1. April 2015

Rolle rückwärts bei Pensionsplänen

Beitragsorientierte Pensionspläne gewinnen seit Jahren weltweit an Bedeutung. Arbeitgeber wälzen dabei die Risiken der Kapitalanlage auf die Arbeitnehmer ab. Eine Studie aus den USA deutet nun aber darauf hin, dass der Systemwechsel mehr Probleme schafft, als er ­beseitigen soll.

Zahlenmeer, Statistikflut, böses Erwachen: Der Jahresauftakt 2015 bot gerade im Bereich der Altersvorsorge ein buntes Spektrum von Neuigkeiten. Laut einer Untersuchung des Beratungshauses Towers Watson ist das für den Ruhestand gebundene Vermögen, die ­Angelsachsen sagen „Retirement Plan Assets“ dazu, in den 16 ­wichtigsten Märkten im vergangenen Jahr um 6,1 Prozent auf 36,1 ­Billionen Dollar gewachsen. Um den Wert in einen griffigen Kontext zu setzen, greift Towers Watson auf die globale Wirtschaftsleistung (BIP) zurück und berechnet daraus eine Kennzahl, die man sich durchaus für den nächsten Small Talk merken sollte: Das für die ­Rente gesparte Vermögen beträgt derzeit 84,4 Prozent des globalen BIP. Und mit einer weiteren Rechnung hat das Beratungshaus ­herausgefunden, dass die fürs Alter beiseitegelegten Vermögen, auch hier wieder die „Retirement Plan Assets“, seit dem Jahr 2004 im Durchschnitt mit sechs Prozent per annum gewachsen sind.

Darüber hinaus hat Towers Watson die Zusammensetzung der Vermögenswerte analysiert und in dem Zusammenhang auch aufgedröselt, wie groß der Anteil an Leistungs- beziehungsweise Beitragszusagen ist, mit denen für das Alter vorgesorgt wird. Hier spielen ­wenige Nationen die Hauptrolle: Auf den sechs größten Märkten, in ­denen die kapitalgedeckte Altersvorsorge weit verbreitet ist, liegen schlappe 32,9 Billionen für die Rente bereit. Dabei handelt es sich um die USA, Großbritannien, Australien, die Niederlande, ­Kanada und Japan. Auf Beitragszusagen beziehungsweise den mit ­ihnen einher­gehenden „Defined Contribution Assets“ entfielen in diesen Staaten zuletzt 46,7 Prozent der angesammelten Rentenvermögen. Gegenüber dem Vergleichswert des Vorjahres (46,6 Prozent) ist die ­Veränderung zwar marginal, doch im langfristigen Vergleich zeigt sich, dass dieser Teilbereich gegenüber 2004 um 7,8 Prozentpunkte gewachsen ist. Pensionspläne, bei denen die Leistungsempfänger und nicht die Arbeitgeber das Risiko bezüglich der Höhe der Rentenzahlungen tragen, sind also auf dem Vormarsch.

Vorbild USA!
Australien ist das Land mit dem höchsten Anteil von Beitrags­zusagen. Laut Towers Watson beträgt das Verhältnis gegenüber den traditionellen Leistungszusagen 85 zu 15 Prozent. In den Vereinigten Staaten liegt das Verhältnis schon bei 58 zu 42 Prozent. Das Besondere:­ In allen anderen Nationen liegt der Anteil der Leistungszusagen über dem der Beitragszusagen. Doch das dürfte sich nach Ein­schätzung der Berater von Towers Watson ändern. Sie gehen davon aus, dass der Anteil der Defined Contribution Assets „in den nächsten paar Jahren“ den der Defined Benefit Assets übertreffen wird.

