Versicherungen
7. Oktober 2015

Teil 3: Was wird aus der Lebensversicherung, Herr Rosenbaum, Herr Schinnenburg?

Versicherer stehen vor fundamentalen Herausforderungen. Die Palette reicht von neuen Geschäftsmodellen in der Lebensversicherung bis hin zur weiteren Regulierung der Branche. portfolio sprach mit Ulrich Rosenbaum, Vorstandsvorsitzender der HDI Lebens­versicherung, und Stephan Schinnenburg von der Ergo Beratung und Vertrieb AG.

Niedrigzinsen spalten die Branche bei der Produktentwicklung, insbesondere bei Garantien. Welche LV-Produkte haben aus Ihrer Sicht Zukunft und welche nicht? Könnten Sie dies kurz begründen?
Rosenbaum: Die Begriffe „Risiko“ und „Sicherheit“ müssen neu definiert werden. Das wahre Risiko für den Kunden besteht darin, zu sehr auf Sicherheit zu setzen. Ein gesundes Maß an Risikobereitschaft ist erforderlich, um das Vorsorgeziel zu erreichen. Deshalb gehört Produkten die Zukunft, die das erforderliche Maß an Sicherheit mit attraktiver Chance verbinden. Traditionelle konventionelle Lebensversicherungen werden ab 2016 bei HDI Leben in der betrieblichen Altersversorgung sukzessive durch kapitaleffiziente Produkte ersetzt. Um einen geregelten Übergang zu gewährleisten, bleiben die Tarife für bestehende Firmengruppenverträge noch bis Mitte 2016 geöffnet. Wir werden die zugesagten Verpflichtungen gegenüber Kunden selbstverständlich erfüllen.
Schinnenburg: Im Neugeschäft sind klassische Garantieprodukte weder für Kunden noch für Unternehmen attraktiv. Wir setzen seit 2013 auf unsere neuen fondsbasierten privaten Rentenversicherungen „Ergo Rente Garantie“ und „Ergo Rente Chance“. Seit Januar 2015 bieten wir auch in der betrieblichen Altersversorgung eine neue Direktversicherung an und können so mit flexiblen Produkten allen Kunden ein passendes Angebot machen. Welches Produkt infrage kommt, hängt von der persönlichen Einstellung zu Chancen und Garantien ab.
Solvency II kommt zum 1. Januar 2016 mit Übergangsszenarien. Was erwarten Sie als erste Auswirkung im kommenden Jahr? Und wäre die Übertragung des Kapitalanlagerisikos auf den Kunden nicht strategisch zu kurz gesprungen, da es Verbraucher weg von den Lebensversicherern und hin direkt zu Fondsanbietern treiben könnte?
Rosenbaum: Die HDI Lebensversicherung ist als Teil der Talanx-Gruppe solide kapitalisiert und liegt bei der Umsetzung gut im Plan. Gegenüber reinen Fondsanbietern haben wir einen entscheidenden Vorteil: Nur Versicherer sind in der Lage, biometrische Risiken finanziell abzusichern. Das kann kein Anlageprodukt einer Fondsgesellschaft bieten. Dort gerät bei Eintritt einer Berufsunfähigkeit der Finanzierungsplan – und damit die ganze Altersvorsorge – sofort ins Wanken.
Schinnenburg: Wir sind auf Solvency II gut vorbereitet. Ob der Kunde das Kapitalanlagerisiko tragen sollte, ist weniger eine Frage des neuen Aufsichtsrechts als der extrem niedrigen Zinsen. Der Kunde wird sich entscheiden müssen: volle Garantie und geringer Ertrag – oder mehr Anlagerisiko und hohe Chancen. Eine direkte Fondsanlage ist jedoch keine Alternative zu Altersvorsorgeprodukten, die eine lebenslange Rente bieten.
Welche  Zukunft hat bei Ihnen der Maklervertrieb, wie sorgen Sie bei Umsetzung des Lebensversicherungs-Reformgesetzes (LVRG) für faire Vergütung, die den Makler nachhaltig überleben lässt?
Rosenbaum: Gerade nach der Entscheidung in Brüssel zur EU-Versicherungsvertriebs-Rchtlinie (Insurance Distribution Directive, kurz: IDD) glauben wir noch mehr an die Zukunft des Maklervertriebes. Viele Vertriebspartner können durch qualitativ exzellente Betreuung ihrer Kunden geringe Stornoquoten erreichen. Wenn Kunden ihre Versicherungsverträge bis zum Ende der Laufzeit aufrechterhalten, ergibt sich nun vielfach eine höhere Gesamtvergütung als im früheren Vergütungssystem. Da ein hoher Anteil der Gesamtvergütung als laufende Courtage gezahlt wird, profitieren Makler zudem von einer besseren Planbarkeit und Konstanz der Courtagezahlungen. Uns ist bewusst, dass trotz dieser positiven Effekte die gesetzlich bedingten Änderungen Makler in der ersten Zeit nach der Umstellung vor Herausforderungen stellen können, insbesondere im Hinblick auf die Liquidität. Dies ist selbstverständlich in unsere Überlegungen zum neuen Modell eingeflossen. Wir haben alles daran gesetzt, Maklern weiter ein stabiles wirtschaftliches Fundament für vertrauensvolle Kooperation zu bieten.
Schinnenburg: Der Maklervertrieb ist ein wichtiger Vertriebsweg für Ergo und wird es bleiben. Das LVRG wird Konsequenzen für die Vergütungen haben. Bei Ergo noch nicht 2015, denn wir wollen die Anpassung sorgfältig planen. Wir sind in Zusammenarbeit mit allen Beteiligten dabei, Auswirkungen auf unsere Courtagemodelle zu prüfen. Wir gehen davon aus, dass es ab 2016 Anpassungen geben wird.

Die Gespräche führte Detlef Pohl

portfolio institutionell newsflash 07.10.2015/Detlef Pohl

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