Schwarzer Schwan
18. Oktober 2013

Wenn der Regulator zweimal klingelt

Die Investmentbranche wird reguliert. Leider gelingt das nicht immer auf Anhieb.

Das seit einer halben Ewigkeit diskutierte Aufsichtsregime „Solvency II“ soll die Solvabilitätsvorschriften der Versicherungsunternehmen und der Rückversicherer harmonisieren. Soweit die Theorie! Doch wie soll ein Aufsichtsregime die Harmonie verbessern, wenn es selbst nur Unruhe stiftet? Schließlich hat die jüngste Testlauf „Long Term Guarantee Assessment“ im Sommer gezeigt, dass bei dem risikobasierten Aufsichtssystem noch einiges im Argen ist. 
Erst kürzlich schlug die EU-Kommission deshalb ein Änderungsgesetz, ein sogenanntes Quick Fix, vor, um die Anwendung von Solvency II um zwei Jahre auf den 1. Januar 2016 zu vertagen. Vereinfacht könnte man sagen, es handelt sich um ein Gesetz, das ein anderes Gesetz verschiebt. Der zuständige EU-Kommissar, Michel Barnier, sagte in dem Kontext: „Wir haben die Verschiebung vorgeschlagen, um jegliche rechtliche Unsicherheit zu vermeiden.“ Ende September hat die europäische Versicherungsaufsicht Eiopa derweil die finalen Leitlinien veröffentlicht. Offensichtlich ist der Gesetzgeber doch davon abgekommen, die Schwachstellen von Solvency II im laufenden realen Betrieb an Versicherungs-Versuchskaninchen zu testen und zu optimieren.
Rechtliche Unsicherheit keinesfalls zu vermeiden, das war das Ziel im bisherigen Bundestag. Zumindest, wenn man das Beispiel des AIFM-Steueranpassungsgesetz heranzieht. Exakt 20 Tage vor der Bundestagswahl ist der Versuch, die begleitende Steuerregelung für das neue Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) durch den Vermittlungsausschuss zu hieven, gescheitert; gerade so, also ob die Investmentbranche nicht händeringend darauf warten würde. Beobachter sprechen von bester Werbung für den Fondsstandort Luxemburg sowie einem „Desaster“ und ziehen metaphorisch Parallelen zu einer vierspurig ausgebauten Autobahn, die nicht befahren werden darf, weil der Bürgermeister noch keine Zeit hatte, das obligatorische Band durchzuschneiden.
Und weil das Steuergesetz noch nicht in Sack und Tüten ist, funktioniert auch das von vielen Akteuren heiß ersehnte Pension Asset Pooling hierzulande noch nicht wie erhofft. Das Bundesfinanzministerium lässt die Akteure freilich nicht auf offener Strecke im Regen stehen. Vielmehr bleibt das alte Steuerrecht bis auf weiteres in Kraft. Analog zu Solvency II harren die betroffenen Unternehmen den Veränderungen, die da kommen sollen. 
Solvency II? AIFM-Steueranpassungsgesetz? Und was ist mit der Finanztransaktionssteuer? Die EU-Kommission plant ein Inkrafttreten inzwischen nicht mehr wie ursprünglich geplant für den Jahresanfang 2014. Vielmehr ist nun die Jahresmitte im Gespräch. Beobachter gehen aber davon aus, dass die neue Tax erst Anfang 2015 kommt. Gleichwohl ist auch hier das letzte Wort noch nicht gesprochen. Sieht so die Harmonisierung in Europa aus?
Welcher institutionelle Investor, der eigentlich angetreten ist, anvertrautes Vermögen zu vermehren, soll da noch auf dem Laufenden bleiben? Zumal die Regulierungsmaschinerie auf absehbare Zeit nicht still stehen wird: Man denke nur an die European Market Infrastructure Regulation, kurz Emir. Oder an den Foreign Account Tax Compliance Act (Fatca) in den USA. Außerdem stehen die Anlageverordnung vor einer Überarbeitung und die Mifid-II-Richtlinie vor der Tür. Die Investmentbesteuerung wird reformiert. Und die EU plant eine Verordnung für Benchmarks. Die Liste ließe sich noch verlängern.
Wenn für jedes Gesetz, das anders und später als geplant umgesetzt wird, gefühlt ein Änderungsgesetz zum Änderungsgesetz und ein Rundschreiben zum Rundschreiben nötig ist, dann „Gute Nacht“. Apropos, das neue KAGB führt dazu, dass 25 Gesetze in Deutschland angepasst werden müssen. 
In diesem Sinne wünscht Ihnen die Redaktion von portfolio einen klaren Kopf. 
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