Strategien
13. Mai 2016

Regulierungsarbitrage

Versicherungen sehen sich bei Aktien mit sündhaft teuren Eigen­mittelanforderungen konfrontiert. Market-Neutral-Strategien und Wandelanleihen können jedoch das Solvenzkapital reduzieren. Der Verzicht auf Ratings schont ebenfalls das Eigenkapital. Hier finden Investoren Potenzial für Regulierungsarbitrage.

Nicht weniger als 15,5 Prozent ließen sich in den ersten drei Monaten dieses Jahres mit 30-jährigen Bunds verdienen. Diese Asset-Klasse­ versprüht für Versicherungen zudem den Charme, dass Solvency II Bundesanleihen als risikolos ansieht und als Baustein für das Asset-Liability-Management schätzt. Für die Zukunft erscheint das Renditepotenzial jedoch begrenzt. Mehr Renditechancen versprechen Aktien. Für Aktien lassen sich Faktoren wie Bewertungen, Dividenden oder Diversifikation auf die Waagschale werfen. Aufgewogen werden diese Faktoren bei Versicherungen allerdings durch ein großes Gegen­gewicht: Solvency II. Das dieses Jahr in Kraft getretene Aufsichts­regime erfordert für Aktien aus dem OECD-Raum eine Eigenmittelunterlegung von 39 Prozent. Bei Aktien außerhalb dieser Region sind es sogar noch zehn Prozentpunkte mehr an SCR (Solvency Capital ­Requirement). Je nach Marktsituation kann sich die Unterlegung noch um zehn Prozentpunkte erhöhen oder reduzieren.

Aktien: Neutral ist nicht risikolos
„Intelligente Solvency-II-Aktienstrukturen sind nicht trivial“, stellt Richard Sarsfield, European Head of Insurance von Morgan Stanley Investment Management, fest. „Das Aktien-Beta aufrecht zu erhalten, hat sich für die Versicherungen vor dem Hintergrund der teuren ­Kapitalunterlegung unter Solvency II als das größte Asset-Allokations-Dilemma erwiesen“, führt er weiter aus. Die Lösung dieses Dilemmas  könnte in der Eliminierung des Beta-Risikos liegen, wie dies unter ­anderem Frankfurt-Trust in seinen marktneutralen Aktienstrategien tut. „Bei der richtigen Ausgestaltung hat man dabei eine deutlich geringere Eigen­kapitalunterlegung als bei Long-only-Aktieninvestments“, ist Markus Becker, Leiter Versicherungen und Vorsorge­institutionen bei Frankfurt-Trust, überzeugt.

Marktneutrale Aktienstrategien werden bei Frankfurt-Trust derivativ per Total-Return-Swap umgesetzt. „Auf diese Weise können wir kostengünstig das Marktrisiko eliminieren. Wir machen kein aktives Pair Trading, sondern shorten den Gesamtmarkt. Dadurch verzichten wir zwar auf mögliche Performance-Beiträge der Short-Seite, unter­liegen aber nicht dem asymmetrischen Risikoprofil von Aktien. Nach unten kann ich mit einer Short-Position auf eine Einzelaktie maximal 100 Prozent verdienen, nach oben jedoch theoretisch unendlich viel verlieren“, ­erläutert Marc Ospald, der als Fondsmanager die marktneutralen ­Aktienstrategien bei Frankfurt-Trust betreut. Auf der Long-Seite wird unterdessen nach Aktien gesucht, die unterbewertet erscheinen. Für seine Europastrategie, die auf dem Stoxx 600 basiert, selektiert Frankfurt-Trust 50 Titel. Die Auswahl erfolgt rein ­quantitativ anhand eines Multi-Strategie-Modells, das auf folgende fünf Faktoren abstellt: ­Fundamental, Dividende, Risiko, Trendfolge und Revision. „Diese fünf Faktoren suchen nach völlig unterschiedlichen Alphaquellen und sind zueinander unkorreliert, so dass das Modell­risiko breit diversifiziert ist“, erläutert Ospald. „Ein reiner Value-­Ansatz reicht unseres Erachtens nicht aus, um stetiges Alpha zu produzieren. Wir kombinieren daher unterschiedliche Stile, um die Aktien­ zu finden, die die größte Chance haben, den Markt zu schlagen“, fügt er hinzu. Eine gezielte Optimierung hinsichtlich der fünf Faktoren erfolgt­ nicht. Die Faktoren sind gleichgewichtet und in der ­Europa­strategie auf maximal zehn Aktien pro Faktor begrenzt. ­Sollten zu einem Zeitpunkt in einer der Strategien weniger als zehn Aktien attraktiv erscheinen, verliert diese sukzessive an Gewicht. Auf diese Weise sollen Selektionsstile, die temporär weniger attraktiv ­erscheinen, einen geringeren Einfluss auf die Performance der Gesamt­strategie haben. „Trendfolgeaktien atmen am meisten. Sie sind in ­Abwärtsphasen kaum im Depot“, erläutert Fondsmanager Ospald. Das Rebalancing erfolgt quartalsweise und wird mit Blick auf die Transaktionskosten derivativ umgesetzt. Auf Investorenwunsch sei jedoch auch eine ­physische ­Replikation möglich. „In diesem Fall gehen ­jedoch 60 bis 100 Basispunkte von der Performance verloren“, erklärt Markus ­Becker. Bei der Hälfte der 16 Mandate, für die Frankfurt-Trust derzeit eine markt­neutrale Aktienstrategie umsetzt, ist ­genau dies der Fall.

