Strategien
10. November 2016

Stiftungen: Aktien in der Direktanlage

Für Aktieninvestments braucht es Wertsicherungskonzepte und gute Asset Manager – oder den ­langfristigen Anlagehorizont einer Stiftung. Diese können auch Kostenvorteile von Aktien-Direktinvestments genießen. In der Praxis stehen „Directs“ jedoch Probleme entgegen.

Wer in deutsche Standardaktien investiert, stand bislang immer auf der Gewinnerseite – zumindest wenn man mindestens 13 Jahre durchgehalten hat. Gemäß einer Statistik des Deutschen Aktien­instituts stand ein Anleger, der 1999 in den Dax investiert hat, im Jahr 2011 mit einem negativen jährlichen Total Return von 1,4 Prozent da, 2012 jedoch mit einer positiven Jahresperformance von 0,7 Prozent. Das Malheur, über zehn Jahre und mehr mit deutschen ­Standardaktien Geld zu verlieren, ereignete sich in den 50 Jahren lediglich fünfmal. Über 15 Jahre lag die geringste Performance bei jährlichen 2,3 Prozent (Ende 1999 bis Ende 2014) und die höchste bei 15,4 Prozent (Ende 1984 bis Ende 1999), über 30 Jahre im Minimum bei 6,8 Prozent ­(Ende 1985 bis Ende 2015) und im Maximum bei 10,3 Prozent (1977 bis Ende 2007). Wer sich oder seine Nachkommen an Weihnachten 1965 mit Aktien beschenkte, hätte Jahr für Jahr eine Rendite von 7,8 ­Prozent erzielt und säße vor allem auf stillen Reserven und einer Dividendenrendite zum Einstiegskurs, mit der die Erfüllung des Stiftungszwecks deutlich leichter fällt als mit heutigen Anleihenrenditen. Über ­kürzere Zeiträume kam es dagegen einige Male zu größeren Verlusten. Auf ­jeden Fall lässt sich festhalten: Je länger der Zeitraum, desto geringer die Verlustrisiken.

In der Zwischenzeit gilt es jedoch für Anleger, bilanziell und ­psychisch auch einmal größere Volatilitäten aushalten zu können. Die hierfür prädestinierteste Anlegergruppe ist – neben den Kirchen – aufgrund ihres Ewigkeitscharakters der Stiftungssektor. Die mit ­Aktieninvestments verbundenen Wertschwankungen kann eine ­Stiftung aushalten, konstatiert Petra Träg, Geschäftsführerin der SOS-Kinderdorf-Stiftung, im Interview mit portfolio institutionell (September 2016, Seite 34): „Das geht, wenn man erlebt hat, dass auch die ­Aktien von Unternehmen mit einer guten Qualität und einem trag­fähigen Geschäftsmodell gefallen sind – diese in einer Rezession trotzdem Dividenden zahlen und deren Aktien dann auch wieder mit der Konjunkturerholung steigen. Diesen Wiederanstieg kann eine Stiftung abwarten. Am Tiefpunkt hektisch zu verkaufen, wäre ein Fehler. Unser Risikomanagement basiert auf der Zeit. Nur pleite­gehen darf das Unternehmen natürlich nicht.“

Nur zwei von 100 Werten seit 1986 im Minus
Anzufügen ist, dass im Dax gelistete Standardaktien wie Bayer, BASF, Beiersdorf, BMW, Continental, Daimler, Heidelberg-Cement, Henkel, Linde, MAN oder Siemens ihren Aktionären in den ver­gangenen Jahrzehnten Kursvervielfachungen bescherten. Gemeinsam ist diesen Unternehmen ein funktionierendes Geschäftsmodell. Für Vertrauen sorgt zudem, dass die Frankfurter Allgemeine Zeitung vergangenen Monat schrieb, dass „von den 100 Werten des F.A.Z.-­Index aus dem Jahr 1986, die auch heute noch börsennotiert sind, nur die Deutsche Bank und die Commerzbank den Anlegern Verluste ­beschert haben. Selbst Bilfinger, Eon, RWE, Hochtief oder die Lufthansa, also nicht ganz krisenfreie Unternehmen, liegen selbst ohne die in diesen 30 Jahren gezahlten Dividenden im Plus.“ Aber nicht nur diese ­Standardaktien waren für einen Langfristanleger attraktive Investments. Auch viele Nebenwerte zahlten kontinuierlich Dividenden und weisen vor allem auch schöne Wertsteigerungen in kürzeren Zeit­räumen auf.