Beispiel USA: Das Branchenmagazin „Pensions & Investments“ ­beziffert das Wachstum der Defined-Contributions-Pläne unter den Top 1.000 Retirement Plans im vergangenen Jahr auf 12,8 Prozent. ­Inzwischen verfügt diese Spitzengruppe über Vermögenswerte von knapp über drei Billionen Dollar. Demgegenüber kamen die Vertreter der Kategorie „Defined Benefit“ (DB) in dem Zwölfmonats-Zeitraum auf ein Plus von 6,4 Prozent. Mit Assets von knapp sechs Billionen Dollar haben sie aber in der Summe nach wie vor die Nase vorn. Nach Einschätzung von Branchenkennern deutet aber das divergierende Wachstum der beiden Bereiche darauf hin, dass Defined Contribution (DC) „die Zukunft des US-Altersvorsorgesystems“ darstellt.

Vorbild USA?
Als Zwischenfazit lässt sich festhalten, dass der globale Trend in Richtung beitragsorientierte Pensionslösungen geht. Doch wie lange noch? Gemäß einer Studie des National Institute on Retirement ­Security haben sich die Erwartungen großer Pensionspläne, die in der Vergangenheit auf beitragsorientierte Lösungen umgesattelt haben, nicht erfüllt. Mindestens drei Bundesstaaten haben durch den ­Systemwechsel unter dem Strich kein Geld gespart. Die Studien­macher haben sich mit Alaska, Michigan und West Virginia aus­einandergesetzt. Alle drei sind vor Jahren dazu übergegangen, neuen ­Mitarbeitern nur noch beitragsorientierte Pensionszusagen anzu­bieten, während frühere Berufseinsteiger in den Genuss leistungs­orientierter Pensionen gekommen sind. Die drei Bundesstaaten versprachen sich von dem Regimewechsel Kosteneinsparungen und eine höhere Ausfinanzierung ihrer Pensionsverpflichtungen.

Wie sich heute zeigt, haben sich die Erwartungen nicht erfüllt: Die Abkehr von leistungsorientierten und die Hinwendung zu beitragsorientierten Pensionsplänen hat nicht nur die Ausfinanzierungs­probleme nicht aus dem Weg geräumt, sondern sie hat auch zu weiter steigenden Kosten für die Einrichtungen und die Steuerzahler ­geführt. Diane Oakley, Chefin des National Institute on Retirement Security, ordnete die Ergebnisse so ein: „Viele Beobachter unterliegen der Fehleinschätzung, dass ein Systemwechsel den Arbeitsgebern dabei hilft, Geld zu sparen. Der Wechsel hin zu Defined-Constribution-Plänen räumt diesen Stolperstein allerdings nicht aus der Welt.“ Das wahre Problem liegt ihrer Einschätzung nach darin, einen Weg zu finden, wie sich ein Pensionsplan solide ausfinanzieren lässt. Beitragsorientierte Zusagen kosteten den Sponsor mehr Geld, falls er ein unverändertes Rentenniveau sicherstellen möchte, wie es die ­Angestellten auch von einem leistungsorientierten Plan erwarten könnten. Oakley zieht daraus das für künftige Pensionäre ernüchternde Fazit: „Es spart den Unternehmen nur dann Geld, wenn sie die Pensionsleistung drastisch kürzen.“

Sieht so die Lösung aus? West Virginia hat seinen leistungsorientierten Pensionsplan für neu angestellte Lehrer Anfang der 1990er Jahre geschlossen. Sie wurden mit einem beitragsorientierten Plan abgespeist. 2008 wurde Ersterer dann wieder für alle Lehrer geöffnet, nachdem eine Studie gezeigt hatte, dass es für den Bundesstaat ­günstiger wäre, wenn ihnen gleiche Leistungen im Rahmen eines klassischen DB-Plans zugesagt würden. Von dieser Rolle rückwärts erhofft man sich heute nennenswerte Einsparungen und eine baldige Aus­finanzierung der Verpflichtungsseite.

Von Tobias Bürger

portfolio institutionell, Ausgabe 3/2015

Autoren:

Schlagworte:

In Verbindung stehende Artikel:

Schreiben Sie einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert