Recht, Steuer & IT
27. Juni 2016

Prüfstein für deutsches Kapitalmarktrecht

Mit dem norwegischen Pensionsfonds beteiligt sich nun auch der größte institutionelle Investor der Welt an der Klage gegen VW. Es geht um Schadenersatz in Milliardenhöhe und Anstoß von Reformen.

Norwegens Ölfonds verklagt Volkswagen. Wie Norges Bank Investment Management Ende Juni mitteilte, beteiligt sich der rund 750 Milliarden Euro schwere Pensionsfonds an einer Sammelklage, die die Anwaltskanzlei Quinn Emanuel Urquhart & Sullivan im Auftrag mehrerer 100 institutioneller Investoren Anfang vergangener Woche in Braunschweig beim Landgericht eingereicht hat.
Es ist die erste von zwei Klagen gegen Volkswagen, wie Bentham Europe als Vertreter dieser Gemeinschaftsaktion in einer Mitteilung erläutert. Die Klagesumme sei beträchtlich: Die von Quinn Emanuel vertretenen Anleger hätten Verluste von mehreren hundert Millionen Euro erlitten. Die Klagen stehen in direktem Zusammenhang mit dem erheblichen Kursfall der Stamm- und Vorzugsaktie der Volkswagen AG in der Woche vom 21. September 2015.
Laut Bentham bilden die Kläger einen repräsentativen Querschnitt der Aktionärsbasis von Volkswagen. Dazu gehören Staatsfonds, internationale Vermögensverwalter, große öffentliche Pensionsfonds, Pensionsfonds betrieblicher Altersversorgungswerke und Stiftungen. Auch der kalifornische Pensionsfonds Calstrs findet sich unter den Klägern. Brian Bartow, General Counsel und Chief Compliance Officer des California State Teachers‘ Retirement System (Calstrs), sagte bei Klageeinreichung: „Ein Unternehmen muss für Fehlverhalten der hier vorliegenden Art zur Verantwortung gezogen werden. Eine so großangelegte und absichtliche Täuschung vernichtet Börsenwerte und schadet dem Ruf des Unternehmens und der Allgemeinheit. Als langfristig orientierter Anleger ist Calstrs tief besorgt um den Zustand der internen Kontrollmechanismen und der Unternehmensführung bei Volkswagen sowie der Wahrnehmung der Kontrollverantwortung durch den Aufsichtsrat. Die Klage bezweckt nicht allein die Schadloshaltung unserer Pensionsfonds, letztendlich sollen bei Volkswagen dringend notwendige Reformen der Unternehmensführung angestoßen werden.“
Bentham steht eigenen Angaben zufolge mit zahlreichen weiteren geschädigten Fonds und Vermögensverwaltern in Kontakt. Die Gesamtsumme der anhängigen Schadensersatzforderungen wird sich nach derzeitiger Planung auf mehrere Milliarden Euro belaufen.
Dr. Nadine Herrmann, Managing Partner von Quinn Emanuel Hamburg, die das Verfahren in Deutschland neben Richard East federführend begleitet, erklärte: „Die Anlegerklagen gegen VW sind für die praktische Funktionsfähigkeit des deutschen Kapitalmarktrechts ein wichtiger Prüfstein. Sollte es VW tatsächlich gelingen, mit fadenscheinigen Ausreden wie angeblich fehlender Kenntnis der gesellschaftsrechtlichen Vertretungsorgane von der systematischen Abgasmanipulation, eine Haftung zu vermeiden, wäre auch der Kapitalmarktstandort Deutschland nachhaltig beschädigt. Wenn es je einen Skandal gegeben hat, der eine nachhaltig spürbare Durchsetzung von Anlegerrechten im Bereich der Anlasspublizität erfordert, dann ist das sicherlich dieser Fall. Wir freuen uns, dass uns so viele institutionelle Investoren diesen wichtigen Fall an vorderster kapitalmarktrechtlicher Front anvertraut haben.“
portfolio institutionell newsflash 27.06.2016/Kerstin Bendix

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