Einwenden lässt sich, dass auch Staatsanleihen über lange Jahre bis heute großartig performten – bei deutlich geringerer Volatilität. Allerdings ist absehbar, dass diese Erfolgsgeschichte nun ihrem Ende zugeht. Vor allem aber sei erinnert, dass Anleihen hierzulande bereits einmal Stiftungsvermögen implodieren ließen. „Heute spricht man oft von einem Stiftungsboom in Deutschland. Vor etwa 100 Jahren gab es aber fünfmal so viel Stiftungen!“, erinnert Petra Träg. „Der ­Supergau für Stiftungen kam durch die Hyperinflation 1923 sowie mit dem endgültigen Währungsschnitt durch das neue Bankgesetz vom 30. August 1924. Über Nacht war das Kapital entwertet. Die Folge war ein Massensterben der Stiftungen, weil diese meist vollständig in ­Anleihen investiert waren.“

Externe und interne Umsetzungswege
Wer von Dividenden ausschüttenden Real Assets überzeugt ist, kann sich Gedanken über den nächsten Schritt machen: die Umsetzung. Um das Aufzeigen möglicher Umsetzungswege machte sich auf dem diesjährigen Stiftungstag in Leipzig die KD-Bank verdient. Eine Möglichkeit ist ein externes Management der Kapitalanlage, ­bestehend entweder aus Fondslösungen oder einer Vermögensverwaltung. Letzteres ermöglicht eine Einflussnahme auf die Anlagepolitik, einen Know-how-Transfer, individuelle Ausschüttungen und ein ­regelmäßiges Reporting. Diesen Weg beschreitet beispielsweise die SOS-Kinderdorf-Stiftung. Die Alternative ist ein internes Management, wie es regelmäßig von großen Stiftungen praktiziert wird. ­Deren großer Vorteil: Sie können sich erfahrene Mitarbeiter leisten, wobei die dann anfallenden (fixen) Personalkosten unter denjenigen für (prozentuale) Managementgebühren im Falle einer externen Durchführung liegen.

Die Hertie-Stiftung, die ihr Anlagevermögen mit 800 Millionen Euro beziffert, investiert sowohl über Fonds als auch direkt in Aktien. Die Aktienquote wurde laut Jahresbericht 2015 „unter Nutzung der Marktschwankungen“ ausgebaut und belief sich zum Jahresende auf 34 Prozent. Wie die Stiftung mitteilt, wird neben Large Caps „seit ­Jahren sehr erfolgreich auch in kleine und mittlere Unternehmen ­investiert.“ Zusätzlich zu klassischen Aktieninvestments wird das ­Aktien-Exposure über „Strukturierte Aktienprodukte“ abgebildet und zudem „seit vielen Jahren erfolgreich in Private Equity investiert.“ Dieser Erfolg lässt sich messen: Über die vergangenen fünf ­Jahre lag die annualisierte­ Performance aus der Vermögensanlage bei über ­sieben Prozent.

Fachwissen und Haftungsfragen
Auch für kleinere Stiftungen wäre gerade in Zeiten schrumpfender Renditeerwartungen eine Reduzierung der externen Kosten ein Gewinn. Über die Jahrzehnte kommt hierbei ein großer Betrag ­zusammen. Wegen des Ewigkeitscharakters ist die Glättung von Volatilitäten, wozu Absolute-Return-Ansätze beitragen können, nicht ­entscheidend. Petra Träg sagt, dass sie von ihrer Stiftungsaufsicht ­darauf hingewiesen wurde, dass das im Stiftungsgesetz aufgeführte Wirtschaftlichkeitserfordernis Priorität vor dem dort ebenfalls aufgeführten Sicherheitserfordernis genießt. „Die Satzungszweckerfüllung und damit die ertragreiche Kapitalanlage ist wichtiger.“ Die höchste Ertragserwartung ist wiederum auf Dauer mit einem kostengünstigen Buy-and-Hold verbunden.