Marktneutralität ist nicht mit Risikolosigkeit zu verwechseln. Vielmehr geht es darum, das Vermögen unabhängig von der jeweiligen Marktphase mittels risikoärmeren als reinen Aktienanlagen zu ­vermehren. Ziel von Frankfurt-Trust ist eine risikokontrollierte Rendite­ von vier bis fünf Prozent pro Jahr. Das ist seit Auflage der marktneutralen Euro­pastrategie im Dezember 2011 stets gelungen. Zwar gab es durchaus Verlustmonate, doch diese ­wurden bisher ­immer aufgeholt. Die Jahresergebnisse waren allesamt positiv. Sie ­reichen von 4,6 Prozent (2013) bis 7,2 Prozent (2012). ­Annualisiert ­betrug die Performance für diesen Zeitraum 5,2 Prozent bei einer ­Volatilität von 5,3 Prozent. Die angestrebte Sharpe Ratio von eins ­wurde mit 0,95 fast erreicht. „Solche Ergebnisse sind mit ­traditio­nellen Anlageklassen kaum noch zu erreichen. Insofern können markt­neutrale Aktienstrategien in der Tat einen Ausweg aus dem Anlagenotstand darstellen“, ist ­Becker überzeugt. Für Versicherungen kommt noch ein weiteres Schmankerl hinzu. Die Eigenkapitalunterlegung ist im Vergleich zu klassischen Aktienanlagen deutlich geringer. Im Standardmodell ist die Europastrategie nach Solvency II mit circa zwölf bis 16 Prozent ­Eigenkapital zu unterlegen, wie ein von Frankfurt-Trust in Auftrag ­gegebenes Gutachten bestätigt. Für die Euro­landstrategie liege das SCR sogar nur bei einem Prozent. „Hintergrund ist, dass man den Hedge risikomindernd anwenden kann, wenn die Korrelation zwischen Long-Investment und Short-Seite größer­ als 90 Prozent ist und diese auch dauerhaft darstellbar ist. Das ist bei uns der Fall“, erläutert Becker. Bei Overlay-Strategien sollte dieser Fall ebenfalls gegeben sein.

In Anbetracht dessen ist Markus Becker überzeugt, dass marktneutrale ­Aktienstrategien weiteren Zulauf – insbesondere von Ver­sicherungen – erleben werden. Derzeit betreut Frankfurt-Trust ­Volumina in Höhe von rund 300 Millionen Euro in diesen Strategien. „Das ist noch nicht exorbitant, wird aber zukünftig deutlich mehr werden“, so Becker. Er verweist auf Zahlen von Morningstar, die zwar nur Publikumsfonds und keine Spezialfonds enthalten, aber dennoch für den Vormarsch dieser alternativen Asset-Klasse stünden. Danach stieg das in marktneutralen Aktienstrategien verwaltete Vermögen in Deutschland seit Oktober 2012 bis Ende 2015 von fünf auf 20 ­Milliarden Euro. Ein weiteres Beispiel: Allianz­ Global ­Investors (AGI) hatte im Februar 2016 die Ausgabe von ­Anteilscheinen ausgesetzt, nachdem das Maximalvolumen infolge ­hoher Mittelzuflüsse für zwei marktneutrale Long-Short-Aktienfonds erreicht wurde. So soll verhindert werden, dass die Anlagestrategie verwässert wird.

