Pension Management
10. Juni 2015

Runter mit der Komplexität in der bAV

Das gelingt nach Ansicht des GDV nicht mit Tariffonds, wie sie das Bundesarbeitsministerium vorschlägt. Was echte Impulse für die bAV bringt, stellt der Versicherungsverband in einem Konzept vor.

Wissen und Handeln sind zwei Paar Schuhe. Dies gilt auch beim Thema Altersvorsorge. Zwar erwartet die Mehrheit der Deutschen, dass sie sich im Alter einschränken muss. Tut aber nichts dagegen. Dies zeigt die repräsentative Allensbach-Umfrage für den Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), die gestern in Berlin vorgesellt wurde. Demnach sind nur 26 Prozent der Bundesbürger bereit, „einiges“ für ihre Altersvorsorge auszugeben. Das sind deutlich weniger als im Jahr 2001. Damals waren es immerhin 45 Prozent. 
Dieses erschreckende Ergebnis hat den GDV offenbar dazu veranlasst, ein Konzept unter dem Titel „Raus aus der Stagnation – Vorschläge zur betrieblichen und privaten Altersvorsorge in Deutschland“ zu unterbreiten. Darin plädiert der Branchenverband für eine Vereinfachung der betrieblichen Altersversorgung (bAV) und eine Weiterentwicklung der privaten Vorsorge. Frank-Henning Florian, Vorsitzender des Sozialpolitischen Ausschusses des GDV und Vorstandsvorsitzender der R+V Lebensversicherung, ist überzeugt: „Die betriebliche Altersversorgung in Deutschland ist heute schon zu komplex. Das ist ein wesentlicher Grund, warum ihre Verbreitung vor allem in kleinen und mittelständischen Unternehmen stockt.“ In dem vom Bundesarbeitsministerium vorgeschlagenen Tariffonds sieht er deshalb nicht das Potenzial, um die Verbreitung der bAV anzustoßen. „Ein solcher sechster Durchführungsweg würde die betriebliche Altersversorgung noch komplexer machen, bestehende Versorgungswerke beschädigen und viele kleine und mittlere Unternehmen gar nicht erst erreichen. Was wir brauchen, sind einfachere Regeln und Verfahren für die Betriebe und attraktivere Bedingungen für die Beschäftigten“, sagte Florian.  
Einen echten Impuls für die bAV würde nach Ansicht des GDV die Einführung eines freiwilligen Opting-Out bringen, bei dem im Arbeitsvertrag eine automatische Gehaltsumwandlung zum Betriebsrentenaufbau verankert würde. Arbeitnehmer müssten sich dann aktiv gegen eine betriebliche Altersvorsorge entscheiden. Das hätte sich in anderen Ländern, wie den USA und Großbritannien, bereits bewährt. Dort konnten die Beteiligungsquoten in der bAV dadurch spürbar erhöht werden. Gegenüber einer solchen Lösung wären wohl auch die Unternehmen aufgeschlossen. Dies ließ sich zumindest aus einer Umfrage unter den 200 Teilnehmern der bAV-Konferenz von Towers Watson im Herbst 2013 schließen. Damals gaben rund 60 Prozent an, sich die Einführung von betrieblichen Opting-out-Lösungen vorstellen zu können. Allerdings seien hierfür unternehmensspezifische Lösungen erforderlich, wie Dr. Thomas Jasper, Leiter der bAV-Beratung bei Towers Watson Deutschland anmerkte: „Ein Modell, das Mittelständler und Dax-Konzerne, Facharbeiter und Vorstandschefs in dasselbe Korsett zwingt, passt im Ergebnis niemandem. Die ergänzende Altersvorsorge lebt davon, dass Menschen je nach Lebenssituation und Bedarf wählen können, wann und wie viel sie ansparen.“ Auch die Bundesbürger hätten mit einem solchen Lösungsansatz kein Problem. Eine repräsentative Umfrage von TNS Infratest im Auftrag des deutschen Fondsverbandes BVI Ende 2014 hatte gezeigt, dass knapp 70 Prozent der Bürger es gut oder sehr gut fänden, wenn ihnen der Arbeitgeber automatisch einen bestimmten Betrag vom Gehalt steuer- und sozialabgabefrei für die Altersvorsorge abziehen würde.  
