Alternative Anlagen
6. Juni 2016

Wahre und unwahre Contrarians

Einen Ausweg aus dem Anlagedilemma suchen Investoren vermehrt bei Liquid Alternatives. Anschauungsbeispiele boten bei der Jahreskonferenz von portfolio institutionell zwei erfahrene Investoren, die konstruktiv und kritisch über ­diese alternative Anlagestrategie referierten.

Über 30 Jahre hinweg konnten sich Investoren auf eines ­verlassen: In turbulenten Aktienmarktphasen hilft der Bond-Block zuverlässig über das Gröbste hinweg. Dank der negativen Korrelation von ­Anleihen zu Aktien machten sich Aktieneinbrüche auf Portfolioebene nicht allzu sehr bemerkbar. Je weiter aber die Renditen zurückgehen, desto unwahrscheinlicher wird es, dass Anleihen diese ­„Ausputzerrolle“ im Portfolio weiter ausfüllen können. Als ­Alternative zu Anleihen ­erhöhten institutionelle Investoren darum ihre Immobilien­quoten und entdeckten die Asset-Klasse Infrastruktur. Viele beschäftigten sich aber auch stärker mit Liquid Alternatives. ­Liquid Alternatives ist ein neudeutscher Begriff für Ucits beziehungsweise eine Umschreibung von Absolute Return, was wiederum einen Euphemismus für Hedgefonds darstellt.

Von der Fortentwicklung der Umschreibung von Hedgefonds lässt sich indirekt ableiten, dass diese Investmentansätze bislang – vorsichtig ausgedrückt – nicht komplett überzeugen konnten, deren Idee aber so gut und passend für das aktuelle Kapitalmarktumfeld ist, dass es Sinn macht, sich weiter mit diesen Alternativen auseinanderzusetzen. Sinnvoll für deutsche Anleger ist insbesondere, Ansätze zu suchen, die der bislang der Anleihequote zugeordneten Rolle gerecht werden können. Für Frank Umlauf von Tajdo Consulting und Co-­Moderator des Liquid-Alternatives-Panels der Jahreskonferenz sollen Liquid Alternatives – übertragen aus dem Fußball – idealerweise dem Innenverteidiger des Portfolios, also den Anleihen, an die Seite ­gestellt werden. Interessanterweise waren Hedgefonds in ihrem Ursprungsgedanken eher mit einem alle Freiheiten genießenden Spielmacher vergleichbar. Doch mit dem Wandel des Begriffs fand offensichtlich auch ein Positionswechsel im Portfolio statt – und damit herzlich ­willkommen beim bunt und prominent besetzten Liquid-­Alternatives-Panel der Jahreskonferenz.

Aus der konsensfähigen Sicht von Vicky Hudson, Head of Liquid Alternatives bei Aberdeen Asset Management, handelt es sich bei ­Liquid Alternatives um Alpha-Strategien, die sich aus unkorrelierten Renditequellen speisen und kombiniert eine niedrige Volatilität sowie ­insbesondere Protektion bieten. Um Ucit-Fonds muss es sich dabei aber nicht unbedingt handeln. „Manche Hedgefonds-Strategien ­machen als Ucits ­keinen Sinn“, erklärte Marcel Oldenkott, Portfoliomanager bei Pinechip Capital. In den Altersvorsorge­einrichtungen der Evonik sollen Liquid ­Alternatives in Form von Equity long-short, Absolute Return Bond Strategys und Global Macro, umgesetzt über verschiedene Manager und Anlagestile, helfen, über ihre diversifizierende Wirkung den ­Ertrag zu stabilisieren. „In der Vergangenheit hat dies jedoch nicht immer funktioniert“, berichtete Stefan Hentschel, Head of Pension Asset Management der Evonik Industries AG. ­„Umso wichtiger ist ­Diversifikation und eine breite Aufstellung.“

Für Richard Berger, Chief Investment Officer Alternative Fund of Funds bei Pioneer Investments, empfiehlt sich für ein Bond-Risk-Return-­Profil ein Mix an Strategien. Als Bausteine nennt Berger Market Neutral, Event Driven, CTAs oder Global Macro. „Damit lässt sich der ­gewünschte Charakter von Bonds, nämlich Kapitalschutz, darstellen.“ Frank Umlauf stimmt zu, dass man so auf das Risikoniveau von Bonds kommt, nicht aber zwangsläufig auf das Korrelationsverhalten. „Mit einem solchen Mix lässt sich bestenfalls eine Korrelation von Null darstellen.“ Die Erwartungshaltung gehe aber in Richtung einer negativen Korrelation.

Eine realistische Erwartungshaltung ist auch aus Sicht von Dr. Wolfgang Mader, Managing Director bei Risklab, wichtig. Dies gilt im Fall einer gewünschten negativen Korrelation auch bezüglich einer dann sehr begrenzten Renditeerwartung. Mader bringt an dieser ­Stelle zudem ins Spiel, eine negative Korrelation strukturell zu ­erreichen: „Dann muss aber eine Prämie bezahlt ­werden.“ Tail Hedges sind jedoch relativ teuer. Günstigere Varianten wären asymmetrische Strategien oder Trendfolger.