„Aktien sind eine liquide Asset-Klasse. Im Long-only-Bereich sind Mittelzuflüsse deshalb auch kein Problem. Wenn man jedoch in Aktien­ short gehen will, muss man sich vorher die Aktien leihen. Man darf nicht naked short sein. Das Risiko dieser ungedeckten Leerverkäufe ist erheblich, denn tun dies zu viele, steigen die Preise und die Tür wird immer kleiner“, sagt Harald Sporleder, der bei AGI das Portfoliomanagement für Long-Short-Aktienstrategien leitet. AGI verfolgt dabei ­einen anderen Ansatz in seinen marktneutralen Aktienstrategien­ als Frankfurt-Trust. Diese basieren nicht auf einem Quant-Ansatz, sondern fundamentalem Research. ­„Vereinfacht ausgedrückt kaufen wir gute Aktien und verkaufen schlechte“, so Sporleder. „Viele Wege führen nach Rom“, ergänzt er mit Blick auf die Vielfalt der Strategien, die unter ­„market neutral Equity“ ­subsummiert sind.

Für Investoren ist es nicht einfach, dabei den Überblick zu ­behalten. Das ist sicher ein Grund, warum marktneutrale Aktienstrategien in Deutschland erst allmählich an Fahrt gewinnen. Ein weiterer Hemmschuh für VAG-Anleger könnte im Neue-­Produkte-Prozess (NPP) bestehen, den diese bei der Installation neuer Produkte vollziehen müssen. „Viele scheuen den Aufwand des NPP, und das für eine Anlageklasse, die zwei bis drei Prozent des Portfolios ausmacht“, ist sich Becker bewusst. Seines Erachtens könne ein ­Portfolio jedoch durchaus mehr als zwei bis drei ­Prozent vertragen, zumindest solange­ risikoarme Renteninvestments keinen Ertrag mehr abwerfen. Auch Sporleder hält das Rendite-Risiko-Profil von marktneutralen Aktien­strategien für attraktiv. Dieses wirke stabilisierend fürs Portfolio und passe auch gut zu konservativen Investoren. Über die vergangenen acht Jahre erzielte Sporleder mit seinen marktneutralen Aktienfonds bis Ende 2015 eine Rendite von fünf Prozent nach Kosten – bei einer Sharpe Ratio größer eins. Allerdings mahnt Sporleder: „Man sollte ­eine Liquid-Alternatives-Strategie vor der Investition sehr gründlich analysieren und die entscheidenden Einflussfaktoren verstehen.“

Wandelanleihen: Option auf weniger SCR
Für Wandelanleihen und deren Optionskomponente spricht ­generell, dass wir auch künftig in volatilen Zeiten leben dürften. ­Außerdem schwindet mit den Zinsen der Nachteil von Wandlern, dass Investoren deren Option mit einer geringeren Verzinsung bezahlen.­ Aktien-Exposure über Wandelanleihen zu suchen, hat speziell für Versicherungen den Solvency-II-Vorteil, dass die Wandel­anleihe in die Options- und Bond-Komponente zerlegt wird und nur erstere mit den sündhaft teuren Eigenmittelanforderungen für Aktien unterlegt werden muss. Besteht der Wert einer Wandelanleihe zu zehn Prozent aus der Option, sind nur diese zehn Prozent mit dem Solvenzkapital für Aktienrisiken zu unterlegen. Diese Option bietet aber ein deutlich größeres Upside-Potenzial. Nach unten ist das Risiko­ auf den Wert der Option begrenzt, also in diesem Fall auf zehn Prozent. Bei einer konvexen Option nimmt die Aktiensensitivität in ­einem fallenden Markt sehr schnell ab – und damit auch die ­geforderte Eigenmittelunterlegung. Ebenfalls verkraftbar sein sollte die Unterlegung der restlichen 90 Prozent der Wandelanleihe, also der Corporate-­Bond-Komponente, die vom Zins-, Spread- und gegebenenfalls Währungsrisiko abhängt. „Aufgrund der asymmetrisch ­verteilten Risiko­-Rendite-Charaktereigenschaft von Wandelanleihen besteht unter Solvency II ein deutlicher Vorteil bezüglich der Eigenmittelunterlegung gegenüber reinen Aktienanlagen. Damit der ­optimale Nutzen beim Einsatz von Wandelanleihen unter Solvency II erzielt werden kann, ist eine bewusst asymmetrische Partizipation zum Aktien­-Underlying ­entscheidend. Ein Wandelanleihenportfolio sollte somit stets im ­hybriden Bereich positioniert sein“, erläutert ­André Riesen, Leiter Kundenbetreuung des Schweizer Convertible-­Spezialisten Emcore.

