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1. März 2018

Transparency International

Wie investieren Großanleger ihre Milliarden? Die Antwort auf diese Frage ist manchmal nur ein paar Mausklicks entfernt. Häufig stochert man aber im Nebel. Deshalb: Ein Plädoyer für mehr Transparenz.

Wer sich oft mit der institutionellen Kapitalanlage befasst, für den sind die kleinen und großen Unterschiede zwischen den Kapitalsammelstellen irgendwann kein Buch mit sieben Siegeln mehr: Wie heißen die Vorreiter unter den britischen Pension Funds, was zeichnet die Pensionswerke der Dax-Unternehmen aus und wer berät ­eigentlich die milliardenschweren Staatsfonds von Abu Dhabi über Singapur bis nach Down Under bei der Auswahl ihrer Kapitalanlagen?
Abseits der hier zu attestierenden und bisweilen recht signifikanten (Größen-und Know-how-)Unterschiede gibt es in dieser doch sehr heterogenen Anlegerwelt aber einen Punkt, der ihre Vertreter wieder eint, oder besser: sie in nur noch zwei Lager teilt. Zwei Lager, die – subjektiv betrachtet – unterschiedlicher kaum sein könnten: Ihr kleinster gemeinsamer Nenner ist die Transparenz oder Opazität, mit der sie Außenstehenden begegnen. 
Nehmen wir doch nur mal die Berufsständischen Versorgungswerke in der Bundesrepublik, die die Altersversorgung für kammerfähige freie Berufe verantworten. Sie alle haben über das Internet eine Verbindung zur Außenwelt hergestellt und erwecken damit den ­Anschein, transparent zu sein. Wenn es dann aber ernst wird, näheres über Protagonisten, Kapitalanlagen und damit einhergehende Herausforderungen zu erfahren, wird man schnell durch einen schier unüberwindbaren Graben in Gestalt eines Log-in-Bereich ausgegrenzt, den nur Mitglieder des Versorgungswerks passieren dürfen. Diese Bunkermentalität mag einen Grund haben. Vertrauen schafft sie nicht, sondern bietet Raum für Mutmaßungen und Spekulationen. 
Ausnahme unter den Versorgungswerken im Wettstreit, wer es schafft, am wenigsten von sich preiszugeben, bilden die Ärzteversorgung Westfalen-Lippe (ÄVWL) und das Versorgungswerk der Wirtschaftsprüfer und der vereidigten Buchprüfer (WPV), die nicht mit Zahlen hinterm Berg halten. Andere deutsche Kapitalsammelstellen sind zwar auch nicht unbedingt schmallippig, wenn es um Daten und Fakten geht, aber der Mantel der Vertraulichkeit wird auch hier in Zeitlupe gelüftet. So geschehen unlängst bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder, der milliardenschweren VBL.
Sie veröffentlichte am 11. Januar 2018 ihren Geschäftsbericht – für das Jahr 2016. Chapeau, auch für die Namensgebung: „Digitale Transformation“, heißt das Werk. Aber ist es nicht so, dass die digitale Transformation etwas mit zunehmender Geschwindigkeit zu tun hat? Aber besser ein spät veröffentlichter Geschäftsbericht als kein veröffentlichter Geschäftsbericht. Doch es gibt auch Einrichtungen, die zeigen, was sie haben und was sie können und das auch zügig. Ihnen ist dieser „Weltspiegel“ gewidmet. 
Transparenzoffensive 
Transparente Investoren findet man in Nordeuropa, zum Beispiel den staatlichen Pensionsfonds in Finnland. Das Anlagevehikel dient laut der in Englisch publizierten Homepage dem Staat als eine Art Pufferfonds, der eines fernen Tages Pensionen zahlen soll. Dazu bedient man sich heute eines breiten Anlagespektrums. Dieses erstreckt sich von Anleihen über Aktien bis hin zu Immobilien, Infrastruktur­projekten und enthält auch Strategien im Hedgefondsuniversum sowie Risikoprämienstrategien. Konkrete Angaben zu den jeweiligen Benchmarks sind ebenfalls kein Betriebsgeheimnis.
Werfen wir auch einen Blick auf die Norges Bank Investment Management. Dabei handelt es sich um den Verwalter, der die Milliardeneinnahmen aus dem Öl- und Gasgeschäft im legendären Government Pension Fund Global für die norwegische Bevölkerung global investiert. Auf der Homepage springt dem Leser als erstes die Höhe des aktuellen Kapitalanlagevolumens entgegen: Etwas mehr als acht Billionen Norwegische Kronen waren es, als diese Zeilen entstanden. Und ohne der ­norwegischen Sprache mächtig zu sein oder ein Passwort angeben zu müssen, kann der Nutzer sich im Netz – auf Englisch – einen Eindruck über die Investments der Skandinavier verschaffen.
Wer mehr wissen möchte, dem hilft der Button „Transparency“ weiter. Dort findet man News, die diese Bezeichnung zurecht tragen. So wird berichtet, dass sich der Staatsfonds unlängst in ein Immobilienvorhaben in San Francisco eingekauft hat. Ist es dagegen nicht so, dass man vergleichbare Vorhaben von institutionellen Großanlegern in der Bundesrepublik entweder gar nicht erfährt oder nur mit Verspätung oder über Umwege, weil es ein mandatierter Asset Manager zur Eigenwerbung an die mediale Glocke hängt? 