Der Vorschlag des freiwilligen Opting-Out ist nicht der einzige, den der GDV unterbreitet. Der Verband spricht sich auch für eine Reduktion der Durchführungswege im Unternehmen aus. Für Arbeitgeber sollte die Möglichkeit geschaffen werden, ihre bAV möglichst nur über einen Durchführungsweg anbieten zu können. Es wäre für sie eine erhebliche Entlastung, wenn sie nicht mehrere Durchführungswege mit unterschiedlicher sozialversicherungs- und steuerrechtlicher Behandlung und jeweils eigenen Schnittstellen zu Anbietern verwalten müssen. Dazu müsste der steuer- und sozialversicherungsrechtliche Dotierungsrahmen pro Durchführungsweg erweitert werden. 
Geringere Belastung bei bAV-Leistungen gefordert
Weitere zentrale Forderungen an den Gesetzgeber: Das Volumen der steuer- und sozialversicherungsfreien Beiträge an Direktversicherungen, Pensionskassen und Pensionsfonds soll von derzeit vier auf zehn Prozent erhöht werden. Außerdem soll die Absicherung von Erwerbs- und Berufsunfähigkeitsrisiken über die bAV mit einem größeren steuerlich geförderten Dotierungsrahmen erleichtert werden. Die Auslagerung von Versorgungszulagen aus den Unternehmen müssen vereinfacht, die Doppelverbeitragung von Betriebsrenten in der Kranken- und Rentenversicherung aufgelöst werden. Wie der GDV erklärte, sollte die Belastung durch Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge (KV- und PflV-Beiträge) gesenkt werden. Aktuell müssen auf die Betriebsrenten dauerhaft Krankenkassen- und Pflegeversicherungsbeiträge gezahlt werden. Angesetzt wird dabei der volle Beitragssatz, was für Betriebsrentner eine Leistungskürzung von rund 20 Prozent bedeutet. 
Auch die Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersvorsorge (Aba) sieht hier dringenden Handlungsbedarf. „Die Belastung der Betriebsrentner seit 2004 mit vollem KV-/PfIV-Beitrag ist eine ungerechte Sonderlast und muss einer vernünftigen Lösung zugeführt werden“, heißt es in eine, Schreiben vom 15. Mai 2015 mit dem Titel „Nicht zu kurz springen!“. Die Aba schlägt darin einen umfassenden Maßnahme-Mix vor, um das bAV-System zu reformieren. Dazu gehören Maßnahmen, die Klein- und Mittelbetriebe (KMU) haftungsarme Möglichkeiten zum Aufbau einer bAV bieten, steuerliche Verbesserungen, die es allen Einkommensgruppen ermöglichen, sich in nur einem externen Versorgungswerk abzusichern, sowie die Ausweitung des Dotierungsrahmens für Pensionskassen, Pensionsfonds und Direktversicherungen. Außerdem fordert die Arbeitsgemeinschaft Maßnahmen, die Niedrigverdiener besser fördern, beispielsweise durch ein Zulagenmodell, die bereits erwähnte Beseitigung von Sonderlasten durch Kranken- und Pflegeversicherung in der Leistungsphase sowie die Abschaffung der vollen Anrechnung auf die Grundsicherung im Alter. Nicht nur die Aba spricht sich für ein einfaches Zulagenmodell aus. Auch der GDV regt eine bessere Förderung von Geringverdienern durch ein einfaches Zuschussmodell an. Damit könnten nach Ansicht des Branchenverbandes Arbeitnehmer mit geringen Einkommen gezielter erreicht werden. Denkbar wäre für den GDV zum Beispiel auch ein pauschaler steuerlicher Zuschuss an den Arbeitgeber, um den Aufbau einer bAV für Geringverdiener besonders zu fördern. 
portfolio institutionell newsflash 10.06.2015/Kerstin Bendix 
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