Größenbedingt stehen kleinere Stiftungen allerdings vor gewissen Schwierigkeiten, wenn sie direkt investieren wollen. Fehlendes Anlage-Know-how ist das erste, aber nicht das einzige Manko. „Selbst wenn Kapitalmarkt-Expertise intern besteht, scheuen Verantwortliche mit Blick auf Haftungsfragen vor Investments in Einzelaktien oder ETF und sogar auch Investmentfonds zurück“, erklärt Tobias Karow, Stiftungsexperte bei Rödl & Partner und dem dortigen Geschäfts­bereich Wealth, Risk und Compliance. „Denn an einer sauberen ­Dokumentation und Begründung von Anlageentscheidungen sowie an einem Risikomanagement hapert es in der Regel in allen semi-­institutionellen Anlegergruppen.“

Jörg Seifart von der Gesellschaft für das ­Stiftungswesen sieht die Problemlage eher „im Faktischen“ im Falle drohender Kurseinbrüche. „Selbst wenn dokumentierte Anlageentscheidungen für Unternehmen wie zum Beispiel BMW oder BASF vorliegen: Kritisch wird es, wenn ein Wertpapier schnell aus dem ­Depot gekehrt werden sollte, hierfür aber erst ein mehrköpfiges ­Gremium beraten und entscheiden sowie eine offizielle Sitzung ­einberaumen und protokollieren muss. Bis der Verkaufsauftrag bei der Verwahrstelle ankommt, ist ­eine Woche schnell vorbei und der Kurswert in Scherben.“ Benötigt werden also Absicherungsmöglichkeiten – und zwar anlagetechnisch und gerichtlich. Für ersteres Feld können Absicherungsmöglich­keiten wie Stop-Loss-Orders in Frage kommen. Seifart erklärt weiter: „Neben den dann nicht sichtbaren Kosten ist dies ein Grund, warum viele ­Stiftungen in gängige Fonds investieren. Da findet die Diversifikation schon auf Fondsebene statt und schlägt, sofern der Verlust realisiert wird, nicht direkt in die Bücher der ­Stiftung. Stiftungen müssen ­nämlich ihre Volatilität im Depot nicht zwingend in der Bilanz ­spiegeln.“ Rechtlichen Schutz bietet laut ­Seifart dem Ehrenamtler ­eine D&O-Versicherung, dem angestellten Geschäftsführer eine ­normale Haftpflicht. Eine Schutzfunktion bietet natürlich auch die Mandatierung eines Asset Managers, hinter dessen Entscheidungen man sich verstecken und ähnlich wie einen Fußballtrainer im Miss­erfolg feuern kann.

Krisenfeste Aktien
Ein Beispiel dafür, dass auch relativ kleine Stiftungen die Vorteile von direkten Aktieninvestments genießen können, ist die im ­schwäbischen Gaildorf ansässige Graf von Pückler und Limpurg´sche Wohltätigkeitsstiftung. Wie Geschäftsführer Matthias Rebel berichtet, investiert die 1950 ins Leben gerufene Stiftung bereits seit den 60er Jahren in einzelne Aktien. „Damals gab es den Grundsatzbeschluss, sich dieser Asset-Klasse zu öffnen und den Geschäftsführer eigenständig, also ohne Rücksprachen zu Käufen und Verkäufen, handeln zu lassen.“ Teil der heutigen Umsetzung ist, dass Geschäftsführer ­Rebel zweimal jährlich dem Vorstand eine detaillierte Übersicht zu den ­Einzeltiteln und deren Kauf- und Buchwerte gibt. Steht der Kurs am 31. Dezember unter dem Kaufwert, erfolgen Abschreibungen.