Gescheite Lehrer 
Besonders viel Geld investiert der Ontario Teachers‘ Pension Plan (OTTP) für seine Schützlinge: 318.000 aktive und ehemalige Lehrer. Auch hier findet sich direkt auf der Startseite ein Link zu den Investments der Kanadier. Und zwar nicht nur oberflächlich und mit einem schnöden Balkendiagramm, wie das für deutsche Verhältnisse schon ein Übermaß an Transparenz wäre. In der kanadischen Provinz Ontario räumt man freizügig ein, dass man sich von Aktien, Immobilien und Privatmarktanlagen viel verspricht. Und es vergeht kaum eine Woche, an dem die 180 Milliarden kanadische Dollar starke Kapitalsammelstelle nicht über das nächste Investment berichtet und ausschlaggebende Gründe auflistet. 
Um ein Beispiel zu geben: Kurz vor Weihnachten 2017 erörterten die Lehrer, weshalb sie sich mit Jasper Farms nun den zweitgrößten Avocado-Züchter Australiens ins Portfolio gelegt haben und was das Besondere an dem Investment ist. Neuerdings investiert der Lehrerpensionsfonds aber auch in Aquakulturen, genauer gesagt in die Firma Atlantic Aqua Farms, den größten Züchter lebender Muscheln in Nordamerika. Aber warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah? Denn auch der Pensionsfonds für die Staatsbediensteten der Niederlande und den Bildungssektor des Landes, bekannt als „ABP“, tätigt spannende Investments, sorgt damit für die Zukunft vor und berichtet darüber. Und das auch auf Englisch.
Im Oktober informierten die mit etwa 450 Milliarden Euro hantierenden Niederländer über ein neues ­Investment in einen heimischen Vermieter von Grund­stücken für Mobilfunkantennen. Die Aussicht auf stabile Erträge aus dem Vermietungsgeschäft passt gut zu einem Pensionsfonds. Vielleicht noch spannender ist aber, was die nun verstärkt auch auf nachhaltige Investments bedachte ABP aus dem Portfolio wirft: Alles was mit Tabak zu tun hat und – kein Ruhmesblatt für die Niederländer – sämtliche Anteile an Herstellern von Nuklearwaffen und den an der Wertschöpfungskette Beteiligten. Diese Entscheidung wurde im Januar 2018 publik. ABP will sich nun aber ein Jahr Zeit nehmen, um die Anteile im Wert von rund 3,3 Milliarden Euro zu verkaufen. 
Ein Hoch auf die Schweiz 
Auf der Liste der Investoren, die sich dezidiert über ihre Assets und die Verpflichtungsseite äußern, darf auch die Pensionskasse des Bundes nicht fehlen: Die Publica ist eine selbstständige öffentlich-rechtliche Vorsorgeeinrichtung und als Sammeleinrichtung mit derzeit 20 sogenannten Vorsorgewerken organisiert. Mit einer Bilanzsumme von rund 40 Milliarden Franken gehört sie zu den größten Pensions­kassen in der Schweiz. Ob Anlageprozess, Anlagestrategie oder Kennzahlen – alles ist auf der Homepage frei zugänglich und wird mit aktuellen Zahlen präsentiert.
Ganz ähnlich ist das bei der Pensionskasse Stadt Zürich. Dort erläutert man, dass die Erträge aus den Vermögensanlagen (derzeit rund 17 Milliarden Franken) neben den laufenden Beitragszahlungen wesentlich zur Finanzierung der Renten beitragen. Das ist für Pensionseinrichtungen der zweiten Rentensäule nicht ungewöhlich. Das hier schon: Zum Selbstverständnis der Eidgenossen gehört es, allen Interessenten, die über einen Internetanschluss verfügen, Einblicke in die Asset-Allokation zu gewähren (siehe Tabelle). 
Zur Abrundung unseres Plädoyers für mehr Transparenz in der institutionellen Kapitalanlage die Frage, warum wir sie einfordern und wer davon profitieren soll. Zunächst einmal profitiert die Fachpresse, da sie sich auf Fakten verlassen kann und nicht auf windige ­Informationen aus zweiter Hand angewiesen ist. Im nächsten Schritt profitiert die Öffentlichkeit, da sie nun umfassender informiert ­werden kann. Es nimmt auch Druck von den Schultern der mit der Kapitalanlage Betrauten, wenn sie in den Medien beispielsweise über ihre Hedgefonds-Quote sprechen dürfen und erläutern können, was sie da eigentlich treiben mit dem fremden Geld.
So könnte auch vermieden werden, dass man sie als „Spekulanten“ bezeichnet, die angeblich mit dem Geld der Rentner zocken sollen. Schlussendlich möchten wir hiermit alle Kapitalsammelstellen in der Bundesrepublik aufrufen, dem Beispiel der Eidgenossen, Niederländer und Kanadier zu folgen und ebenfalls mehr von sich preiszugeben. Es wird dem Vertrauen in die zweite Rentensäule guttun. 
portfolio institutionell, Ausgabe 2/2018
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