Versicherungen
11. Februar 2013

Spielball Bewertungsreserven

Die deutschen Lebensversicherer haben in den vergangenen beiden Jahren erhebliche Bewertungsreserven auf ihre festverzinslichen Wertpapiere angehäuft. Sie machen bereits über sieben Prozent der Kapitalanlagen aus. Indessen tobt eine Diskussion, wie mit ihnen umzugehen ist.

Die aktuelle Gesetzeslage zwingt die Lebensversicherer dazu, hoch verzinste Papiere vorzeitig zu verkaufen, um die aufgelaufenen Buchgewinne an die jetzt ausscheidenden Lebensversicherungskunden hälftig auszuzahlen. Die nicht ausgeschütteten Gelder können angesichts der niedrigen Zinsen am Markt jedoch nur zu deutlich schlechteren Konditionen reinvestiert werden. Aus Sicht jener Versicherungskunden, deren Policen erst in der Zukunft fällig werden, klingt das nach einem schlechten Geschäft. Beim Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) schätzt man, dass mehr als 95 Prozent der Lebens- und Rentenversicherungsverträge davon betroffen wären. 
Wie heikel die Zinssituation inzwischen ist, zeigt sich an der vom Bundestag verabschiedeten Änderung des Versicherungsaufsichtsgesetzes, das für Kunden der Lebensversicherer ab dem 21. Dezember 2012 eine neue Beteiligungsregelung an den Bewertungsreserven mit sich bringen sollte. Allerdings wurde die geplante Änderung, dass Lebensversicherer ihre Bewertungsreserven auf festverzinsliche Anlagen nicht mehr zur Hälfte an abtrünnige Kunden ausschütten müssen, auf halbem Weg gestoppt und beschäftigt seither den Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat. Dort gilt es zu entscheiden, ob die unter einem möglicherweise anhaltenden Niedrigzinsumfeld leidenden Lebensversicherungen entlastet werden sollen, indem die Beteiligung an Bewertungsreserven zu Lasten der Kunden gedeckelt wird.
Wie der GDV in einem aktuellen Statement hervorhebt, mehren sich in der Regierungskoalition die Stimmen, dass die vorgesehene Neuregelung zur Beteiligung vor der im Herbst anstehenden Bundestagswahl nicht mehr kommen soll. GDV-Präsident Alexander Erdland hofft jedoch, dass es doch noch zu einer Einigung im Vermittlungsausschuss kommt. „Es wäre gegen die Interessen der großen Mehrheit der Versicherten, wenn die heutige Regelung bestehen bliebe.“ Diese sei nur für „Schön-Wetterphasen gemacht“, so Erdland. In der aktuellen Niedrigzinsphase wirke sie dagegen wie ein Leck im Bootsrumpf. „Wir verlieren Substanz, die wir brauchen, um alle Versicherten gut durch die Niedrigzinsphase zu bringen“, betont der GDV-Präsident, der zugleich als Vorstandsvorsitzender bei der Wüstenrot & Württembergischen tätig ist.
Im Hinblick auf die Kritik von Seiten der Verbraucherschützer, dass eine Neuregelung die Versicherten, die gerade jetzt ausscheiden, tausende Euro kosten würde, kontert Erdland: „Dieser Vorwurf greift zu kurz.“ Versicherte, deren Verträge jetzt ausliefen, erhielten Sonderausschüttungen, „mit denen sie noch vor einem Jahr in keiner Weise rechnen konnten“. Dass einzelne Versicherungsverträge vom Zinsrückgang innerhalb des vergangenen Jahres und einer „so massiven Verschlechterung der Anlagebedingungen profitieren – und zwar auf Kosten der übrigen 95 Prozent der Versicherten – zeigt doch, dass die heutige Regelung nicht richtig sein kann.“
Bliebe die heutige Regelung bestehen, „wird der größte Teil der Versichertengemeinschaft das künftig mit stärker sinkenden Überschüssen bezahlen“, ist der Cheflobbyist beim GDV überzeugt. Aus seiner Sicht sei es keineswegs zu spät für einen vernünftigen Kompromiss zwischen den Parteien. 
Bafin stellt sich hinter den GDV
Bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) teilt man die Ansichten Erdlands. Behördenchefin Elke König beharrt Presseberichten zufolge auf dem geplanten Gesetz, das die Ausschüttungen begrenzt. „Wenn die Neuregelung jetzt nicht kommen sollte, hoffen wir auf einen neuen Anlauf – vielleicht nach der Bundestagswahl“, sagte König in einem Interview der Nachrichtenagentur Reuters. Während Politiker der Regierungskoalition das von der Aufsicht gestützte Vorhaben für die laufende Legislaturperiode nach dem Widerstand von Verbraucherschützern beerdigt haben, ist das Thema für die Bafin-Chefin nicht vom Tisch. Sie setze auf die Beratungen im Vermittlungsausschuss.
Hintergrund: Bewertungsreserven sind bilanzielle Buchgewinne von Wertpapieren. Sie entstehen immer dann, wenn der Marktwert oberhalb der Anschaffungskosten liegt. Aufgrund des Niedrigzinsniveaus sind in den vergangenen beiden Jahren sehr hohe Bewertungsreserven entstanden, die allerdings nur dann realisiert werden, wenn die Assekuranz die Wertpapiere vor ihrer Fälligkeit verkauft. Angesichts der teils üppigen Kupons auf Altanleihen, extrem niedriger Renditen in der Wiederanlage und der idealen Eigenschaften von Anleihen wollen die Versicherer die aufgelaufenen Kursgewinne nicht realisieren. Vielmehr werden die Zinsträger bis zur Endfälligkeit gehalten, wobei die Kursgewinne naturgemäß vollständig abschmelzen. Die Lebensversicherer sind an der regulären Ausschüttung der Zinstitel interessiert, um ihre laufenden Verpflichtungen bedienen zu können.
portfolio institutionell newsflash 11.02.2013/tbü
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