Nicolas Delrue, Investmentexperte bei der ebenfalls in der Schweiz ansässigen Union Bancaire Privée (UBP), betont, dass die Bei­mischung von Wandelanleihen in ein Aktien-Anleihen-Portfolio die SCR-Kosten senkt, ohne dass sich Aktien-Exposure, ­Rendite, Zinssensitivität, Rating und Marktwert verändern. „Sogar ­eine marginale Ergänzung mit Wandelanleihen kann die Eigen­kapitalunterlegung ­eines gegebenen Aktien-Exposures optimieren“, so Delrue. Deutlich weniger relevant als die Aktienkomponente ist für die beiden Schweizer Asset Manager das Zinsrisiko von Wandelanleihen. Der Thomson Reuters Global Convertible Focus IG Index weist über die vergangenen ­Monate eine Duration von etwa vier auf, die damit unter der von Unternehmensanleihen liegt. Darum und wegen der Notwendigkeit eines aktiven Managements eignen sich Convertibles für ein Duration Matching beziehungsweise für ein Asset-Liability-Management nur schlecht. Der Nutzen von Convertibles liegt aus Sicht von Emcore ­woanders. Nach Einschätzung des Wandelanleihenspezialisten sind Wandler als Beimischung in ein Portfolio lohnenswert, auch als ­Ersatz für Rentenbestände. Besonders interessant sei die Anlageklasse aber als ­„Ersatz von Equity- beziehungsweise Equity-linked-Anlagen ­aufgrund der deutlich reduzierteren Eigenmittelunterlegung bei gleichzeitig ­intakter Partizipation an steigenden Basiswerten“. Auch für UBP liegt der Hauptgrund für Wandelanleihen im Aktien-Exposure.­ „Der eigent­liche Grund ist die Konvexität“, so Delrue.

Erhöhen lässt sich das Renditepotenzial von Wandelanleihen durch eine Erhöhung des Kreditrisikos. Dies hat Charme, da sich ­dabei das SCR in nur geringem Maße erhöht. „Im Wandelanleihen­bereich wird das Kreditrisiko aufgrund der niedrigen Zinssensitivität und einer Anomalie im ‚nicht-gerateten Bereich‘ nicht so stark ­bestraft“, schreibt Maria Vogt von Fisch Asset Management im Absolut­ Report. Interessant hierzu zu wissen ist, dass etwa 40 Prozent der Wandelanleihen nicht geratet sind. „Nicht-­geratete Unternehmens­anleihen im High-Yield-Bereich genießen ­einen Vorteil, nicht-­geratete Investment-Grade-Anleihen werden ­gegenüber gerateten unter ­Solvency II benachteiligt“, so Vogt. Dies bestätigt auch Richard Sarsfield, European Head of Insurance von Morgan Stanley Investment ­Management (MSIM): „Nicht-geratete ­Loans und High-Yield-­Anleihen, die Risikoaufschläge vergleichbar zu BB oder geringer ­gerateten Anleihen aufweisen, profitieren von einer geringeren ­Solvenz-Kapitalunterlegung für nicht-geratete Anleihen.“