Der Selektion und dem Monitoring kommen bei Liquid ­Alternatives eine besonders große Bedeutung zu. „Man sollte nicht zu stark auf die Namen der Hedgefonds fokussieren. Wir raten zu einer tiefgehenden Due Diligence. Wichtig ist, den Investmentprozess zu verstehen und die Portfoliokonstruktion beizubehalten“, erklärte ­Richard Berger von Pioneer Investments. Dr. Wolfgang Mader von Risklab stimmt zu, dass man nicht versuchen sollte, Strategien zu ­timen: „Zudem muss ­Risikomanagement ex-ante erfolgen. Strategien sollten mit dem ­Manager diskutiert werden. Konzentrationsrisiken gilt es zu ver­meiden, um nicht zum schlechtesten Zeitpunkt ­umschichten zu ­müssen.“

Ein besseres Strategieverständnis hilft auch bei der Beurteilung, ob die Performance wiederholbar ist. Auf diesen Punkt wies ­Aberdeens Vicky Hudson hin. Die intensive Beschäftigung mit Strategien und Managern verschaffen Stefan Hentschel noch weitere ­Erkenntnisse: „Es empfiehlt sich regelmäßig die Disziplin des Managers zu überprüfen und zu erkennen, ob er noch die nötige Demut aufweist.“

Als weniger konsensfähig zeigte sich jedoch der weitere Diskus­sionsverlauf. Offensichtlich wurde eine Uneinigkeit zwischen Asset Managern und Investoren bezüglich der Würdigung der Einflüsse des Marktumfelds, des Betas und des Managements der erwähnten ­Erwartungshaltung. „Das Umfeld war für Manager sehr schwierig“, sagte Richard Berger bezüglich mancher Underperformance. Der Chief Investment Officer der Alternative Fund of Funds bei Pioneer Investments verweist dabei auf die Notenbankpolitik und Dispersionen. „Zudem haben die Manager nicht nur das Ziel, Alpha zu ­erwirtschaften, sondern auch zu hedgen, wenn die Märkte fallen“, so Berger. Dagegen sagte Marcel Oldenkott: „Wenn ich 2+20 zahle, will ich keine Verweise auf die Zentralbank, auf das risk-on-, risk-off-­Umfeld oder auf eine zu hohe oder zu niedrige Volatilität hören.“ Dass die Manager das Kapital schützen müssen, sei zwar richtig. Aber: ­„Tatsächlich verhalten sich viele Manager prozyklisch. Bei dem ­Versuch, in jeder ­Aufwärtsbewegung des Aktienmarkts voll dabei zu sein, nehmen die Manager zu viel Beta und fallen dann bei der ­Gegenbewegung wieder auf die Nase und müssen das Risiko ­reduzieren“, kritisiert Oldenkott. Es gäbe aber auch Gegen­beispiele „in der zweiten Reihe, die sich eher antizyklisch verhalten, weniger große Drawdowns und damit über die Vergangenheit bessere Returns erwirtschaftet haben.“

Richard Berger sieht dieses Dilemma teilweise auch als konstruktionsbedingt an, nämlich dass die Investoren bei Verlusten unruhig werden und den Manager entgegen dessen fundamentaler Sicht manchmal im falschen Moment zwingen, das Risiko zu reduzieren. Oldenkott bemerkte daraufhin spitz, dass es immer ein großer Zufall wäre, dass sich Drawdowns immer dann ereignen, wenn die Aktienmärkte fallen: „Diesen großen Zufall konnte mir bislang noch ­niemand erklären.“ Naheliegender ist für Oldenkott, dass die ­Manager zu viel Beta, wenn nicht sogar noch „hidden Beta“ über ­beispielsweise zyklische Aktien, haben. Dies müsse bei der Managerselektion sorgfältig ­geprüft werden, um erkennen zu können, wann diese ­Strategien Geld verlieren werden. Bezüglich des Verhaltens der Investoren ­erwähnt der Portfoliomanager das verbesserungswürdige Erwartungs­management der Hedgefonds, aufgrund dessen die Investoren dann den tatsächlichen Risikobudgetbedarf unterschätzen: „Ein Verlust von zehn Prozent bei Aktien überrascht niemanden. Problematisch ist aber, wenn gesagt wird, dass eine Strategie auf Grund ihrer Marktneutralität an einer solchen Downside nicht partizipiert. Materialisiert sich dieses Risiko dann doch, werden die Investoren nervös.“

Für ein über das reine Zahlenmaterial hinausgehendes Verständnis von Liquid Alternatives ist die Frage interessant, warum das, was als Alpha vermarktet wird, sich gerne als Beta entpuppt. Die beiden Investoren nennen als Gründe, dass Beta per se schon einen positiven Erwartungswert hat, dass man – natürlich – Geld verdienen will, es aber sehr schwierig ist, mit diversen Trades marktneutrale Renditen zu erzielen. Hinzu komme in vielen Fällen die Sozialisation im ­Handelssaal einer Investmentbank, wo man munter auf die Bank­bilanz zocken konnte und darum immer mehr Risiko, als eigentlich angebracht gewesen wäre, genommen hat. Weitere Kritikpunkte der beiden Anleger bezogen sich auf zu hohe ­(Handels-)Kosten.

Wie die Diskussion zeigte, handelt es sich bei Liquid Alternatives um komplexe, arbeitsintensive Anlagestrategien. Sich mit diesen ­auseinanderzusetzen und die wahren Contrarians zu finden, macht trotz mancher Erfahrungen mit Blick auf die Bewertungen in anderen Asset-Klassen jedoch mehr und mehr Sinn. Allerdings mag die ­Motivation hierzu darunter leiden, dass Hedgefonds in der Dis­kussionsrunde immer wieder mit einer eigentlich sehr simplen Asset-Klasse, nämlich Bonds, verglichen wurden. „Bundesanleihen wie in den vergangenen 30 Jahren: Das ist der Hedgefonds, den wir haben möchten, aber noch suchen“, betont Stefan Hentschel die anspruchsvolle Selektion. „Man muss sich ­anstrengen, die wirklich besten zu suchen. Anders als bei Private Equity, wo man von einem Top Quartil spricht, gibt es bei Hedgefonds nur ein bestes Zehntel.“

Von Patrick Eisele

portfolio institutionell, Ausgabe 05/2016

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