Diese Entwicklungen werden auch im Geschäftsbericht aufgeführt. „Das ist für mich im Vergleich zu Fondsinvestments ein transparenteres Vorgehen“, so Rebel. Wie die SOS-Kinderdorf-Stiftung machte auch die Wohltätigkeitsstiftung die Erfahrung, dass man mit Aktien gut durch Krisen kommen beziehungsweise gut aus Krisen wieder herauskommen kann. „Auf Abschreibungen folgen Kurserholungen und dann steigende stille Reserven. Totalverluste hatten wir selten“, blickt Rebel zurück. Hilfreich für die Krisenbewältigung waren zwei Dinge. „Auch 2008, als wir von Abschreibungen heftig erwischt ­wurden, blieben die Gremien gelassen“, so Rebel. Zum zweiten ­besteht für die Wohl­tätigkeitsstiftung – wie auch bei der SOS-Kinderdorf-Stiftung – kein Ausschüttungszwang. Rebel erklärt: „Ansonsten wäre es schwierig, da bei Realisierungen zum Tiefpunkt das Stiftungsver­mögen auf Dauer sinken würde.“

Befürworter von Fonds weisen bezüglich Kursverlusten gern auf den Vorteil hin, dass man nur den Fondswert und nicht jeden Einzeltitel bilanzieren muss, und man somit, da in der Regel steigende Werte­ ­fallende Werte einigermaßen aufwiegen, einen relativ stabilen ­Gesamtwert angeben kann. Dem ist so, allerdings kann man diese Ausgleichsfunktion Direktinvestments nicht im Umkehrschluss als Nachteil auslegen. „Manche Aktien steigen auch in einer Baisse. Wenn ich deren Kursgewinn realisiere, kann ich einen Umschichtungsgewinn verbuchen. Dieses tolle Instrument zur Erhaltung des Stiftungskapitals funktioniert nicht mit Fonds“, erläutert Rebel.

Investiert ist die Stiftung in maximal 60 Einzeltitel, über die ­Matthias Rebel auch per Internet-Musterdepots die Übersicht behält. In dieser Auflistung finden sich zudem Schwellenländer-ETF und Small Caps wie Bechtle. Auf bestimmte Nebenwerte wird die Stiftung auch über ihr Netzwerk, bestehend beispielsweise aus Bankberatern oder Unternehmern vor Ort, aufmerksam. Ausländische Aktien bleiben wegen der Quellensteuer-Problematik aber „überschaubar“. Der Gesamtwert des Depots habe auch 2008 nicht rot geleuchtet. Aus ­einer reinen Kapitalanlegersicht betrachtet gibt es jedoch ­einen ­Wermutstropfen: Hätte man die Titel seit den 60er Jahren durchgehalten, säße man heute auf stillen Reserven und Dividendenrenditen, die praktisch jede Krise abfedern würden. Entsprechend dem ­Stiftungszweck wurden jedoch immer mal wieder größere ­Positionen für Projektfinanzierungen verkauft. Ein Buy-and-Hold ­wäre für eine Stiftung nur ­möglich, wenn deren Zweck nur aus Ausschüttungen ­finanziert wird.

Müßig ist die Diskussion, wie viele Aktien ein Portfolio haben sollte. Einerseits muss es dem Verantwortlichen möglich sein, den Überblick zu wahren, andererseits sinkt das Risiko mit dem Grad der Diversifikation. Sinnvoll könnten darum gelistete Beteiligungsfonds oder Immobilienaktien sein, die in sich bereits breit diversifiziert sind. Unter Style-Überlegungen erscheinen mit Blick auf Kapital­erhalt und ordentliche Erträge Quality- und Value-Aktien sinnvoll. Für die Wohltätigkeitsstiftung ist Nachhaltigkeit ein wichtiges Kriterium. Hierfür orientiert man sich an dem Nachhaltigkeits-Bewertungs­raster, das Andreas Knörzer in seinen Sarasin-Zeiten entwickelte.

Wie die Beispiele von großen, aber auch von kleinen Stiftungen zeigen, können Aktien-Direktinvestments nicht nur sinnvoll, sondern auch ohne Berufs- und Haftungsrisiken umsetzbar sein. Anbieten kann sich auch ein Mittelweg. So investiert die Gemeinschaftsstiftung Terre des Hommes zu 45 Prozent sowohl indirekt über ökologisch nachhaltige Mischfonds als auch zu 16 Prozent direkt in Aktien. ­Fehlende interne Expertise und Zeitbudgets sowie feste Ausschüttungsziele sind gute Argumente, sich Anlageexpertise einzukaufen.

Von Patrick Eisele

portfolio institutionell, Ausgabe 10/2016

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