Während die SCR-Charge für nicht-geratete Anleihen – die ­Duration außen vor – drei Prozent beträgt, liegt dieser Wert bei BB-Anleihen bei 4,5 Prozent. Damit liegen non-rated Bonds auch näher bei Anleihen mit BBB-Bonität, für die 2,5 Prozent Eigenkapital zu hinterlegen ist. „Man kann durchaus sagen, dass das Potenzial für ­eine bessere Rendite pro Kapitaleinheit (SCR) von nicht-gerateten ­Loans und Anleihen existiert“, so Sarsfield, der noch auf die Voraussetzung hinweist, dass Zugang zur Illiquiditätsprämie besteht. Von diesem Potenzial sind die Privatbanker der UBP nicht überzeugt. Die UBP verweist auf die Gefahr starker Marktkorrekturen, die es mit sich bringen, dass sich die Credit Spreads ausdehnen und der Bond Floor genau zur falschen Zeit brüchig wird. In diesem Fall „gewinnen“ ­eigentlich nicht-aktiensensitive Wandelanleihen an Aktiensensitivität und nehmen Fahrt nach unten auf. UBP fokussiert sich darum auf den Investment Grade. Auch bei Pimco werden ungeratete Anleihen trotz des regulatorischen Vorteils mit einer gewissen Skepsis betrachtet. Schließlich bestehen auch andere wichtige Variablen, so Matthieu Louanges, Managing Director und Leiter der Financial Institutions Group (FIG) bei Pimco in Europa. „Non-rated secured Bonds oder ­Loans sind im Normalfall kleinere Emissionen, die nur selten ­gehandelt werden.“

Duration und Rating

Wer nicht das Renditepotenzial erhöhen, sondern die Kapital­unterlegung bei gleichbleibender Renditeerwartung reduzieren möchte, kann laut Morgan Stanley bei geringer gerateten Anleihen mit kurzer­ Duration das attraktivste Renditepotenzial pro Risiko­kapital finden, obwohl Solvency II für den Spread höhere Eigenmittel als für Zinsrisiken aufruft. Pimco sieht derzeit jedoch auch nach Berücksichtigung von Solvency II mehr Value im Spread als im Zinsrisiko.
Ein Nachteil, den Wandelanleihen gegenüber Aktien aufweisen: die Liquidität. Auch hier sind die beiden Bonitätssegmente zu unterscheiden. Investment-Grade-Wandelanleihen weisen nach Ansicht von Emcore eine zufriedenstellende Liquidität auf, wobei kurzfristig bei starken Marktschwankungen Liquiditätsengpässe bei einzelnen Emissionen nicht auszuschließen seien. Im qualitativ guten Segment würden sich solche Verwerfungen jedoch relativ schnell wieder ­zurückbilden. Anders im Non-Investment-Grade-Segment: „Jüngst hat sich gezeigt, dass die Liquidität in diesem Segment begrenzt ist und größere Transaktionen schnell zu einem Engpass führen ­können“, so André Riesen von Emcore. Diese Engpässe können gegebenenfalls aber auch auf das Investment-Grade-Segment durchschlagen, wenn sich in schwierigen Marktphasen Fonds mit substantiellem Anteil an Non-Investment-Grade-Anlagen mit Mittelabflüssen konfrontiert ­sehen. Solche Forderungen müssen dann über die Liquidation von ­Titeln mit guter Qualität bedient werden, womit ein Preisdruck auch auf diese Wandelanleihen entsteht. Dazu kam es ­insbesondere im Herbst 2008, als hochgehebelte Hedgefonds ­kurzfristig größere Positionen­ an Wandelanleihen abstoßen mussten.

Diese Gefahr droht heute weniger, da Hedgefonds der Kredithahn ­zugedreht wurde und diese darum deutlich weniger mit Convertible-Arbitrage-Strategien unterwegs sind. Je weniger Marktteilnehmer, desto geringer jedoch auch die Liquidität. „Vor 2008 wurden Wandelanleihen vielfach von Hedgefonds gehalten, heute hingegen deutlich stärker von einer Vielzahl von Long-only-Investoren. Unter dem Strich ist dies eine ­positive Entwicklung“, so Nicolas Delrue von UBP. Druck auf die Zahl der Marktteilnehmer könnte auch daher rühren, dass seitens der Unternehmen ein starker Deleveraging-Trend ­erkennbar war, der gegen die Emission weiterer Anleihen spricht. Emcore gibt jedoch zu bedenken, dass die tiefen Finanzierungskosten dazu führten, dass viele Unternehmen umfangreiche Verbindlich­keiten auf langfristiger Basis ­eingegangen sind und nun die Stärkung des Eigenkapitals wieder vermehrt im Fokus steht. „Das Thema ­Bilanzstrukturierung wird ­daher künftig eine zunehmende Attraktivität für Wandelanleihen ­bedeuten“, argumentiert Riesen.

