinung nach eignen sich Multistrategiekonzepte zur Diversifizierung, da sie eine geringe Korrelation zu klassischen ­Anlageformen aufweisen. Insofern lasse sich das Rendite-Risiko-­Profil verbessern.

Seinen Niederschlag findet das Konzept der Bayern Invest unter anderem in einem Ucits-konformen Fonds, dem Alpha Select Plus. Die Strategie und das Ziel des im November 2007 aufgelegten ­Vehikels sind darauf ausgelegt, neben marktgerechten Erträgen langfristiges Kapitalwachstum zu erwirtschaften. Dafür investiert der Fonds über ein duales Anlagekonzept in ein Basisportfolio aus überwiegend verzinslichen Euro-denominierten Wertpapieren. Zusätzlich nutzt das Fondsmanagement mithilfe von Derivaten die Chancen der Asset-Klassen Aktien, Renten/Zinsen und Währungen – gebündelt in einem derivativen Strategieportfolio. Dabei setzt die Bayern ­Invest ganz klassisch auf Investitionen in börsengelistete und ­standardisierte Optionen und Futures; bei Währungen wiederum kommen sogenannte „listed look-a-likes“ zum Einsatz. Auf Nachfrage wies Kampe darauf hin, dass das derivative Strategieportfolio kein Overlay sei, wie man es aus dem Portfoliomanagement für Absicherungszwecke kennt. Vielmehr sei es zentraler Bestandteil der Anlagestrategie, um die Ertrags- und Risikoziele zu erfüllen. Mit Blick auf das Tages­geschäft wies der Redner darauf hin, dass für den Investmentprozess nicht weniger als 600 Underlyings infrage kämen, ­wobei Derivate noch nicht einmal berücksichtigt sind. Auf der Suche nach attraktiven Investments kann Andreas Kampe also aus dem ­Vollen schöpfen. Denkbar sei beispielsweise ein Investment in Aktien oder eines der unzähligen Währungspaare. Investiert werde in bis zu 20 gleich­gewichtete Risikopositionen. Auf diese Weise werde ein zu klassischen Fondskonzepten unkorreliertes Portfolio erzeugt.

Ein Mix mit Zukunft?
Adrian Daniel, Portfoliomanager bei der Main-First-Bank in Frankfurt am Main, präsentierte ebenfalls ein Anlagekonzept; konkret handelt es sich um den noch recht jungen Main-First-Absolute-Return-Multi-Asset-Fonds. Dieser wurde im April 2013 aufgelegt und hat seither eine Rendite von 17,18 Prozent erzielt (Stand 28. Mai 2015). Das Fondsvolumen des Publikumsfonds liegt bis dato bei 22 Millionen Euro, insgesamt verwaltet das Team bei Main First, zu dem Adrian Daniel gehört, mit Absolute-Return-Strategien rund 800 Millionen Euro für institutionelle Kunden in Deutschland. Wie der Portfolio­manager ausführte, erfordert die geringe Rendite der Kernanlage „Staatsanleihe“ eine strategische Überprüfung der Asset-Allokation. Nach Berechnungen der Bank of America Merrill Lynch wurden im April 2015 weltweit Staatsanleihen im Gegenwert von 5.300 Milliarden US-Dollar mit einer negativen Rendite gehandelt. In Anbetracht dieser Situation sollten institutionelle Investoren nicht davor zurückschrecken, nach Alternativen zu suchen.

Daniel zeigte mehrere Möglichkeiten auf, wie institutionelle ­Investoren vorgehen können, um dem Niedrigzinsumfeld zu ­begegnen. Zum einen sollten sie sich – falls nicht bereits geschehen – intensiver mit alternativen Anlageklassen beschäftigen. Immobilien, Infrastruktur, Hedgefonds und Rohstoffe seien mögliche Renditebringer. Der Referent aus dem Hause Main First machte die Konferenzteilnehmer zum anderen auf mögliche taktische Veränderungen im bestehenden Renten-Universum aufmerksam. Das Absenken der Bonität der Schuldner und eine Erhöhung der Duration seien Möglichkeiten, einen Renditeausgleich durch Alpha-Strategien zu erzielen. Daneben wies er auf Beta-neutrale Strategien und Smart-Beta-Konzepte als gangbare Wege hin. Als präferierte Form der Alternative sprach sich Daniel aber für Aktien aus, da diese unter den traditionellen Anlage­formen die höchste laufende Ertragskraft böten und unter Liqui­ditätsaspekten herausstechen. Konkret plädierte er für risiko-­optimierte und Absolute-Return-Ansätze – wobei er monierte, dass es unter institutionellen Investoren nach wie vor große Vorbehalte ­gegen jede Form von ­Absolute-Return-Ansätzen gebe. Es brauche einfach Zeit, um Kunden in dieses Segment zu heben, so Daniels Fazit.

Von Tobias Bürger

portfolio institutionell, Ausgabe 7/2015

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