Abnehmer für die Emissionen werden sich im mindestens ­gleichen Maße bei den Versicherungen finden. „Historisch gesehen haben Versicherungen eine etwas gespaltene Meinung hinsichtlich Wandelanleihen. Entweder fühlen sie sich wohl mit dem Risiko oder nicht“, so Richard Sarsfield von Morgan Stanley. „Wandelanleihen ­kamen durch Solvency II aufgrund der Konvexität wieder ins ­Rampenlicht und wir gehen davon aus, dass die Versicherungen diese Anlageklasse wieder häufiger für ihre Allokation berücksichtigen ­werden.“ Die Conditio sine qua non: Die Versicherer brauchen auch die nötige Expertise, um die Option richtig zu preisen und modellieren zu können. Dieses Wissen, so Matthieu Louanges von Pimco, ­fehle oft auch den sophistizierteren Vertretern aus dem Versicher­ungslager. Aus diesem Blickwinkel sind Wandelanleihen nach ­Solvency II sogar ein Nachteil.

Heilen lässt sich der Nachteil, wenn Versicherer die Bewertungsmodelle und die Beratung von großen Häusern wie Pimco nutzen. Aber auch über die Option von Wandlern hinaus bietet Solvency II den Dienstleistern ein großes Geschäftspotenzial. Morgan Stanley geht davon aus, dass die ganzheitliche Optimierung des Kapitalein­satzes in Verbindung mit einem festgelegten Zielertrag geeigneter ist, als lediglich auf die Reduzierung der Kapitalanforderung abzuzielen. „Eine Kombination von länger laufenden Anleihen mit guter Bonität und kurzlaufenden Anleihen mit geringer Bonität stellt in vielen ­Fällen die optimale Positionierung dar, jedoch kommt es natürlich stark auf die Zielsetzung der Versicherung und den damit verbundenen Beschränkungen an“, so Sarsfield. Ein globales Multi-­Asset-Fixed-Income-Portfolio könne individuell so ausgestaltet ­werden, dass die Rendite pro Kapitaleinheit optimiert wird und gleichzeitig aber auch die einzelnen Erfordernisse der Versicherungen ­eingehalten werden.

SCR-Optimierung: Portfoliomanagement und Asset-Klassen-Mix
Das Credo von Morgan Stanley ist, dass die SCR-Optimierung ­innerhalb des Portfoliomanagements und vor allem durch eine Optimierung des Asset-Klassen-Mixes verbessert werden kann. „Extern kann dies durch ein in ein Compliance-System eingebettetes Solvenzkapitalbudget, durch Portfoliokonstruktion und einen Managementprozess unterstützt werden. All diese Komponenten sollen bei einem festgelegten SCR-Kapitalbudget die Rendite des Portfolios maximieren“, plädiert Sarsfield gegenüber Versicherungen für ein Partner­modell. Teil dieser Partnerschaft ist ein externer Manager, der die Non-Core-Rentenanlagen effizient anlegt. Sarsfield erklärt: „Der externe Manager kann vor allem damit beauftragt werden, die Solvenzkapital­anforderungen zu optimieren. Nachdem Solvency II nun in vollem Gange ist, gilt es für die Versicherungen jetzt vor dem Hintergrund der Herausforderungen an den Märkten und der erhöhten regulatorischen Komplexität, die Investmentmanagement-Funktion wieder in Kraft zu setzen.“

Andererseits zählen Versicherungen Solvency II zu ihren Kernkompetenzen. Auch allgemein scheinen Versicherungen auf den Rendite­druck eher mit einem verstärkten Insourcing als mit Auslagerungen zu reagieren. Mit Blick auf die Herausforderung, ­Solvency II ausgerechnet im derzeitigen Zinsumfeld zu starten, spricht aber auch einiges dafür, dass Asset Manager Versicherungen bei Solvency-II-Themen zumindest zuarbeiten. Auch dürften Versicherungen mehr Mandate für marktneutrale Aktienstrategien und Wandelanleihen vergeben.

Von Kerstin Bendix und Patrick Eisele

portfolio institutionell, Ausgabe 02/2016

Autoren:

In Verbindung stehende Artikel:

Schreiben Sie einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert